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»Ich bin hier!« rief Cuwignaka.

»Ich werde Grunt finden!« rief ich durch die Staubnebel. Links von mir liefen zwei Frauen ziellos durch das Gewirr.

Ich schmetterte eine Lanze zur Seite und ließ meine Kaiila zu der Stelle traben, wo Grunt sich um die Verwundeten gekümmert hatte.

Es war ein schrecklicher Anblick. Der Boden war übersät mit Verwundeten und Toten. Ich begann mich zu fragen, ob es Überlebende geben würde. Zahlreiche Zelte waren umgerissen und verbrannt worden.

»Aii!« schrillte ein Schrei. Ich hob den Schild, aber der Gelbmesser, der angstvoll die Augen aufgerissen hatte, galoppierte an mir vorüber, ohne mich zu beachten; seine Zöpfe flatterten hinter ihm durch die Luft.

»Etwas muß da drüben sein!« sagte Cuwignaka, der sich eine halbe Kaiilalänge hinter mir befand, und deutete nach vorn.

Wir trieben unsere Tiere eine kleine Anhöhe hinauf und wieder ein Stück hinab. Auch hier lagen Verwundete.

»Grunt lebt!« sagte ich.

Grunt, umgeben von Verwundeten und Toten, stand auf einer kleinen Erhebung.

»Fort!« brüllte Grunt und schwenkte abwehrend die Arme. Seine Gesten galten zwei berittenen Gelbmessern, die ihn anstarrten. »Fort!«

Das Gemetzel schienen nur Grunt und Wasnapohdi überlebt zu haben; die Sklavin kniete mit gesenktem Kopf halb hinter ihm, mit beiden Händen eine Kaiilaleine haltend.

Die beiden Gelbmesser machten plötzlich kehrt und ergriffen die Flucht.

Ich mußte ein Gefühl der Übelkeit bekämpfen.

Meine Gedanken wanderten in die Vergangenheit: Vor langer Zeit, noch ehe ich die Stadt Kailiauk in der Nähe der Ihanke, der Grenzzone, erreicht hatte, war ich mit einem jungen Mann, einem Tharlarion-Gespannführer, ins Gespräch gekommen. Ich hatte ihn gefragt, wieso Grunt als einziger Weißer so tief in das Ödland vordringen dürfte. »Vielleicht meinen die Wilden, sie hätten von ihm nichts mehr zu gewinnen«, hatte der junge Mann lachend erwidert und hatte auf meine verständnislose Frage geantwortet: »Das wirst du noch verstehen.« Doch erst in diesem Moment ging mir auf, was er gemeint hatte.

»Du siehst, warum er noch lebt«, sagte Cuwignaka. »Entscheidend ist dabei der Glaube dieser Menschen an die Medizinwelt.«

»Anzunehmen«, sagte ich.

Langsam ritt ich den Rest des Hangs hinab, auf die kleine Erhebung zu, auf der Grunt und Wasnapohdi standen. Bei seiner Einreise in das Ödland hatte Grunt neben vielen anderen Tauschwaren eine Kette Sklavinnen mitgeführt. Obwohl es sich um hübsche Mädchen handelte, hatte er meines Wissens niemals näheren Kontakt zu ihnen gesucht. Dagegen hatte er mich mehr als einmal aufgefordert, meine Erleichterung bei ihnen zu suchen, und dafür kaum mehr erwartet, als daß ich sie als Sklavinnen behandelte und in gewisser Weise auf ihre künftigen Aufgaben vorbereitete. Zu diesen Mädchen hatte die ehemalige Miß Millicent Aubrey-Welles, eine Debütantin aus Pennsylvanien gehört, die jetzige Winyela, Cankas Sklavin bei den Isbu-Kaiila. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, daß wir eines Tages im Eigentum desselben Mannes stehen könnten. In diesem Augenblick sah ich ein wenig klarer, warum Grunt sich dieser Dinge nicht selbst angenommen hatte.

»Sei gegrüßt«, sagte Grunt zu mir.

»Sei gegrüßt«, erwiderte ich.

»Jetzt siehst du mich, wie ich bin«, meinte Grunt. »Versuch nicht deinen Ekel zu verbergen.«

Ich zuckte die Achseln.

»Ihm ist es bereits widerfahren«, sagte Cuwignaka. »Es ist, als könne man nicht mehr getötet werden oder wäre, als Toter, ins Reich der Lebenden zurückgekehrt. Er ist wie ein Wesen aus der Medizinwelt.«

»Ja«, sagte ich.

»Gelegentlich erweist sich mein Zustand als nützlich«, sagte Grunt.

Es geschah zum erstenmal, daß ich Grunt ohne den vertrauten breitkrempigen Hut vor mir sah.

»Es war vor fünf Jahren«, sagte er. »Gelbmesser taten mir das an. Ich war bewußtlos geschlagen worden. Sie hielten mich für tot. Ich erwachte später und überlebte.«

»Ich habe von solchen Fällen gehört«, sagte ich.

»Scheußlich sieht es aus«, meinte er.

»Ein Teil der Haut ist nachgewachsen«, stellte ich fest. An anderen war nur Narbengewebe auszumachen, hier und dort lag auch der Knochen frei.

»Mir wurde noch mehr angetan«, sagte Grunt verbittert.

»Ein Glück für dich, daß du nicht verblutet bist«, sagte ich.

»Ach wirklich?« fragte Grunt zurück.

»Ja.«

»Vielleicht hast du recht.«

»Ist dein wahrer Zustand vielen bekannt?« wollte ich wissen.

»Du wußtest es nicht«, erwiderte Grunt. »Es ist aber nicht allgemein unbekannt.«

»Ich verstehe.«

»Wasnapohdi hatte keine Ahnung«, fuhr er fort. »Als sie es zum erstenmal sah, übergab sie sich ins Gras.«

»Sie ist nur Sklavin«, sagte ich.

»Wunderst du dich jetzt noch«, fragte er, »warum Grunt immer wieder in das Ödland strebt, warum er so wenig Zeit bei seinem eigenen Volk verbringt?«

»Es dauert nicht mehr lange, dann ist das Lager verloren«, sagte ich. »Ich würde vorschlagen, daß ihr alle um euer Leben reitet!«

»Ich ziehe das Ödland vor«, sagte Grunt zornig. »Im Ödland hat man stärkere Mägen!«

»Reiter!« rief Cuwignaka. »Und Kaiila!«

Wir fuhren herum.

»Kaiila-Krieger!« rief Cuwignaka.

Fünf Krieger von den Napoktan-Kaiila verhielten ihre Tiere in unserer Nähe; jeder von ihnen führte an Zügeln etliche Kaiila hinter sich.

»Die Frauen und Kinder«, sagte Cuwignaka und wies den Reitern den Weg, »findet ihr in dieser Richtung.«

»Wasnapohdi!« rief einer der Krieger in diesem Augenblick. »Bist du es?«

Wasnapohdi schien sich nicht anders helfen zu können als haltlos auf die Knie zu sinken. Sie blickte empor, und ihre Unterlippe zitterte, und ihre Augen waren voller Tränen. »Ja, Herr!« sagte sie.

»Beeilung!« rief der Anführer der Krieger, die in die Richtung davongaloppierten, die Cuwignaka ihnen gewiesen hatte.

Nicht entgangen war mir die Art und Weise, wie Wasnapohdi zu dem jungen Mann »Herr« gesagt hatte – nicht als allgemeine Anrede, sondern mit einer besonderen Betonung.

»Das war Waiyeyeca«, sagte ich zu ihr.

»Ja, Herr«, antwortete sie, und ihre Augen funkelten vor Tränen. Plötzlich verstand ich, warum sie sich im Lager vor ihm versteckt hatte. Sie hatte Angst vor ihren Gefühlen. Für mich gab es in diesem Moment keinen Zweifel – wohl ebensowenig wie für sie –, daß sie diesen Mann wirklich liebte. Ihre Augen, ihre Stimme verrieten, daß sie sich im Herzen noch immer als seine Sklavin sah.

Auch Grunt war diese Tatsache nicht verborgen geblieben.

Wasnapohdi richtete sich auf und schaute hinter den Reitern her. Sie streckte die Hand aus.

»Laß mich ihm folgen, Herr«, sagte sie zu Grunt. »Bitte!«

»Habe ich dir erlaubt aufzustehen, Sklavin?« fragte Grunt.

Erstaunt blickte sie ihn an. Grunt versetzte ihr eine Ohrfeige, und ihr Gesichtsausdruck bekam etwas Ungläubiges. »Du gehörst nicht ihm«, sagte Grunt barsch. »Sondern mir!«

»Ja, Herr«, sagte sie. Mit ganzem Herzen sehnte sie sich danach, Waiyeyeca zu folgen, doch sie mußte Grunt begleiten, der jetzt auf seine Kaiila gestiegen war. Ihr Wille bedeutete nichts. Sie war Sklavin.

»Ich war viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt«, sagte Grunt. »Manchmal lasse ich die Dinge zu dicht an mich herankommen. Ich danke euch beiden, meine Freunde, daß ihr mich zur Vernunft gebracht habt.«

»Reite«, sagte Cuwignaka. »Es ist beinahe dunkel. Hoffentlich können viele reitend oder zu Fuß aus dem Lager fliehen.«

»Du begleitest uns doch sicher«, sagte Grunt.

»Nein«, gab Cuwignaka zurück.

»Kämpfen ist Sache von Kriegern«, sagte Grunt.

»Wir sind Krieger«, erwiderte Cuwignaka.

»Ich wünsche dir alles Gute«, sagte Grunt.

»Wir dir auch«, sagte ich.

»Oglu waste!« sagte Cuwignaka.

»Oglu waste!« gab Grunt zurück. »Viel Glück!«