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Von Hustenanfällen gepeinigt, seine Brust umklammernd, keuchte Raistlin nach Luft. Er taumelte. Wenn er sich nicht auf seinen Stab gestützt hätte, wäre er auf den Boden gestürzt. Ihre Abneigung und ihren Ekel vergessend, streckte Crysania ihre Hände aus, legte sie auf seine Schultern und murmelte dabei ein Heilgebet. Die schwarzen Roben fühlten sich weich und warm an. Sie konnte Raistlins Muskeln spüren, die sich in Krämpfen verzogen, seinen Schmerz und sein Leiden spüren. Mitleid erfüllte ihr Herz.

Raistlin löste sich von ihrer Berührung, schob sie zur Seite. Sein Husten besserte sich allmählich. Als er wieder frei atmen konnte, musterte er sie mit Verachtung.

»Verschwende deine Gebete nicht für mich, Verehrte Tochter«, sagte er verbittert. Er zog ein weiches Tuch aus seinen Roben und tupfte seine Lippen ab, und Crysania sah, daß es mit Blut befleckt war. »Gegen meine Krankheit gibt es kein Mittel. Das ist das Opfer, der Preis, den ich für meine Magie bezahlt habe.«

»Ich verstehe nicht«, murmelte sie. Ihre Hände zuckten, als sie sich lebhaft an die samtene, weiche Glätte der schwarzen Roben erinnerte, und unbewußt hielt sie sie hinter ihrem Rücken.

»Nicht?« fragte Raistlin und starrte mit seinen seltsamen goldenen Augen tief in ihre Seele. »Was hast du für deine Kraft geopfert?«

Eine schwache Röte, kaum sichtbar im Schein des sterbenden Feuers, befleckte Crysanias Wangen mit Blut, so wie die Lippen des Magiers mit Blut befleckt waren. Beunruhigt über dieses Eindringen in ihr Sein wendete sie ihr Gesicht ab, ihre Augen wanderten wieder zum Fenster. Die Nacht hatte sich über Palanthas gesenkt. Der silberne Mond, Solinari, stand wie ein heller Splitter im dunklen Himmel. Der rote Mond, sein Partner, war noch nicht aufgegangen. Der schwarze Mond... Sie ertappte sich bei der Frage, wo er wohl war. Konnte er ihn wirklich sehen?

»Ich muß gehen«, sagte Raistlin, sein Atem rasselte in seiner Kehle. »Diese Anfälle schwächen mich. Ich brauche Ruhe.«

»Gewiß.« Crysania hatte ihre Gelassenheit wiedergewonnen, und sie drehte sich zu ihm um. »Ich danke dir für dein Kommen...«

»Aber unser Geschäft ist noch nicht beendet«, unterbrach Raistlin sie sanft. »Ich wünsche mir eine Gelegenheit, dir zu beweisen, daß die Befürchtungen deines Gottes unbegründet sind. Ich habe eine Idee. Besuch mich doch im Turm der Erzmagier. Dort wirst du mich bei meinen Büchern vorfinden und meine Studien verstehen. Und dann wirst du dich beruhigen. So wie es in den Scheiben gelehrt wird, fürchten wir nur das Unbekannte.« Er trat einen Schritt näher zu ihr.

Erstaunt über seinen Vorschlag riß Crysania die Augen weit auf. Sie versuchte, sich von ihm fortzubewegen, aber sie hatte sich am Fenster unabsichtlich in eine Falle gestellt. »Ich kann nicht gehen... zum Turm«, stammelte sie, als seine Nähe ihr den Atem raubte. Sie versuchte um ihn herumzugehen, aber er bewegte leicht seinen Stab und versperrte ihr den Weg.

Raistlin streckte seine Hand aus und hielt Crysania fest. »Wie mutig du bist, Verehrte Tochter«, bemerkte er. »Du zitterst nicht einmal bei meiner verruchten Berührung.«

»Paladin ist mit mir«, erwiderte Crysania hochmütig.

Raistlin lächelte, ein warmes Lächeln, dunkel und geheimnisvoll. Es faszinierte Crysania. Er zog sie näher zu sich. Dann ließ er sie los. Er lehnte den Stab gegen den Stuhl und ergriff ihren Kopf mit seinen schlanken Armen fest. Jetzt zitterte Crysania, aber sie konnte sich nicht bewegen, sie konnte nicht sprechen oder überhaupt etwas tun, außer ihn in einer wilden Angst anstarren, die sie weder unterdrücken noch verstehen konnte.

Raistlin hielt sie fest, beugte sich zu ihr und fuhr mit seinen blutbefleckten Lippen über ihre Stirn. Dabei murmelte er seltsame Worte. Dann ließ er sie los.

Crysania taumelte, stürzte fast. Sie fühlte sich schwach und benommen. Ihre Hand fuhr zu ihrer Stirn, die nach der Berührung seiner Lippen in einem sengenden Schmerz brannte. »Was hast du mir getan?« rief sie gebrochen. »Du kannst keinen Zauber auf mich werfen! Mein Glaube beschützt...«

»Natürlich.« Raistlin seufzte müde, und in seinem Gesicht und in seiner Stimme lag ein Ausdruck der Trauer, die Trauer eines Menschen, der ständig verdächtigt und mißverstanden wird. »Ich habe dir lediglich einen Zauber gegeben, damit du durch den Eichenwald von Shoikan gehen kannst. Der Weg wird nicht einfach sein.« Sein Sarkasmus kehrte zurück. »Aber dein Glaube wird dich beschützen!«

Der Magier zog seine Kapuze dicht über die Augen, dann verbeugte er sich vor Crysania, die ihn nur anstarren konnte, und ging mit langsamen, schwankenden Schritten zur Tür. Er streckte seine Skeletthand aus und zog am Klingelzug. Die Tür öffnete sich, und Bertrem trat so plötzlich ein, daß Crysania erkannte, daß er draußen Wache gestanden haben mußte. Ihre Lippen zogen sich zusammen. Sie warf dem Ästheten einen so wütenden, herrischen Blick zu, daß der Mann erblaßte.

Raistlin wollte gerade gehen, als Crysania ihn aufhielt. »Ich entschuldige mich, daß ich dir nicht vertraut habe, Raistlin Majere«, sagte sie sanft. »Und ich danke dir nochmals für dein Kommen.«

Raistlin drehte sich um. »Und ich entschuldige mich für meine scharfe Zunge«, sagte er. »Leb wohl, Verehrte Tochter. Wenn du wirklich keine Furcht vor dem Wissen hast, dann besuche mich im Turm in zwei Nächten von dieser Nacht an gerechnet, wenn Lunitari zuerst am Himmel erscheint.«

»Ich werde kommen«, antwortete Crysania bestimmt und bemerkte mit Vergnügen Bertrems entsetzten Blick. Sie nickte ihm zum Abschied zu, während ihre Hand auf der Rücklehne des mit Verzierungen versehenen Holzstuhles ruhte.

Der Magier verließ das Zimmer, Bertrem folgte ihm und schloß die Tür hinter sich.

Crysania, nun allein in dem warmen, friedlichen Zimmer, fiel vor dem Stuhl auf die Knie. »Oh, ich danke dir, Paladin!« keuchte sie. »Ich nehme deine Herausforderung an. Ich werde dich nicht enttäuschen! Ich werde nicht versagen!«

1

Hinter sich hörte sie das Geräusch von Klauenfüßen, die durch das Laub im Wald scharrten. Tika spannte sich an, versuchte jedoch so zu tun, als ob sie nichts hörte, um die Kreatur anzulocken. Das Schwert hielt sie fest in ihrer Hand. Ihr Herz schlug heftig. Immer näher kamen die Schritte, jetzt konnte sie das scharfe Atmen vernehmen. Eine Klauenhand berührte ihre Schulter. Tika wirbelte herum, schwang ihr Schwert und – stieß ein Tablett mit Krügen zu Boden.

Dezra kreischte auf und sprang erschrocken zurück. An der Theke sitzende Stammgäste brachen in rauhes Gelächter aus. Tika war sich bewußt, daß ihr Gesicht so rot wie ihr Haar sein mußte. Ihr Herz pochte, ihre Hände zitterten. »Dezra«, sagte sie kühl, »du hast die Anmut und den Verstand eines Gossenzwerges. Vielleicht solltest du mit Raf den Platz tauschen. Du bringst den Abfall hinaus, und ich lasse ihn die Gäste bedienen!«

Dezra, die sich hingekniet hatte, um die in einem Biersee schwimmenden Scherben aufzuheben, sah auf. »Vielleicht sollte ich das!« schrie die Kellnerin und warf dabei die Scherben wieder auf den Boden. »Bedien doch selbst an den Tischen... oder ist das jetzt unter deiner Würde, Tika Majere, Heldin der Lanze?« Tika einen verletzten, vorwurfsvollen Blick zuwerfend, erhob sie sich, stieß mit den Füßen die Scherben aus ihrem Weg und stürzte aus dem Wirtshaus.

Die Tür blieb offen stehen und ließ das Licht des verblassenden Nachmittags in das Wirtshaus fluten. Die rötliche Glut der untergehenden Sonne leuchtete auf dem frisch polierten Holz der Theke und funkelte in den Gläsern. Sie tanzte sogar auf der Pfütze am Boden. Sie berührte neckend wie die Hand eines Geliebten Tikas feuerrote Locken, ließ viele der Stammkunden schmachtend auf die attraktive Frau starren.