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Ich senkte meine Lanze und richtete sie auf das Herz des riesigen Kur. Es war Sardak, der Anführer des Hinrichtungskommandos von den Stahlwelten. Im nächsten Augenblick schoben sich Söldner zwischen uns, und ich kam nicht mehr an ihn heran. Eine Frau auf einer Kaiila, ein Kind vor sich, galoppierte vorüber.

»Cuwignaka!« rief ich.

»Hier!« kam die Antwort.

Ich sah ihn ein Stück entfernt neben seiner Kaiila stehen. Er hatte seine Lanze fortgeworfen und schob gerade ein zweites Kind hinter das erste auf den Rücken seines Reittiers. »Flieht, kleine Brüder!« rief er und versetzte der Kaiila einen Hieb. Wiehernd hüpfte sie davon.

»Komm!« rief ich ihm zu. »Komm, reite hinter mir!«

Er schüttelte den Kopf. »Es gibt nicht genügend Kaiila!« sagte er.

Ich stieg neben ihm ab. Zwei Kaiila, geritten von Gelbmessern, galoppierten vorüber. Überall herrschte das Chaos. Hier und dort wurde gekämpft. »Auf deine Kaiila, du Dummkopf!« rief Cuwignaka. »Reite fort! Flieh!«

»Schau!« sagte ich.

Hci saß auf seinem Reittier und wirkte starr und stumm. Es sah beinahe aus, als wäre er gelähmt, als könne er sich vor Angst nicht bewegen.

»Paß auf!« brüllte ich. Ich sah, wie ein Gelbmesser seine Kaiila herumwirbeln ließ und die Lanze senkte.

»Paß auf!« rief ich.

Hci wendete sein Tier und erblickte den Mann. Der Gelbmesser, der den Vorteil der Überraschung verloren sah, zog die Zügel seiner Kaiila an, woraufhin das Tier sich beinahe auf die Hinterhand stellte. Als das Tier sich wieder beruhigt hatte, starrte der Mann auf Hci. Hci erwiderte den Blick.

»Vorsicht!« rief ich.

Es war beinahe, als sehe Hci den Mann nicht, als schaue er durch ihn hindurch, als seien der greifbare Gegner und die körperlich vorhandene Speerspitze aus scharfer Bronze nur die Symbole von etwas, das er weitaus mehr fürchtete.

Hci zog seine Kaiila nicht herum. Er machte keine Anstalten, sich der Attacke zu erwehren.

Verwirrt und unentschlossen zögerte der Gelbmesser-Krieger. Die Inaktivität seines Gegners kam für ihn so überraschend und war so unnatürlich, so unheimlich, daß er beunruhigt reagierte. Hatte er hier noch einen Menschen vor sich oder etwas anderes, vielleicht einen Gast aus der Medizinwelt, etwas, durch das sein Angriff hindurchgehen würde, ohne etwas zu berühren, etwas, das sich hinter ihm zu Rauch auflösen mochte?

Im nächsten Augenblick stieß Hci einen qualvollen Schrei aus. Sein Schild begann sich zu heben. Einen Augenblick lang hatte es den Anschein, als versuche er mit dem Schild zu kämpfen, der sich aber, wie von einem eigenen Willen beseelt, langsam zu heben begann.

Der Gelbmesser richtete seine Lanze aus.

Hci saß starr auf dem Rücken seiner Kaiila, resigniert, ohne jeden Widerstand, reglos, die Arme zu den Monden Gors gestreckt.

»Paß auf!« brüllte ich.

Die Lanze des Gelbmessers traf ihn links unten am Torso, schleuderte ihn von der Kaiila, und schon galoppierte der Gelbmesser mit einem Siegesschrei weiter.

»Sein Schild wollte ihn nicht verteidigen«, sagte Cuwignaka entsetzt. »Sein Schild hat ihn verraten. Ich habe von solchen Dingen erzählen hören! Aber noch nie habe ich es selbst beobachtet – bis jetzt!«

Ein Söldner preschte auf einer Kaiila vorüber. Seine Lanze wirkte schwarz in der Dämmerung.

Ich packte eine herbeistürmende Frau am Handgelenk, ehe sie mir ihr Messer in den Leib stoßen konnte. Aufschreiend ließ sie die Waffe fallen, und ich zerrte sie auf meine Kaiila. Cuwignaka nahm das Kind, das zu der Frau gehörte, und schob den Jungen hinter ihr auf das Reittier.

»Du willst nicht fliehen?« fragte mich Cuwignaka.

»Ich verlasse dieses Feld nicht ohne dich«, sagte ich.

»Los!« brüllte Cuwignaka und versetzte der Kaiila einen energischen Schlag. »Los!« Das Tier trabte in die Dunkelheit, suchte sich einen Weg durch das Gewirr der Menschen.

Über uns, keine zwanzig Fuß entfernt, peitschten Tarnflügel durch die Luft. Staub wirbelte vom Boden hoch. Die Hufe einer passierenden Kaiila stießen mich um. Ich rappelte mich wieder auf und wischte mir den Staub aus den Augen.

»Ich bin hier«, sagte Cuwignaka und packte mich am Arm. »Komm mit.«

»Kinyanpi!« sagte ich. »Sie werden die Außenbereiche des Lagers überwachen und die Felder nach Flüchtlingen absuchen.«

»Deshalb müssen wir im Lager bleiben«, sagte Cuwignaka. So arbeiteten wir uns durch die Schatten vorwärts, fort vom Ort des Todes, manchmal rennend, manchmal geduckt kriechend. Kurze Zeit später hatten wir uns in einem der übriggebliebenen Zelte versteckt. Das Getrappel von Kaiilahufen, das schnell leiser wurde, ließ uns aufhorchen.

»Sie reiten aus dem Lager, um Flüchtlinge zu verfolgen!« sagte ich.

»Hartnäckig sind sie!« sagte Cuwignaka.

»Das ist die Disziplin der Söldner und der Ungeheuer«, antwortete ich.

»Anzunehmen.«

»Wohin willst du?«

»Vielleicht ist er nicht tot«, sagte Cuwignaka.

»Hci?« wollte ich wissen.

»Natürlich!«

»Du schleichst dich zurück?«

»Ja.«

»Ich begleite dich.«

»Das ist nicht nötig!«

»Ich begleite dich!«

»Es ist gefährlich.«

»Für einen wird es gefährlicher sein als für zwei«, widersprach ich.

»Mitakola«, sagte Cuwignaka.

»Mitakola«, antwortete ich. In der Sprache der Kaiila bedeutet dieses Wort »mein Freund«.

Ich hielt es nicht für erforderlich, Cuwignaka mitzuteilen, daß ich mich selbst um Hci hatte kümmern wollen. Ehe wir das Zentrum des Lagers verließen, hatte ich gesehen, wie er sich bewegte.

Verstohlen verließen wir das Zelt. Wir mußten schnell handeln, ehe die Gelbmesser und die Söldner ins Lager zurückkehrten. Danach würde es mit der Disziplin zunächst vorbei sein. Danach würde man sich über die Toten hermachen, um Trophäen zu erbeuten.

28

»Ich habe gelogen«, sagte Hci.

Er lag im Dunkeln in Grunts Zelt. Es ging auf meinen Wunsch zurück, daß wir uns in diesem Zelt versteckt hatten. Hier lagerten Dinge, die mich interessierten. Außerdem gab es Vorräte an Trockenfleisch und Dörrmasse.

»Ich hatte Canka den Pfeil gestohlen«, fuhr er fort. »Ich war es, der den Angriff auf Mahpiyasapa vortäuschte. Ich beschuldigte Canka, ihn umbringen zu wollen.«

»Das ist uns bekannt«, sagte Cuwignaka. »Ich glaube, daß auch Mahpiyasapa Bescheid weiß, ebenso wie viele andere.«

»Ich leistete einen Schwur auf meinen Schild«, sagte Hci.

Cuwignaka antwortete nicht.

»Der Schild wußte Bescheid«, sagte Hci. »Er kämpfte gegen mich. Ehrbefleckt, wie ich war, wollte er mich nicht verteidigen.«

»Ruh dich aus«, sagte Cuwignaka.

Wir vernahmen lautes Singen und Grölen in der Ferne: Gelbmesser und Söldner feierten dort gemeinsam ihren Sieg.

»Du bist zurückgekommen, um mich zu holen«, sagte Hci.

»Ja«, erwiderte Cuwignaka.

»Warum?«

»Ich bin ein Kaiila.«

»Ich hatte nicht geglaubt, daß du ein Kaiila wärst.«

»Das war ein Irrglaube.«

»Ja«, sagte Hci. »Ich habe mich geirrt.« »Ist er tot?« fragte ich. »Nein«, entgegnete Cuwignaka, »er schläft nur.«

29

»Sie genießen ihre Feier«, sagte Cuwignaka.

Wir lagen hinter der kleinen Anhöhe und schauten auf die Lagerfeuer der Sieger hinab.

Ich mußte etwas feststellen. Auch Cuwignaka, der darauf bestanden hatte, mich zu begleiten, wollte etwas in Erfahrung bringen, etwas, für das er sich interessierte.

»Dort«, sagte ich, »im großen Kreis, an den Ehrenplätzen – siehst du die Ungeheuer?«

»Ja«, antwortete mein Freund.

»Das sind Kurii«, erklärte ich. »Sie begleiteten die Söldner Alfreds, des Hauptmanns aus Port Olni. Sie hausten in den kleinen Wagen am Ende der Kolonne.«

»Als ich noch bei der Kolonne war, als Sklave«, sagte Cuwignaka, »habe ich sie nie zu Gesicht bekommen.«

»Ihre Anwesenheit wurde sogar vor den Söldnern geheimgehalten«, sagte ich.