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»Nun, natürlich müssen wir sie aufhalten!« begann Tolpan, dann blieb er plötzlich stehen. »Das war niemals deine Absicht«, sagte er und starrte Caramon an. »Die ganze Zeit war das niemals deine Absicht, ihr nachzugehen. Du bist hier nur ein paar Tage herumgetaumelt, ein bißchen trinken, ein bißchen lachen, wolltest dann zu Tika zurück, um ihr zu sagen, daß du ein erbärmlicher Versager bist, hast dir ausgemalt, daß sie dich wieder aufnimmt, so wie immer...«

»Was erwartest du denn von mir?« knurrte Caramon und wandte sich von Tolpans vorwurfsvollem Blick ab. »Wie kann ich dieser Frau helfen, den Turm der Erzmagier zu finden?« begann er zu wimmern. »Ich will ihn nicht finden! Ich habe geschworen, mich niemals wieder in der Nähe dieses abscheulichen Ortes aufzuhalten! Dort haben sie ihn zerstört, Tolpan. Als er wiederkam, hatte seine Haut diese seltsame goldene Farbe angenommen. Sie gaben ihm diese verfluchten Augen, mit denen er nur noch den Tod sehen kann. Sie zerstörten seinen Körper. Er konnte nicht atmen, ohne zu husten. Und sie ließen ihn... sie ließen ihn mich töten!« Caramon würgte und vergrub das Gesicht in den Händen, schluchzte schmerzerfüllt auf, zitterte vor Entsetzen.

»Er... er hat dich nicht getötet, Caramon«, sagte Tolpan, sich völlig hilflos fühlend. »Tanis hat mir das gesagt. Es war nur ein Bild von dir. Und er war krank und verängstigt. Er wußte nicht, was er tat...«

Aber Caramon schüttelte nur den Kopf.

Der zartfühlende Kender konnte ihm keine Schuld geben. Kein Wunder, daß er nicht dorthin will, dachte Tolpan zerknirscht. Vielleicht sollte ich ihn nach Hause bringen. In diesem Zustand kann ihn niemand gebrauchen. Aber dann erinnerte er sich an Crysania, die dort ganz allein war, im Düsterwald herumstolperte... »Ich habe dort einmal zu einem Geist gesprochen«, murmelte er, »aber ich bin mir nicht sicher, ob er sich an mich erinnert. Und dort draußen gibt es Goblins. Ich habe zwar keine Angst vor ihnen, aber ich glaube nicht, daß ich mehr als drei oder vier bekämpfen kann.«

Tolpan war in Verlegenheit. Wenn nur Tanis hier gewesen wäre! Der Halbelf wußte immer, was zu sagen oder zu tun war. Aber Tanis war nicht da, mahnte eine strenge Stimme im Inneren des Kenders, die sich manchmal verdächtig nach Flint anhörte. Es liegt an dir, du Türknopf!

Ich will aber nicht, daß es an mir liegt, jammerte Tolpan, dann wartete er einen Moment, ob die Stimme ihm antworten würde. Aber das tat sie nicht. Er war allein.

»Caramon«, sagte Tolpan und versuchte, so tief wie möglich und wie Tanis zu klingen, »hör mal, komm einfach nur bis zum Rand des Waldes von Wayreth mit. Dann kannst du nach Hause gehen. Wir werden höchstwahrscheinlich sicher sein, wenn...«

Aber Caramon hörte nicht zu. Voll Schnaps und Selbstmitleid brach er zusammen. Er lehnte sich gegen einen Baum und bat Tika, ihn wieder aufzunehmen.

Bupu erhob sich und stellte sich vor den großen Krieger. »Ich gehen«, sagte sie voll Abscheu. »Nicht brauchen fetten, sabbernden Trunkenbold, ich finden nach Hause.« Zur Bekräftigung nickte sie, dann ging sie den Pfad hinunter.

Tolpan rannte ihr nach und hielt sie fest. »Nein, Bupu! Das darfst du nicht! Wir sind doch schon fast da!«

Plötzlich verlor er die Geduld. Tanis war nicht hier. Niemand war hier, um zu helfen. Er ging zu Caramon und trat ihn vors Schienbein.

»Au!« Caramon starrte Tolpan mit einem verletzten und verwirrten Gesichtsausdruck an. »Was hast du vor?«

Als Antwort trat Tolpan ihn wieder hart. Stöhnend griff Caramon nach seinem Bein.

»Na, jetzt haben wir Spaß«, sagte Bupu. Sie rannte ausgelassen nach vorne und trat Caramon ans andere Bein. »Ich bleiben jetzt.«

Der große Mann brüllte auf und funkelte Tolpan wütend an. »Verdammt noch mal, Barfuß, wenn das eins deiner Spiele ist...«

»Es ist kein Spiel, du Ochs!« schrie der Kender. »Ich habe mich entschlossen, etwas Vernunft in dich zu treten, das ist alles! Ich habe dein Winseln satt! Die ganzen Jahre winselst du nur herum! Der ehrenwerte Caramon, der alles für seinen undankbaren Bruder opfert. Der liebende Caramon, der Raistlin immer an die erste Stelle setzt. Nun, vielleicht stimmt das, aber vielleicht stimmt das auch nicht. Ich beginne zu denken, daß du Caramon immer an die erste Stelle gesetzt hast. Und vielleicht wußte das Raistlin im Inneren, was ich mir gut vorstellen kann. Du hast das nur getan, weil es dir ein gutes Gefühl gegeben hat. Raistlin hat dich nicht gebraucht – du hast ihn gebraucht. Du hast sein Leben gelebt, weil du zu viel Angst hast, ein eigenes Leben zu führen.«

Caramons Augen glühten fiebrig, sein Gesicht erblaßte vor Zorn. Langsam erhob er sich mit geballten Fäusten. »Dieses Mal bist du zu weit gegangen, du kleiner Bastard...«

»Bin ich das?« Tolpan schrie nun, während er auf und ab hüpfte. »Hör mir zu, Caramon! Die ganze Zeit blubberst du herum, daß niemand dich braucht. Hast du je daran gedacht, daß Raistlin dich jetzt mehr denn je braucht? Und Crysania – sie braucht dich! Und du stehst hier herum, ein zitternder Waschlappen mit einem Gehirn, das völlig aufgeweicht und zu Brei geworden ist!«

Caramon machte einen unsicheren Schritt nach vorn, sein Gesicht war gefleckt und häßlich. Bupu kreischte auf und duckte sich hinter Tolpan. Der Kender blieb aufrecht stehen – genauso wie damals, als die wütenden Elfenfürsten ihn in zwei Stücke schneiden wollten, weil er die Kugel der Drachen zerbrochen hatte. Caramon ragte über ihm auf, der nach Schnaps stinkende Atem des großen Mannes ließ Tolpan übel werden. Wider Willen schloß er die Augen. Nicht aus Angst, sondern wegen der Qual und des Zorns in Caramons Gesicht.

Er stand versteift da und wartete auf den Schlag. Aber der Schlag kam nicht. Man hörte riesige Füße durch den dichten Busch stapfen.

Vorsichtig öffnete Tolpan die Augen. Caramon war verschwunden, krachte den Pfad in den Wald hinunter. Seufzend starrte ihm Tolpan nach.

Bupu kroch hinter seinem Rücken hervor. »Das ist Spaß«, verkündete sie. »Ich bleiben trotz allem. Vielleicht spielen wir wieder Spiel?«

»Ich glaube nicht, Bupu«, sagte Tolpan. »Komm. Wir sollten ihm lieber nachgehen.«

»Na gut«, sinnierte die Gossenzwergin. »Anderes Spiel wird kommen, genauso viel Spaß.«

»Ja«, stimmte Tolpan abwesend bei. Als er sich ängstlich umschaute, ob vielleicht jemand in dem erbärmlichen Wirtshaus etwas gehört hatte und Ärger anfangen wollte, riß er die Augen weit auf.

Die Taverne zum gesprungenen Krug war verschwunden: das verfallene Gebäude, das an einer Kette hängende Schild, die Zwerge, die Waldhüter, der Wirt, selbst das Glas, aus dem Caramon getrunken hatte. Alles hatte sich in der Nachmittagsluft aufgelöst wie ein böser Traum.

7

Am Abend war Caramon sturzbetrunken.

Tolpan und Bupu hatten den großen Mann eingeholt, als er mitten auf dem Pfad stand und den letzten Schluck Zwergenspiritus aus der Flasche trank. Er neigte den Kopf zurück, um jeden Tropfen zu bekommen. Schließlich senkte er die Flasche, um enttäuscht hineinzuschauen, und schüttelte sie.

»Alles weg«, hörte Tolpan ihn unglücklich murmeln. Das Herz des Kenders sank. »Jetzt ist es um mich geschehen«, sagte er jämmerlich zu sich. »Ich kann ihm nicht sagen, daß das Wirtshaus verschwunden ist. Nicht in seinem jetzigen Zustand! Dann wird alles nur noch schlimmer!« Aber wie schlimm es bereits war, erkannte er erst, als er zu Caramon trat und ihm auf die Schulter klopfte.

Der große Mann in seinem trunkenen Zustand drehte sich um. »Was ist das? Wer ist da?« Er spähte in den schnell dunkel werdenden Wald.

»Ich, hier unten«, sagte Tolpan mit leiser Stimme. »Ich... ich wollte nur sagen, daß es mir leid tut, Caramon, und...«

»Oh...« Caramon taumelte zurück und starrte ihn wütend an, dann grinste er tölpelhaft. »Hallo, kleiner Bursche. Ein Kender« – sein Blick wanderte zu Bupu – »und eine Gossenzwergin«, schloß er eilig. Er verbeugte sich. »Ich heiße Raistlin«, sagte er feierlich mit einer weiteren unsicheren Verbeugung. »Ein großer und mächtiger Zauberkundiger.«