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»Den Kender? Nein.« Der Magier lächelte wieder, dieses Mal ziemlich wehmütig. »Das kann noch eine Weile dauern, bis wir ihn finden – Kender sind sehr geschickt im Verstecken.«

»Du wirst ihn nicht verletzen?« fragte Caramon ängstlich, so ängstlich, daß Tolpan Mitleid mit dem großen Mann bekam und ihn am liebsten getröstet hätte.

»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Justarius besänftigend, immer noch in seinen Roben suchend. »Obgleich«, fügte er hinzu, »er sich unabsichtlich verletzen könnte. Hier liegen Gegenstände herum, mit denen man lieber nicht spielen sollte. Nun, bist du bereit?«

»Ich möchte wirklich nicht, bevor Tolpan zurück ist und ich weiß, daß alles in Ordnung ist«, erklärte Caramon dickköpfig.

»Dir bleibt aber keine Wahl«, sagte der Magier, und Tolpan hörte, daß die Stimme des Mannes kalt wurde. »Dein Bruder macht sich am Morgen auf die Reise. Du mußt dann ebenfalls zum Aufbruch bereit sein. Es wird Par-Salian Stunden kosten, diesen komplizierten Zauber auswendig zu lernen und anzuwenden. Er hat bereits angefangen. In der Tat habe ich schon zu viel Zeit damit verloren, den Kender zu suchen. Wir sind spät dran. Komm mit.«

»Warte... meine Sachen...«, sagte Caramon jämmerlich. »Mein Schwert...«

»Darum brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, antwortete Justarius. Offensichtlich hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte; er zog einen silbernen Beutel aus seinen Roben. »Du darfst nicht in die Zeit zurückgehen mit einer Waffe oder einem Gerät aus der Gegenwart. Ein Teil des Zaubers wird vorsehen, daß du der Zeit angemessen gekleidet bist, in der du reist.«

Caramon sah verwirrt drein. »Du meinst, ich muß meine Sachen wechseln? Ich werde kein Schwert haben? Was...«

Und ihr wollt diesen Mann allein zurückschicken! dachte Tolpan empört. Er wird es kaum fünf Minuten überleben. Nein, bei allen Göttern, ich werde... Doch plötzlich verschwand er kopfüber in dem silbernen Beutel!

Alles wurde tintenschwarz. Er purzelte auf den Boden des Beutels und landete auf seinem Kopf. Hektisch mühte er sich ab, sich aufzurichten, scharrte mit seinen Klauen wild an den glatten Seiten der Tasche. Endlich saß er richtig.

Er zwang sich zur Ruhe und versuchte nachzudenken, was er jetzt tun sollte. Draußen konnte er zwei Paar Füße laufen hören: Caramons schwere, gestiefelte Füße und die hinkenden des Magiers. Tolpan spürte eine leichte, schaukelnde Bewegung und nahm das Geräusch wahr, wenn Stoff an Stoff reibt. Plötzlich wußte er, daß der rotgekleidete Magier den Sack, in dem er sich befand, an seinen Gürtel gehängt hatte!

»Was soll ich tun, wenn ich in der Zeit zurück bin? Wie soll ich danach zurückkommen...«

Das war Caramons Stimme, durch die Stofftasche etwas gedämpft, aber immer noch deutlich zu hören.

»Das wird dir alles erklärt werden.« Die Stimme des Magiers klang geduldig. »Hast du Zweifel? Hast du es dir vielleicht anders überlegt? Wenn ja, dann solltest du es uns jetzt sagen...«

»Nein.« Caramons Stimme klang bestimmt, so bestimmt hatte sie schon lange nicht mehr geklungen. »Nein, ich habe keine Zweifel. Ich gehe. Ich nehme Crysania mit zurück. Es ist meine Schuld, daß sie verletzt ist, egal, was der alte Mann sagt. Ich werde mich darum kümmern, daß sie die Hilfe, die sie braucht, erhält, und ich werde mich für euch um diesen Fistandantilus kümmern.«

Der große Mann redete drauf los, was er alles mit Fistandantilus anstellen würde, wenn er auf ihn stieße. Aber Tolpan fröstelte, so wie vorher, als Par-Salian in der Halle Caramon mit diesem seltsamen, traurigen Blick angesehen hatte. Der Kender vergaß, wo er sich befand, und jammerte leise.

»Pst«, murmelte Justarius abwesend und tätschelte den Beutel. »Du kommst bald in deinen Käfig zurück und frißt Körner.«

»Was?« fragte Caramon.

Tolpan konnte den verblüfften Blick des großen Mannes fast sehen. Der Kender knirschte mit seinen kleinen Zähnen. Das Wort »Käfig« rief ein fürchterliches Bild in seinen Gedanken hervor, und ein wahrhaft beunruhigender Gedanke kam ihm: Was ist, wenn ich nicht mehr zu mir selbst zurück kann?

»Oh, nicht du, Caramon!« sagte der Magier hastig. »Ich habe mit meinem kleinen, pelzigen Freund gesprochen. Er wird unruhig. Wenn wir nicht so spät dran wären, würde ich ihn zurückbringen.« Tolpan erstarrte. »Nun, er hat es sich gemütlich gemacht. So, was hast du gesagt?«

Tolpan hörte nicht mehr zu. Er klammerte sich mit seinen Klauen an den Beutel, der hin und her schaukelte. Der Zauber konnte sicherlich aufgehoben werden, sobald er den Ring abnahm!

Aber den letzten magischen Ring, den er getragen hatte, hatte er nicht abstreifen können! Wie, wenn es mit diesem genauso war? Sollte er auf ewig zu einem Leben in einem weißen Pelz mit rosaroten Füßen verdammt sein? Er legte eine Pfote auf den Ring, der immer noch an einem Zeh steckte, und zog ihn fast ab, nur um sicherzugehen.

Aber der Gedanke, plötzlich aus dem silbernen Beutel hervorzuplatzen, ein ausgewachsener Kender, und vor den Füßen des Magiers zu landen, gefiel ihm nicht. Er zwang sich, seine Pfote zurückzuhalten. Nein. Zumindest wurde er auf diese Weise dorthin gebracht, wohin Caramon gebracht wurde.

Vorläufig zerbiß er die Naht des Beutels, und bald konnte er etwas Rotes erblicken – die roten Roben des Magiers! Er atmete frische Luft ein und war darüber so glücklich, daß er das Loch eifrig erweiterte. Dann hielt er inne. Wenn er das Loch größer machte, würde er herausfallen. Und dazu war er erst bereit, wenn sie ihr Ziel erreicht hatten. Offenbar war es nicht mehr weit. Tolpan bemerkte, daß sie seit einiger Zeit eine Reihe von Stufen hochgestiegen waren. Er konnte Caramon keuchen hören, und sogar der rotgekleidete Magier schien ein wenig außer Atem zu sein. Plötzlich blieben sie stehen.

»Sind wir da?« fragte Caramon mit fester Stimme.

»Ja«, kam die geflüsterte Antwort. Tolpan strengte sich an, etwas zu hören. »Ich werde dich diese letzten Stufen hinaufführen, dann, wenn wir an diese Tür dort oben gelangt sind, werde ich sie sehr leise öffnen und dich eintreten lassen. Sag kein Wort! Sag nichts, was Par-Salian in seiner Konzentration stören könnte. Dieser Zauber beansprucht tagelange Vorbereitungen...«

»Du meinst, er wußte schon vor Tagen, daß er das tun würde?« unterbrach ihn Caramon barsch.

»Pst!« befahl Justarius, und seine Stimme färbte sich mit Zorn. »Er mußte vorbereitet sein. Es war gut, daß er das tat, denn wir hatten keine Ahnung, daß dein Bruder beabsichtigte, so schnell vorzugehen!« Tolpan hörte den Mann tief Atem holen. Als er wieder sprach, war seine Stimme ruhiger. »Ich wiederhole, wenn wir diese letzten Stufen hochgegangen sind, sprich kein Wort! Verstanden?«

»Ja.«

»Tu genau das, was Par-Salian dir befiehlt. Stell keine Fragen! Gehorche einfach. Schaffst du das?«

»Ja.« Caramon klang jetzt gedämpft.

»Sehr gut.« Justarius zögerte, und Tolpan konnte spüren, wie sich sein Körper anspannte. »Ich werde mich hier von dir verabschieden, Caramon. Mögen die Götter bei dir sein. Was du tun wirst, ist gefährlich...« Dann seufzte der Magier: »Wenn dein Bruder es nur wert ist!«

»Das ist er«, sagte Caramon bestimmt. »Du wirst es sehen.«

»Ich bete zu Gilean, daß du recht hast... Nun, bist du bereit?«

»Ja.«

Sie stiegen langsam die Stufen hinauf. Der Kender spähte aus dem Boden im Beutel. Er würde nur Sekunden haben, das wußte er.

Die Stufen endeten. Er konnte einen breiten Treppenabsatz unter sich sehen. Das ist es! sagte er sich. Eine Tür quietschte. Er hörte Caramons langsame Schritte, die durch die Tür traten. Er hörte, wie sich die Tür zu schließen begann...

Tolpan sprang aus dem Beutel und fiel auf den Steinboden. Die Tür war fast geschlossen. Der Kender schlüpfte durch den Spalt und verschwand unter einem Bücherregal, das an der Wand stand.

Nach einigen Augenblicken hatte das Herz des Kenders seinen Schlag verlangsamt, so daß er hören konnte, auch wenn das Blut in seinen Ohren pochte. Unglücklicherweise sagten sie ihm wenig. Er konnte ein Murmeln hören. Aber das war auch alles. »Ich muß sehen!« sagte er sich. »Sonst weiß ich nicht, was vor sich geht.«