»Schau mich an, hübscher Krieger!« flehte sie. »Du weißt, du kannst mit mir tun, was du willst. Schau mich an!«
»Warum?«
»Weißt du das nicht?« fragte sie lächelnd und drängte ihren Körper in meine Richtung. »Ich bin eine Frau. Ich möchte berührt und geliebt werden.«
»Oh?« sagte ich. »Du redest wie eine Sklavin.«
»Ja, vielleicht begreife ich in diesem Moment etwas von dem, was es bedeutet, eine hilflose Frau zu sein, die ihren Herrn anfleht, ihr Freuden zu bereiten.«
»Verstehe ich das richtig, daß du mir am Pfahl dienen willst – als Sklavin?«
»Ja«, schnurrte sie, schloß die Augen und schürzte die Lippen.
»Gelbmesser!« ertönte plötzlich ein Schrei. »Gelbmesser!« wurde gebrüllt. Männer liefen durcheinander. Jeder kannte seine Position und Aufgaben genau. In den letzten Tagen hatten wir diese Abläufe oft geübt.
Wir schauten über die Prärie nach Westen. Kaum einen Pasang entfernt, ganz offen reitend, galoppierten Gelbmesser mit flatternden Federn auf den Ratsfelsen zu, eine riesige Staubwolke aufwirbelnd.
»Ihr seid überrascht!« rief Iwoso begeistert. »Jetzt werdet ihr alle sterben! Ihr seid verloren! Für euch gibt es keine Flucht mehr! Ihr sitzt auf dem Ratsfelsen in der Falle!«
»Es läuft wie geplant«, sagte Hci, der mit Cuwignaka herbeigeeilt war.
»Ja«, antwortete Cuwignaka.
»Ihr könnt nicht mehr fliehen!« rief Iwoso freudig. »Nun ist es aus mit euch, ihr Kaiila-Sleen!«
Unter uns vermochte ich nur Gelbmesser zu erkennen, war aber davon überzeugt, daß Alfred, der Söldnerhauptmann aus Port Olni, mit den Resten seiner Truppe, die ich auf etwa dreihundert Kavalleristen schätzte, nicht weit sein konnte. Zweifellos wollte er die Gelbmesser den ersten Angriff reiten lassen, um den stärksten Widerstand zu brechen; auf diese Weise schonte er seine eigenen Männer. Die Gelbmesser hatten sicher nichts gegen diesen Plan; ihnen ging es darum, die Kaiila auszulöschen.
»Bald werden sie unten am Weg stehen!« rief Iwoso. »Dann ist euch der Fluchtweg abgeschnitten!«
Mahpiyasapa, der Zivilhäuptling der Kaiila, eilte an uns vorüber. Ihm folgte der berühmte Kahintokapa, Anführer der Gelben Kaiila-Reiter von den Casmu.
»Wißt ihr nicht, wie man euch gefunden hat?« rief Iwoso und weinte beinahe vor Freude. »Das ist mein Werk! Ich habe es ihnen gesagt! In meinem Zelt hörte ich, wie dieser törichte Sklave Ort und Zeit der Ratsversammlung nannte. Ich brachte ihn dazu, meinen Knebel zu lockern, und ehe er mich aus dem Lager schaffen konnte, befreite ich mich davon und informierte mein Volk von eurem Vorhaben!«
»Es geschah mit Absicht, daß Tatankasa in deinem Zelt von der Versammlung sprach«, sagte Hci.
»Außerdem«, fiel Cuwignaka ein, »entsprach es unserem Plan, dir den Knebel zu lockern.«
»Damit du deinem Volk zubrüllen konntest, was du von unseren Plänen wußtest!« rief Hci.
»Noch eben habe ich euch erneut hereingelegt«, sagte sie, »indem ich diesen Sklaven davon abhielt, den Staub der anrückenden Krieger zu erkennen!«
»Der Staub«, sagte ich, »war schon sichtbar, als er dir noch gar nicht aufgefallen war, lange bevor dir dein raffiniertes Ablenkungsmanöver einfiel.«
»Und du ließest mich trotzdem gewähren?«
»Es war hübsch zu sehen, wie du sexuelle Bedürfnisse vortäuschtest«, sagte ich.
»Die Gelbmesser stürmen zielstrebig heran«, sagte Cuwignaka. »Zweifellos hatten sie Angst, es könnte jemand entkommen.«
»Sie sind schon am Fuße des Weges!« rief Iwoso schluchzend. »Ihr könnt nicht mehr entkommen! Ihr seid verloren!«
Und wirklich – die Gelbmesser ritten am Fuß des Weges, der zum Gipfel des Ratsfelsens emporführte, wild durcheinander. Dieser Weg ist zwischen fünf bis zehn Fuß breit. Einige Krieger trieben ihre Reittiere bereits den Pfad herauf, zweifellos in dem Bemühen, als erste Coups zu sammeln. Andere wendeten ihre Kaiila hierhin und dorthin und kämpften gestikulierend um eine Position auf der schmalen Schräge.
»Ich habe sie hergerufen!« jubilierte Iwoso.
Ich hielt es nicht für klug von den Gelbmessern, ihre Kaiila in solchen Zahlen auf einen so engen Weg zu schicken. Gewiß, sie waren kampflustig, und manchmal ist es schwer, einen roten Wilden von seiner Kaiila zu trennen. Trotzdem wäre in dieser Lage ein Angriff zu Fuß besser gewesen – aber die Gelbmesser würden noch eine Weile brauchen, um dieses taktische Gebot einzusehen. Den Hangweg hatten wir jedenfalls hier und dort sehr verengt, um unseren Gegnern den Aufstieg zu erschweren.
»Es ist aus mit euch, Kaiila-Sleen!« rief Iwoso. »Ihr werdet alle umkommen – mit Frauen und Kindern!«
»In diesem Lager gibt es keine einzige Frau und kein einziges Kind«, sagte Hci.
»Wie? Und was ist mit all den Zelten?«
»Die sind meistens leer«, antwortete Hci. »Unsere Frauen und Kinder befinden sich an einem anderen Ort in Sicherheit.«
»Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst.«
»Dies ist ein Kriegerlager.«
»Aber die Ratsversammlung?«
»Die hat es nie gegeben«, sagte Hci.
»Aber was macht ihr dann hier?« fragte Iwoso.
»Wir warten auf die Gelbmesser.«
»Wir beobachten sie schon seit vier Tagen«, warf Cuwignaka ein.
»Du hast deine Rolle gut gespielt, deinen Anteil an unseren Plänen«, rief Hci.
»Ich verstehe das nicht!«
»Wir haben dich gelenkt, getäuscht, hereingelegt«, sagte Cuwignaka.
»Ohne es zu ahnen, bist du so gehorsam wie eine Sklavin gewesen«, sagte Hci.
»Nein!« rief Iwoso und wand sich in den Fesseln.
»Hast du die Gelbmesser nicht hergeholt?« fragte Hci.
»Ja!«
»Du hast sie in eine Falle gelockt!«
»Nein!«
Zweihundert Meter unter uns ertönte der Schrei einer Kaiila. Zwei Tiere glitten strampelnd über den Wegrand in den Abgrund; übereinander wirbelnd stürzten sie in die Tiefe.
»Ich glaube euch nicht!« rief Iwoso. »Es kann nicht sein!«
»Warum hätten wir dich wohl hier so gut sichtbar angebunden? Damit du selbst sehen kannst, was du angerichtet hast!«
»Nein!« rief Iwoso.
»Außerdem hoffen wir, daß die Gelbmesser, wenn sie dich als hohe Frau ihres Stammes hier angebunden sehen, in wilden Zorn geraten.«
Eine weitere Kaiila wieherte und stürzte tief unter uns ab.
Vier oder fünf Gelbmesser galoppierten nun nebeneinander her auf dem Weg, der etwa hundert Fuß rechts von uns endete.
Doch ehe diese Vorhut den eigentlichen Gipfel erreichte, wurde ein Gebilde aus Balken und angespitzten Hölzern in seine Position geschoben. Die zwischen den Balken verankerten Spitzen waren wie riesige Holzsterne zusammengebunden. Wiehernde Kaiila, die nicht mehr rechtzeitig anhalten konnten, spießten sich hilflos auf. Auf den Spitzen festsitzend, von hinten weiter bedrängt, füllten sie die Luft mit Schreckenslauten, bäumten sich auf, warfen ihre Reiter ab und bissen auf Artgenossen ein. Weitere Kaiila stürmten von hinten heran, prallten auf die festsitzende, blutige Masse. Reiter rutschten kreischend zwischen Tieren zu Boden. Weitere Kaiila drängten nach. Dutzende von Tieren und Reitern wurden vom Weg geschoben und stürzten den steilen Hang des Ratsfelsens hinab.
Ich sah einen der Kriegshäuptlinge der Gelbmesser, den ich aus dem Sommerlager kannte, mitsamt seiner Kaiila in die Tiefe stürzen. Immer neue Gelbmesser, die keine Ahnung hatten, was über ihnen passierte, versuchten auf dem schmalen Pfad nach oben durchzubrechen. Kämpfer versuchten vom gefährlichen Abgrund fortzukommen und stachen dabei sogar auf Stammesgenossen ein.
Das Geschrei von Menschen und Tieren zerriß die Luft. Lanzen zerbrachen an der Felswand und der Barrikade. Männer, die zwischen den in Panik geratenen Tieren hindurchkriechen wollten, wurden zertrampelt. Andere Reiter sahen ein, daß ein Vorankommen unmöglich war, und versuchten zu wenden; mit diesem Manöver drückten sie weitere Aufrückende in die Tiefe. Befehle wurden gebrüllt, und ich sah, wie Kriegsstäbe sich bewegten. Ihre Zeichen waren aber auf dem gewundenen Weg kaum auszumachen. Der ganze Pfad schien nun voller Gelbmesser zu sein: eine ideale Falle, auf einer Seite eine unerklimmbare Felswand, auf der anderen ein tödlicher Abgrund.