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»Vielleicht wird das nie der Fall sein«, sagte Caramon verdrießlich. »Jemals daran gedacht, meine Liebe?«

»Ja«, antwortete Tika ruhig. »Ich habe daran gedacht. Auf Wiedersehen, Caramon.« Sie wandte sich von ihrem Ehemann ab, ging durch die Haustür und verschloß sie.

Caramon zuckte zusammen. Er ballte seine riesigen Fäuste, und eine Minute befürchtete Tolpan, er werde die Tür einschlagen. Dann wurden Caramons Hände schlaff. Zornig und im Versuch, seine angeschlagene Würde zu retten, stapfte er von der Veranda. »Ich werde es ihr zeigen«, murmelte er im Gehen, während seine Rüstung klirrte. »Ich komme in drei oder vier Tagen zurück, mit dieser Crysania. Dann werden wir uns unterhalten. Das kann sie nicht mit mir machen! Nein, bei allen Göttern! In drei, vier Tagen wird sie mich anflehen zurückzukommen. Aber vielleicht will ich dann nicht...«

Tolpan stand unentschlossen da. Hinter ihm im Haus konnten seine scharfen Kenderohren ein herzzerreißendes Schluchzen hören. Aber was konnte er tun? »Ich passe auf ihn auf, Tika!« schrie Tolpan, dann ergriff er Bupu, und beide eilten dem großen Mann nach. Tolpan seufzte. Von allen Abenteuern, die er unternommen hatte, begann dieses von Anfang an falsch.

5

Palanthas, die wegen ihrer Schönheit berühmte Stadt.

Eine Stadt, die sich von der Welt abgewendet hat und sich mit bewundernden Augen in ihrem Spiegel ansieht.

Wer hatte sie so beschrieben? Kitiara, die auf dem Rücken ihres blauen Drachen Skie saß, stellte sich müßig diese Frage, während sie in Sichtweite der Stadtmauern flog. Vielleicht der verstorbene, unbetrauerte Drachenfürst Ariakas. Diese Anmaßung wäre typisch für ihn gewesen. Aber über die Palanthianer hatte er recht behalten, mußte Kit zugeben. Ihre Angst war so groß gewesen, ihre geliebte Stadt in Schutt und Asche liegen zu sehen, daß sie mit den Drachenfürsten einen gesonderten Friedensvertrag ausgehandelt hatten. Erst kurz vor Kriegsende – als offensichtlich war, daß sie nichts zu verlieren hatten – hatten sie sich widerstrebend den anderen angeschlossen, um die Macht der Dunklen Königin zu bekämpfen.

Aufgrund des heldenhaften Opfers der Ritter von Solamnia war die Stadt Palanthas vor der Zerstörung bewahrt geblieben und nicht wie andere Städte – etwa Solace und Tarsis – verwüstet worden. Kitiara, die nun in Reichweite der Bogenschützen auf den Mauern flog, schnaufte verächtlich. Und jetzt hatte Palanthas wieder ihre Augen auf ihren Spiegel gerichtet, verwendete ihr erneutes Aufblühen zur Steigerung ihrer bereits legendären Schönheit.

Darüber nachdenkend, lachte Kitiara laut auf, als sie den Aufruhr auf der Alten Stadtmauer sah. Es war jetzt zwei Jahre her, daß ein blauer Drache über die Mauern geflogen war. Sie konnte sich das Chaos und die Panik lebhaft vorstellen. In der stillen Nachtluft hörte sie das Schlagen der Trommeln und die Rufe der Trompeten.

Auch Skie konnte es hören. Sein Blut wallte auf bei den Schlachtgeräuschen, und er wandte sein glühendes rotes Auge zu Kitiara, bettelte sie an, es sich anders zu überlegen.

»Nein, mein Liebling«, rief Kitiara und streichelte besänftigend seinen Rücken. »Jetzt ist nicht die Zeit! Aber bald – wenn wir uns als erfolgreich erweisen! Bald, das verspreche ich dir!«

Skie mußte sich notgedrungen damit begnügen. Er verschaffte sich jedoch eine gewisse Befriedigung, indem er einen Blitz aus seinen aufklaffenden Kiefern atmete und die Steinmauer schwärzte, an der er vorüberflog. Die Soldaten verteilten sich wie Ameisen bei seinem Kommen, die Drachenangst strömte wellenartig über sie.

Kitiara flog langsam. Niemand wagte sie zu behelligen – eine Art Friedenszustand herrschte zwischen ihren Truppen in Sanction und den Palanthianern, obgleich es unter den Rittern einige gab, die die freien Völker von Ansalon zu überreden versuchten, sich zu verbünden und Sanction anzugreifen, wohin sich Kitiara nach dem Krieg zurückgezogen hatte. Aber die Palanthianer waren nicht zu beunruhigen. Der Krieg war beendet, die Gefahr vorbei.

»Und täglich wird meine Macht größer«, sagte Kitiara zu ihnen, während sie über die Stadt flog, dabei alles aufnahm und für künftige Gelegenheiten in ihrem Gedächtnis speicherte.

Palanthas ist wie ein Rad aufgebaut. Alle wichtigen Gebäude – der Palast des herrschenden Fürsten, die Regierungsgebäude und die uralten Häuser der Adligen – befinden sich im Stadtkern. Die Stadt dreht sich um diese Radnabe. Im nächsten Kreis stehen die Häuser der wohlhabenden Mitglieder der Gilden – die »Neureichen« – und die Sommerresidenzen jener, die außerhalb der Stadtmauern leben. Hier sind auch die Bildungszentren, einschließlich der Großen Bibliothek von Astinus. Nahe der Alten Stadtmauer schließlich sind der Marktplatz und alle möglichen Geschäfte.

Acht große Prachtstraßen führen wie Radspeichen aus der Altstadt hinaus. Bäume säumen diese Prachtstraßen, wunderschöne Bäume, deren Blätter das ganze Jahr über wie Goldborten leuchten. Die Prachtstraßen führen zum Hafen im Norden und zu den sieben Toren der Alten Stadtmauer.

Als Kitiara die Mauer umkreiste, sah sie die Neue Stadt, die wie die Alte Stadt kreisförmig angelegt war. Um die Neue Stadt zieht sich keine Stadtmauer, da Mauern »den gesamten Entwurf« ruinieren, wie einer der Fürsten es ausdrückte.

Kitiara lächelte. Sie sah nicht die Schönheit der Stadt. Die Bäume bedeuteten ihr nichts. Sie konnte die atemraubende Schönheit der sieben Tore betrachten, ohne daß ihr der Atem stockte – nun ja, vielleicht ein wenig. Wie leicht würde es sein, dachte sie aufseufzend, sie einzunehmen!

Zwei andere Bauwerke zogen ihr Interesse an. Das eine war ein neues, im Stadtkern gebautes – ein Tempel zu Ehren Paladins. Das andere Gebäude war ihr Ziel, und darauf ruhte nachdenklich ihr Blick.

Es trat in einem so lebhaften Gegensatz zur Schönheit der es umgebenden Stadt hervor, daß es sogar von Kitiaras kaltem, gefühllosem Blick bemerkt wurde. Sich aus den Schatten hervordrängend, von denen es wie ein gebleichter Fingerknochen umgeben wurde, war es ein Ding der Finsternis, um so entsetzlicher, als es einst das schönste Gebäude in Palanthas gewesen sein mußte – der uralte Turm der Erzmagier.

Er war Tag und Nacht von Schatten umgeben, denn ein Wald von riesigen Eichen bewachte ihn, die höchsten Bäume, die auf Krynn wuchsen, wie einige der Weitgereisten ehrfürchtig flüsterten. Niemand konnte das mit Gewißheit sagen, denn niemand, nicht einmal Angehörige der Kenderrasse, die so gut wie keine Angst kennen, konnte sich in der fürchterlichen Dunkelheit der Bäume bewegen.

»Der Eichenwald von Shoikan«, murmelte Kitiara zu einem unsichtbaren Begleiter. »Kein Lebewesen wagt in ihn einzutreten. Nicht bevor er kam, der Herr über Vergangenheit und Gegenwart.«

Der blaue Drache landete auf einer verlassenen Straße neben dem Eichenwald von Shoikan. Kitiara hatte Skie bis zu Drohungen bedrängt, sie über den Wald zum Turm zu fliegen. Aber Skie, der zwar seinen letzten Blutstropfen für seine Herrin vergießen würde, verweigerte sich ihrem Befehl. Es ging über seine Macht. Kein sterbliches Wesen, nicht einmal ein Drache, konnte diesen verfluchten Ring der wachenden Eichen betreten.

Skie stand da und funkelte haßerfüllt in den Wald, seine roten Augen brannten, während seine Klauen nervös die Pflastersteine aufrissen. Gern hätte er seine Herrin am Betreten des Waldes gehindert, kannte aber Kitiara nur zu gut. Wenn sie sich einmal zu etwas entschlossen hatte, konnte sie nichts aufhalten. So faltete Skie seine riesigen Flügel um seinen Körper und starrte auf diese reiche, wunderschöne Stadt, während Gedanken an Flammen und Rauch und Tod ihn mit Sehnsucht erfüllten.

Kitiara stieg langsam von ihrem Drachensattel ab. Der silberne Mond Solinari stand wie ein blasser, abgetrennter Kopf am Himmel. Sein Partner, der rote Mond Lunitari, war gerade aufgegangen und flackerte jetzt wie der Docht einer erlöschenden Kerze am Horizont. Das schwache Licht der beiden Monde schimmerte auf Kitiaras Drachenschuppenrüstung, verwandelte sie in eine schaurige blutgetönte Farbe.