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»Ich war ernsthaft«, protestierte Tolpan. »Alles, was Caramon braucht, sind einige Kannen guten, starken tarbäischen Tees...«

Crysanias dunkle Augenbrauen zogen sich so eng zusammen, daß Tolpan in Schweigen verfiel, obgleich er nicht die leiseste Ahnung hatte, warum sie so ungehalten war. Er packte seine eigenen Decken aus. Er konnte sich nicht erinnern, jemals in einer so bedrückten Stimmung gewesen zu sein. Er fühlte sich fast genauso wie damals, als er mit Flint während der Schlacht in den Ebenen der Ostwildnis auf dem Drachen geritten war. Der Drache hatte sich in die Wolken erhoben, dann hatte er einen Sturzflug gemacht. Kurze Zeit war der Himmel unten gewesen, der Boden oben, und dann verlor sich alles im Nebel.

Er fühlte sich genauso wie damals. Crysania bewunderte Raistlin und bemitleidete Caramon. Tolpan war sich nicht sicher, aber es schien alles verkehrt. Dann war da Caramon, der Caramon und dann nicht Caramon war. Wirtshäuser, die in einer Minute da waren und in der anderen verschwanden. Ein geheimes Zauberwort, das er hören sollte, damit er wußte, wann er es nicht hören durfte. Dann machte er einen auf dem gesunden Menschenverstand fußenden Vorschlag betreffend tabäischen Tee und wurde wegen Gotteslästerung gemaßregelt! »Immerhin«, murmelte er, während er an seinen Decken riß, »sind Paladin und ich enge persönliche Freunde. Er weiß schon, wie ich es meine.«

Seufzend legte der Kender seinen Kopf auf einen aufgerollten Umhang. Bupu, die inzwischen fast überzeugt war, daß Caramon Raistlin war, schlief fest, sie hatte sich zusammengerollt, ihr Kopf ruhte am Fuß des großen Mannes. Caramon saß still da, ein Lied summend. Gelegentlich hustete er, und einmal verlangte er mit lauter Stimme, daß Tolpan ihm sein Zauberbuch bringe, damit er seine Magie studieren könne.

Crysania breitete ihre Decken auf einem Bett aus Tannennadeln aus, die sie gesammelt hatte, um die Feuchtigkeit fernzuhalten. Tolpan gähnte. Sie kam sicherlich besser klar, als er erwartet hatte. Sie hatte einen guten, vernünftigen Platz zum Übernachten ausgewählt – neben dem Pfad; ein Bach mit klarem Wasser floß in der Nähe, so brauchte man nicht zu tief in diesen düsteren und gespenstischen Wald zu gehen...

Gespenstischer Wald... woran erinnerte ihn das? Tolpan schreckte auf, als er gerade in den Schlaf gleiten wollte. Etwas Wichtiges. Gespenstischer Wald. Gespenster... Gespräche mit Gespenstern... »Düsterwald!« rief er beunruhigt aus und setzte sich kerzengerade auf.

»Was?« fragte Crysania, die sich gerade hinlegen wollte.

»Düsterwald!« wiederholte Tolpan beunruhigt. Er war jetzt hellwach. »Wir sind in der Nähe von Düsterwald. Wir sind gekommen, um dich zu warnen! Es ist ein entsetzlicher Ort. Du hättest da blindlings hineinstolpern können. Vielleicht sind wir schon drin...«

»Düsterwald?« Caramons Augen leuchteten auf. Er starrte mit einem verschwommenen Blick um sich.

»Unsinn«, sagte Crysania, die unter ihrem Kopf ein kleines Reisekissen zurechtrückte. »Wir sind nicht in Düsterwald, noch nicht. Es ist ungefähr fünf Meilen entfernt. Morgen werden wir auf einen Pfad stoßen, der uns dorthin führt.«

»Du – du willst dorthin?« keuchte Tolpan.

»Natürlich«, gab Crysania kalt zurück. »Ich werde den Herrn der Wälder um Hilfe bitten. Es würde viele lange Monate dauern, von hier zum Wald von Wayreth zu reisen, selbst zu Pferd. In Düsterwald bei dem Herrn der Wälder leben silberne Drachen. Sie werden mich zu meinem Ziel fliegen.«

»Aber die Geister, der uralte tote König und seine Anhänger...«

»...wurden von ihrer entsetzlichen Knechtschaft erlöst, als sie dem Ruf, gegen die Drachenfürsten zu kämpfen, folgten«, sagte Crysania mit nun etwas scharfer Stimme. »Du solltest wirklich die Kriegsgeschichte studieren, Tolpan. Als die menschlichen und elfischen Streitkräfte Qualinesti zurückeroberten, kämpften die Geister von Düsterwald mit ihnen, und damit wurden sie von der dunklen Verzauberung erlöst, die sie zu diesem fürchterlichen Leben verdammt hatte. Sie verließen diese Welt und wurden nicht mehr gesehen.«

»Oh«, sagte Tolpan dümmlich. Nachdem er sich umgeschaut hatte, legte er sich wieder zurück. »Ich habe mit ihnen geredet«, erzählte er sehnsüchtig. »Sie waren sehr höflich – ein bißchen plötzlich mit ihrem Kommen und Gehen, aber sehr höflich. Es ist irgendwie traurig zu denken...«

»Ich bin ziemlich müde«, unterbrach Crysania. »Und ich habe morgen eine weite Reise vor mir. Ich werde die Gossenzwergin mitnehmen und meinen Weg nach Düsterwald fortsetzen. Du kannst deinen betrunkenen Freund nach Hause bringen, wo er hoffentlich die Hilfe findet, die er braucht. Schlaf jetzt.«

»Sollte nicht einer von uns... Wache halten?« fragte Tolpan. »Diese Waldhüter sagten...« Er hielt plötzlich inne. Die »Waldhüter« waren in einem Wirtshaus gewesen, das später nicht mehr da gewesen war.

»Unsinn. Paladin wird uns bewachen«, sagte Crysania scharf. Sie schloß die Augen und begann leise ein Gebet aufzusagen.

Tolpan schluckte. »Ich frage mich, ob wir den gleichen Paladin meinen«, sagte er und dachte dabei an Fizban; er fühlte sich sehr einsam. Aber er sagte das leise, weil er nicht schon wieder der Gotteslästerung beschuldigt werden wollte. Er legte sich hin und hüllte sich in seine Decken, konnte aber keine behagliche Stellung finden. Schließlich setzte er sich, immer noch hellwach, auf und lehnte sich gegen einen Baumstamm. Die Frühlingsnacht war kühl, aber nicht unangenehm kalt. Der Himmel war klar, und es wehte kein Lüftchen. Tolpan fuhr mit seiner Hand über den Boden und befingerte das neue Gras, das sich unter dem Laub nach oben schob.

Der Kender seufzte. Warum fühlte er sich so unwohl? War da ein Geräusch? Brach ein Zweig? Tolpan zuckte zusammen und sah sich um, hielt den Atem an, um besser hören zu können. Nichts. Schweigen. Als er zum Himmel blickte, sah er Paladin, den Platindrachen, der um Gilean, die Waagschale, kreiste. Paladin gegenüber stand die Königin der Finsternis, Takisis, der fünfköpfige Drache.

»Du bist so schrecklich weit weg da oben«, sagte Tolpan zu dem Platindrachen. »Und du mußt eine ganze Welt bewachen, nicht nur uns. Sicherlich stört es dich nicht, wenn auch ich über unsere Nachtruhe wache. Es ist nur so, daß ich das Gefühl habe, ein anderer dort oben beobachtet uns auch, wenn du verstehst, was ich meine.« Der Kender erbebte. »Ich weiß nicht, warum ich mich plötzlich so komisch fühle. Vielleicht liegt es daran, daß wir so nah an Düsterwald sind und – nun ja, offensichtlich trage ich für alle die Verantwortung!«

Für einen Kender war dies ein unangenehmer Gedanke. Tolpan war daran gewöhnt, für sich selbst verantwortlich zu sein, aber als er mit Tanis und den anderen gereist war, war immer jemand anders für die Gruppe verantwortlich gewesen. Es hatte starke, geübte Krieger gegeben...

Was war das? Dieses Mal hatte er wirklich etwas gehört! Tolpan sprang auf, stand ruhig da, starrte in die Dunkelheit. Es war still, dann ein Rascheln, dann...

Ein Eichhörnchen. Tolpan stieß einen Seufzer aus. »Wenn ich schon stehe, kann ich noch ein Holzscheit aufs Feuer legen«, sagte er sich. Er eilte hinüber, warf Caramon einen Blick zu und spürte einen stechenden Schmerz. Es wäre einfacher gewesen, in der Dunkelheit Wache zu stehen, wenn er gewußt hätte, daß er sich auf Caramons starken Arm verlassen konnte. Aber der Krieger war auf seinen Rücken gefallen, seine Augen waren geschlossen, sein Mund geöffnet, in trunkener Zufriedenheit schnarchend. Ihren Kopf an seinem Fuß, vermischte sich Bupus Schnarchen mit seinem. Ihnen gegenüber, so weit wie möglich entfernt, schlief Crysania friedlich; ihre glatte Wange ruhte auf ihren gefalteten Händen.

Mit einem Seufzer warf Tolpan Holzscheite auf das Feuer. Er machte es sich gemütlich und beobachtete, wie das Feuer aufflammte, dann starrte er aufmerksam auf die nachtumhüllten Bäume. Da war es schon wieder.

»Eichhörnchen!« flüsterte Tolpan.

Bewegte sich da nicht etwas im Schatten? Man hörte ein deutliches Knacken – wie ein Zweig, der entzweibricht. So etwas tat ein Eichhörnchen nicht! Tolpan wühlte in seinem Beutel, bis sich seine Hand um ein kleines Messer schloß.