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Ich mußte nur den richtigen Augenblick abwarten, um den Tarn zur Eile anzutreiben. Die Kinyanpi mußten annehmen, daß ich die Position halten wollte.

Der Anführer war nur noch etwa hundert Meter entfernt. Ich sah die Lanze herunterkommen, ich sah, wie die am Schaft befestigten Herlit-Federn flatterten. Bei diesem Bild mußte ich an einen Sleen denken, der beim Angriff die Ohren anlegt.

Noch wenige Meter, dann mußte ich die Tarnzügel bewegen, die Fersen einsetzen und mein Tier mit einem Schrei in Bewegung setzen.

Ich gab dem Tier die Sporen, zog dann aber die Zügel wieder an. Der Tarn, beim Anfliegen gehindert, bäumte sich kreischend auf. Ich wurde zurückgeworfen, vermochte mich aber festzuhalten.

Wenige Meter entfernt hatte der erste Angreifer seinen Tarn energisch aus der Bahn gezogen. Ich sah, wie das Tier emporstürmte, nach rechts abbog und zurückflog. Dabei schaute mich der Mann nicht einmal an. Sein Blick schien auf etwas gerichtet zu sein, das sich hinter mir befand. Sein Gesicht schien vor Entsetzen verzerrt zu sein. Er schwang den Tarn herum und begann zu fliehen. Beinahe gleichzeitig reagierten seine Begleiter, gaben die Formation auf, strebten auf allen Seiten von mir wie ein Stern auseinander und wendeten ihre Tarns, als wäre ich nicht mehr interessant für sie.

Ich drehte mich um. Ich sah nichts. Hinter mir erstreckten sich die Wolken, der Himmel.

Wie von einer plötzlichen Kälte ergriffen, erschauderte ich und drehte meinen Tarn.

Für den Fall, daß ich weiter verfolgt wurde, schlug ich einen Kurs ein, der mich von Zwei Federn fortführte. Später wollte ich auf Umwegen zu meinen Kameraden zurückkehren.

Der Himmel schien leer zu sein. Die morgendliche Luft war frisch und kühl.

»Und so geschah es«, erzählte ich Cuwignaka und Hci. »Im letzten Moment drehten sie plötzlich ab und flohen.«

»Sie haben hinter dir etwas gesehen«, sagte Hci.

»Was denn?« wollte Cuwignaka wissen.

»Keine Ahnung«, sagte ich.

»Da kommt nur eins in Frage«, sagte Hci.

»Was denn?«

»Wakanglisapa.«

»Ich habe nichts gesehen«, sagte ich.

»Die Wesen aus der Medizinwelt zeigen sich den Menschen, wie es ihnen gefällt – oder eben nicht.«

»Wakanglisapa existiert nicht«, behauptete ich.

»Es ist aber interessant, daß du die Feder hattest und nicht angegriffen wurdest«, sagte Hci. »Vielleicht wurdest du durch die Medizin der Feder beschützt.«

»Ich bin sicher, es gibt da eine ganz logische Erklärung«, beharrte ich auf meinem Standpunkt.

»Was tun wir jetzt?« fragte Cuwignaka.

»Wir setzen unsere Pläne in die Tat um«, antwortete ich. »Wir schicken Tarnreiter zu den Stämmen der Staubfüße, Flieger und Sleen.«

»Die Flieger machen bestimmt nicht mit«, meinte Hci. »Sie sind Erzfeinde der Kaiila.«

»Und von den Sleen können wir auch nicht viel erwarten«, meinte Cuwignaka.

»Die Reiter werden losgeschickt«, sagte ich.

»Schön«, sagte Cuwignaka.

»In den nächsten Wochen müssen wir Tarnflieger ausbilden«, sagte ich.

»Die werden einen Blotanhunka brauchen«, meinte Cuwignaka.

»Canka«, sagte Hci sofort.

»Wenn man deinen Tarn mitrechnet, Hci«, sagte ich, »nicht aber meinen Tarn oder Cuwignakas Tier, dann haben wir sechzehn Tarns. Wir bilden daraus zwei Gruppen, jede mit einem Anführer und sieben Kämpfern. Der Blotanhunka einer Gruppe wird Canka sein. Der Blotanhunka der anderen Hci.«

»Hci?« fragte Hci.

»Ja.«

»Vielleicht solltest du besser Cuwignaka bestimmen«, sagte Hci.

»Du bist ein viel größerer Krieger als ich, Hci«, sagte Cuwignaka.

»Du würdest mir den Posten eines Blotanhunka anvertrauen?« fragte Hci.

»Ja«, erwiderte ich. »Und damit wären sicher alle Männer einverstanden.«

»In dir fließt das Blut Mahpiyasapas«, sagte Cuwignaka. »Du bist ein großer Krieger. Du bist der geborene Anführer.«

»Ich werde mein Bestes tun«, sagte Hci.

»Wieviel Zeit haben wir?« wollte Cuwignaka wissen.

»Der Kaiila-Stamm hat wenig Fleisch«, sagte ich. »Der Winter kommt.«

»Die Reiter müssen ihre Flüge absolvieren«, sagte Cuwignaka. »Die Männer müssen ausgebildet werden.«

»Mir geht es darum, spätestens Ende Canwapegiwi fertig zu sein«, sagte ich, »am Ende des Mondes, in dem die Blätter braun werden.«

»Das ist ja sehr bald«, sagte Cuwignaka.

»Es muß gejagt werden«, sagte ich. »Man muß sich auf den Winter vorbereiten.«

»Da bleibt wirklich nicht viel Zeit«, sagte Cuwignaka.

»Ich hoffe nur, daß es nicht zu spät ist«, sagte ich.

38

»Du mußt dich mehr anstrengen, die Gelbmessersprache zu lernen«, sagte Iwoso im Kaiiladialekt zu Bloketu.

»Es fällt mir schwer«, sagte Bloketu. Die beiden Mädchen knieten am Boden; Bloketu kämmte ihrer Herrin das Haar. Beide hielten sich in einem Zelt auf. Wir vermochten sie durch die winzige Öffnung zu beobachten, die wir mit der Messerspitze in die Außenhaut des Zeltes gebohrt hatten.

»Ich habe die Kaiilasprache sehr schnell gelernt«, sagte Iwoso.

»Du wurdest auch schon als Kind gefangen«, antwortete Bloketu. »Du brauchtest zwei Jahre, ehe du ordentlich sprechen konntest.«

»Willst du unverschämt werden, Zofe?« fragte Iwoso.

»Nein, Herrin«, sagte Bloketu hastig.

Um Bloketus rötlichbraunen Hals lag ein perlenbesetztes gelbes Band. Zweifellos gehörte es Iwoso. Sie trug außerdem ein schlichtes Gewand, das einen starken Gegensatz bildete zu dem auserlesenen, weichen, beinahe weißen Tabukleder-Kleid ihrer Herrin.

»Ein schönes Gefühl, dich zu besitzen«, sagte Iwoso.

»Ja, Herrin.«

»Auch wenn du völlig wertlos bist.«

»Ich war die Tochter eines Häuptlings!«

»Selbst Töchter von Kaiilahäuptlingen taugen zu nichts anderem, als Sklaven und Zofen von Gelbmessern zu sein«, sagte Iwoso.

»Ja, Herrin«, bestätigte Bloketu schluchzend.

»Du gehörst mir, ich tue mit dir, was mir gefällt.«

»Ja, Herrin.«

»Dein Vater war ein Verräter«, fuhr Iwoso fort, »und du hast dich ebenfalls verräterisch verhalten. Manchmal sage ich mir, daß es das beste wäre, dich den Überlebenden deines Volkes auszuliefern, damit sie über dich urteilen. Sicher wissen sie, wie sie mit Verrätern umgehen müssen.«

»Bitte nicht!« flehte Bloketu.

»Möchtest du lieber meine Zofe bleiben?« fragte Iwoso amüsiert.

»Ja, Herrin!«

Mit einem langen, schnellen Messerschnitt öffnete ich die Lederwand des Zeltes. Ehe die Mädchen reagieren konnten, waren Cuwignaka und Hci in das Innere gestürmt, packten die Mädchen und drückten sie zu Boden. Dabei hielten sie ihnen den Mund zu.

Ich folgte meinen Freunden in das Zelt und reichte beiden zusammengerollte Kugeln aus Fell und Leder, mit denen die Mädchen geknebelt wurden, ehe wir sie gründlich fesselten.

Dann zog ich zwei lange, speziell vorbereitete Ledersäcke in das Zelt. Iwoso schüttelte heftig den Kopf.

Mit den Füßen voran wurden die Mädchen in die langen, engen, festen Säcke gesteckt, in denen sie sich nur wenig bewegen konnten. Der Sack verfügte über starke Laschen und zwei Griffe, die sich über dem Kopf der Gefangenen zusammenbinden ließen.

Iwoso stieß dumpfe Laute aus, die ihren Zorn verrieten.

»Willst du uns etwa sagen, daß wir damit auf keinen Fall durchkommen?« fragte Hci.

Iwoso nickte lebhaft, und Hci lächelte.

»Du machst dich hübsch in deinem Sklavensack«, sagte er.

Bloketu stieß leise Wimmerlaute aus und versuchte damit Cuwignakas Aufmerksamkeit zu erregen.

Endlich schaute er sie an. »Sei still, Sklavin und Verräterin!« sagte er heftig.

Stöhnend neigte sie den Kopf zurück. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie hatte an die Zuneigung appellieren wollen, die er ihr einmal entgegengebracht hatte.

»Geht auf eure Posten!« sagte ich zu Cuwignaka und Hci. »Laßt mir die Kaiila draußen. Wir treffen uns an der vereinbarten Stelle.«