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»Bitte, Herr!« flehte Winyela und warf sich vor Canka zu Boden. »Gib mich nicht fort! Ich liebe dich doch! Ich liebe dich!«

»Schweig, Sklavin!« sagte Canka streng.

Winyela senkte den Kopf und schluchzte so heftig, daß sie am ganzen Körper bebte.

Wie betäubt stand Hci vor uns.

»Was gedenkst du mit ihr zu tun?« fragte Canka freundlich.

Offenkundig hatte Hci nicht damit gerechnet, das Mädchen zu bekommen; Cuwignaka behielt recht. Er hatte sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht, was er mit ihr anfangen sollte.

»Mein Vater wollte sie haben«, sagte Hci. »Ich werde sie ihm für die Gelbmesser schenken.«

»Das ist eine gute Idee«, sagte Canka aufgeschlossen.

»Hci«, rief ein Mann lachend, »hat für eine weiße Sklavin zwanzig Kaiila gegeben!«

»Ich glaube nicht, daß ich ihm auch weiterhin meine Tauschgeschäfte überlasse«, sagte ein zweiter.

»Es ist sogar doppelt witzig!« meldete sich ein dritter. »Hci wurde dazu gebracht anzunehmen, daß Canka auf den Handel nicht eingehen wolle, dann führte Canka ihn hinters Licht und schloß ein Geschäft ab, das sehr zu seinem Vorteil war!«

»Wenn ich beim Austausch von Geschenken nur auch so gut abschneiden könnte!« rief eine Stimme.

Gelächter breitete sich aus.

»Komm, Mädchen«, sagte Hci zornig zu Winyela. Offenbar wollte er schleunigst diesen Ort verlassen, an dem er, Hci, Sohn eines Häuptlings, plötzlich in die Hinterhand geraten war und als Dummkopf hingestellt wurde. Eine unangenehme Wende, die seiner Eitelkeit so gar nicht schmeichelte.

»Geh mit ihm«, sagte Canka zu Winyela.

Schwankend richtete sie sich auf.

Hci machte kehrt. Er hatte noch keine zwei Schritte gemacht, als Canka hinter ihm herrief: »Einen Moment noch, Freund Hci!«

Ärgerlich drehte sich der junge Krieger um. Er hatte die Hand auf den Messergriff gelegt.

»Wir haben die Zeit der Friedensschlüsse«, sagte Canka. »Die Zeit des Feierns und Tanzens. Die Zeit für Geschenke und Freundschaftsbekundungen.«

Aufgebracht starrte Hci ihn an.

»Ich schenke dir zwanzig Kaiila!« sagte Canka und hob den Zügel. »Sie gehören dir!«

»Ich habe nichts von vergleichbarem Wert, das ich dir schenken könnte!« brüllte Hci zornig.

»Ich nehme sie«, sagte Canka und deutete auf Winyela. »Nein!« sagte Hci nachdrücklich. »Ich weiß nun, daß du sie haben willst. Aber ich behalte sie.«

»Tu das!« sagte Canka lachend. »Aber dann wird überall an den Feuerstellen herumerzählt werden, wie Hci seine Ehre verlor, wie er sich vom Austausch von Geschenken ausschloß, wie er damit bewies, daß er ein engstirniger, geiziger Mann ist und den Edelmut und die Großzügigkeit des Kaiila-Kriegers vermissen läßt!«

»Ich bin Kaiila-Krieger!« brüllte Hci außer sich. »Ich bin nicht engstirnig und geizig! Hci ist großzügig! Hci ist edel! Hci ist ein großzügiger, edler Krieger! Hci ist ein Krieger der Kaiila! Hci verliert nichts von seiner Ehre!«

»Ach?« fragte Canka.

»Sie gehört dir!« sagte Hci.

»Und die Kaiila dir«, sagte Canka lächelnd und reichte den Leitzügel für die zwanzig Reittiere einem der Sleensoldaten in Hcis Begleitung.

Winyela sank vor Canka in die Knie. Ich fürchtete, sie würde das Bewußtsein verlieren.

Hci musterte Canka mit zornigem Blick. Seine Hand öffnete und schloß sich über dem Messer.

»Ich glaube, Canka liegt wirklich an der Frau«, sagte ein Mann.

»Ich auch«, antwortete ein anderer.

»Interessant«, sagte eine Stimme.

»Nun ist der Scherz ein dreifacher«, sagte einer der Männer. »Canka tat, als wolle er nicht tauschen, dann tauschte er doch und legte Hci damit herein; da er aber letztlich die Frau behalten wollte, übertölpelte er Hci ein zweitesmal und zwang ihn gegen seine Ehre, sie zurückzugeben.«

Ich lächelte. Für mich stand nach diesem lebhaften Gespräch fest, daß die Ehre eher Cuwignaka als Canka gebührte.

Seine Schläue, so wollte mir scheinen, stand hinter Cankas Sieg und hatte ein Blutvergießen verhindert. Canka, davon war ich überzeugt, machte sich in diesem Punkt keine Illusionen.

»Eine gute Geschichte«, sagte ein Mann, »die im Laufe der Jahre oft erzählt werden wird.«

»Und es ist keine Eigengeschichte«, antwortete sein Nachbar. »Wir alle können sie erzählen.«

»Ja«, sagte der erste. Viele Geschichten, die bei den roten Wilden erzählt werden, stehen im Eigentum einzelner, und können nur von einem bestimmten Mann erzählt werden. Wollte man die Geschichte hören, müßte man sich an ihren Eigentümer wenden. Es ist ein Privileg, eine Geschichte zu besitzen. Sie kann einen zu einer wichtigen Person machen. Manchmal werden solche Geschichten an bestimmten Tagen erzählt, und viele Leute kommen zum Zuhören. Manche Menschen besitzen kaum etwas anderes als ihre Geschichte, doch eine gute Geschichte zu besitzen macht einen Mann in den Augen der roten Wilden reich.

Geschichten lassen sich auch wie jeder andere Besitz verschenken oder verkaufen. Dies geschieht aber selten, denn die roten Wilden stellen sich ungern vor, daß eine Geschichte einen Preis hat; für sie ist sie zu kostbar zum Verkaufen. Wie alle kostbaren oder unschätzbaren Dinge behält man sie oder verschenkt sie höchstens, wenn einem in einer Hochstimmung danach zumute ist. Manchmal vererbt ein Mann seine Geschichte; so leben gewisse Geschichten seit Generationen in Familien fort; manchmal gibt er sie an jemanden weiter, der sie liebt und von dem er annimmt, daß er sie gut erzählen kann.

»Morgen«, rief Hci zornig und deutete auf Canka, »wird sich mein Vater die Frau nehmen. Morgen mittag wird er sie dir abnehmen, für die Gelbmesser!« Wutschnaubend drehte er sich um und verschwand zwischen den Zelten. Die beiden Sleensoldaten folgten ihm; einer führte die Kaiila hinter sich her.

»Meinst du, er wird das tun?« fragte ich Canka.

»Nein«, antwortete Canka. »Mahpiyasapa ist zwar böse auf mich, doch er ist ein guter Häuptling. Er kennt die Sitten der Kaiila. Niemals würde er mir die Frau gegen meinen Willen nehmen.«

Canka hockte sich neben Winyela nieder, zog sie in eine kniende Stellung hoch und preßte sie an sich.

»Hab keine Angst«, sagte er beruhigend.

»Du hast mich verschenkt«, flüsterte sie.

»Doch nur vorübergehend«, erwiderte er, »und nur weil ich wußte, wie ein Kaiilakrieger denkt. Es bestand keine Gefahr, daß ich dich verlieren würde.«

»Du hast mich verschenkt«, sagte sie matt.

»Es ist alles vorbei. Ich werde es nicht wieder tun.«

»Magst du mich nicht?«

»O doch, sehr sogar.«

»Dann schicke mich niemals von dir fort.«

»Ich werde dich niemals gehen lassen«, sagte er. »Ich liebe dich.«

Erstaunt blickte sie zu ihm auf und drückte sich dann zitternd und schluchzend in seine Arme. »Ich liebe dich auch, mein Herr!«

Canka ließ sie eine Zeitlang weinen. Dann hob er sie hoch und trug sie vorsichtig in sein Zelt.

»Ich fand, daß Canka ziemlich geschickt mit Hci umgesprungen ist«, sagte Cuwignaka.

»Ich finde, Cuwignaka ist mit Hci recht geschickt umgesprungen«, sagte ich. »Und Canka weiß das – und Hci vermutlich auch, leider.«

»Hci ist ein schlauer Bursche«, meinte Cuwignaka. »Es war an der Zeit, daß er mal seine eigene Arznei zu schmecken bekam.«

»Wer solche Medizin austeilt, bekommt sie selten gern selbst verschrieben.«

»Ich glaube, nun habe ich einen befriedigenden Ausgleich gefunden für Hcis Trick in der Senke und den Verlust des Fleisches«, sagte Cuwignaka leise lachend.

»Meinst du, es wird deswegen noch Ärger geben?«

»Nein«, sagte Cuwignaka. »Hci ist wütend, aber er kann nichts tun. Nach den Gebräuchen unseres Stammes ist er hilflos.«

»Aber was ist, wenn er sich über die Sitten und Gebräuche hinwegsetzt?« fragte ich.

»Das wird er nicht tun. In letzter Konsequenz ist Hci ein hundertprozentiger Kaiila. Er ist ehrenvoll.«

»Er drohte Canka, Mahpiyasapa würde ihm Winyela morgen wegnehmen«, sagte ich. »Er kann auf keinen Fall bestimmt wissen, daß das geschehen wird – eher ist diese Aussage sogar falsch. Auf ähnliche Weise scheint er mir in der Angelegenheit mit dem Fleisch gelogen zu haben.«