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Die Augen des jungen Mannes begannen hoffnungsvoll zu leuchten.

»Wann?«

»Übermorgen.«

»Wo?«

»Im Palast.«

»Das ist herrlich, Nofret!«

Er nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.

»Du hast das Unmögliche geschafft! Wir können mit dem König sprechen und ihn überzeugen.«

»Wir werden nicht allein sein«, wandte die junge Frau betrübt um.

»Nicht allein? Was willst du damit sagen?«

»Es handelt sich nicht um eine Privataudienz, Kamose. Der große Rat empfängt uns.«

»Der große Rat! Gegen den können wir uns nicht wehren!«

»Wir müssen uns auch nicht wehren, Kamose, sondern ihm begreiflich machen, dass hier eine Ungerechtigkeit begangen wurde.«

»Und wenn er uns nicht glaubt? Weißt du, was uns erwartet?«

»Ich habe keinerlei Furcht. Er wird uns glauben, da wir die Wahrheit sagen.«

22

Als der Pharao den Ratssaal betrat, standen alle Ratsmitglieder auf und grüßten den Herrscher über Ägypten. Nur der Alte war wegen seines hohen Alters in der Haltung der Schreiber rechts neben dem Thron sitzen geblieben.

Die neun Ratgeber des Königs waren seit langer Zeit seine Freunde. Sie vereinten die unterschiedlichsten Sachkenntnisse. Ramses traf keine wichtige Entscheidung, ohne sie um Rat zu fragen, auch wenn er sich bisweilen über sie hinwegsetzte und allein die letzte Verantwortung übernahm.

Nachdem der große Rat die Allmächtigkeit des einzigen Gottes zelebriert hatte, der sich den Menschen in vielfältigen Formen offenbart, machte er sich an die Arbeit. Im Mittelpunkt seiner Zusammenkunft stand die Verschönerung des Tempels von Karnak und die Fertigstellung des gewaltigsten Säulensaals, der je in Ägypten gebaut worden war.

Der Protokollschreiber brachte dem König einen Skarabäus.

Ramses erkannte ihn sofort.

»Ich habe dem großen Rat einen außergewöhnlichen Fall vorzubringen«, sagte der König.

Auf Befehl des Pharao führte der Protokollschreiber Nofret in den Saal des großen Rats. Aber die junge Frau war nicht allein. Sie wurde begleitet von dem Schreiberlehrling Kamose.

Sie verneigten sich vor dem König.

Verblüfft und glücklich entdeckte Kamose den Alten. Dessen Anwesenheit unter den Mitgliedern des großen Rats beruhigte ihn. Aber der Alte äußerte ihm gegenüber nicht das geringste Zeichen von Sympathie.

»Wer ist dieser junge Mann?«, fragte der König.

»Kamose, Sohn von Geru und Nedjemet, Eure Majestät«, antwortete Nofret. »Seine Eltern wurden schwer in ihren Rechten beeinträchtigt. Ihr Fall ist berechtigt. Davon lege ich als Hathor-Priesterin Zeugnis ab.«

»Du kennst die große Bedeutung des Zeugnisablegens«, sagte der König.

Nofret neigte den Kopf.

»Sprich, Kamose«, befahl der Pharao.

»Eure Majestät«, stammelte der junge Mann, »ich weiß nicht, wie…«

»Wenn dein Fall berechtigt ist«, unterbrach ihn der König, »so kannst du dich sicher klar ausdrücken.«

Anstatt Kamose zu entmutigen, verlieh ihm diese harsche Bemerkung einen entscheidenden Impuls. Er hatte nichts mehr zu verlieren.

»Vor über drei Jahren ist ein Soldat namens Setek in unser Dorf gekommen. Er hat meine Eltern ihres Hauses und ihres Landes beraubt. Jeder betrachtet ihn als Helden, der sich alles erlauben darf. Für mich ist er ein Dieb.«

Nofret hatte gehofft, Kamose wäre gemäßigter in seinen Äußerungen. Aber das Unglück war bereits geschehen.

»Ich kenne diesen Setek gut«, sagte der König. »Er ist einer meiner Veteranen. In Asien hat er an meiner Seite gegen die Hethiter gekämpft. Er ist ein wahrer Held. Du erhebst schwere Anschuldigungen gegen ihn. Ich habe ihn tatsächlich dem Katasteramt empfohlen, damit dieses ihm Grund und Boden zuweist.«

»Mein Vater, Richter Rensi, hat das Katasteramt konsultiert«, gestand Nofret, die sich immer größere Sorgen machte.

»Hat es womöglich einen Fehler begangen?«

»Nein, Eure Majestät.«

Im Saal erhob sich Murmeln.

Zwei Mitglieder des großen Rates erbaten vom König das Wort.

»Den Fall gibt es gar nicht«, erklärte der erste. »Ich halte das Vorgehen dieser jungen Leute für grotesk. Ich habe den Eindruck, dass sie den Pharao nur von nahem sehen wollten.«

»Diese Unverschämtheit muss bestraft werden«, befand der zweite. »Die junge Priesterin soll als Einsiedlerin in eine ferne Provinz entsandt werden! Und der junge Schreiber soll in den Süden zu Frondiensten geschickt werden!«

Kamose erbleichte. Er war gescheitert. Endgültig gescheitert.

»Ihr habt kein Recht, so zu sprechen!«, rief er wütend aus. »Alles, was Ihr sagt, ist falsch. Meine Eltern sind reine, rechtschaffene Menschen. Ihr ganzes Leben lang haben sie ihr Land bestellt. Der Pharao hatte versprochen, es ihnen zu schenken. Und der Pharao hat sein Wort gebrochen, indem er es wieder an sich nahm und es einem Barbaren schenkte, der meine Eltern wie Sklaven behandelt. So sieht die Wahrheit aus! Eine Wahrheit, die Euch Schande machen sollte. Bestraft mich, wenn Ihr wollt. Eure ungerechten Taten werdet Ihr damit nicht auslöschen.«

Nofret schloss die Augen.

Diesmal hatte er den Pharao direkt angegriffen und sich selbst zum Tode verurteilt.

Die Mitglieder des großen Rates waren verstummt. Noch nie hatten sie derartige Beleidigungen gegen den Herrscher vernommen. Die Entscheidung, die dieser nun treffen musste, konnten sie nur gutheißen.

Nur der Alte schien dem sich vor seinen Augen abspielenden Drama gegenüber gleichgültig.

Der König sah Kamose lange an, und dieser sah ihm gerade in die Augen. Da er so weit gegangen war, würde es ihm nun auch nichts mehr nützen, den Untertänigen zu spielen.

Er fühlte sich erleichtert. Er hatte demjenigen die Wahrheit sagen können, der sie auf Erden vertrat, dem König von Ägypten persönlich.

»Seltsam«, sagte Ramses. »Wie lange bestellen deine Eltern das Land, das Setek zugeteilt wurde?«

»Sie sind darauf geboren, Eure Majestät. Zunächst waren sie die Angestellten eines alten Mannes. Bei seinem Tod gewährte er ihnen das Recht, im Dorf weiterzuarbeiten und sein Feld zu bestellen. Meine Eltern haben das Haus gebaut, in dem ich aufgewachsen bin. Sie haben so viel gearbeitet, dass der Bürgermeister mit Einverständnis des Pharao eingewilligt hat, dass sie dessen Besitzer werden.«

»Haben sie irgendwann einen schweren Fehler begangen?«, fragte der Pharao.

»Nein«, antwortete Kamose überzeugt. »Sie werden vom ganzen Dorf geschätzt.«

»Was ist passiert, als Setek bei dir zu Hause angekommen ist?«

»Er hat meinen Vater geschlagen, Eure Majestät. Wäre meine Mutter nicht dazwischengegangen, so hätte ich mich mit ihm geprügelt.«

»Was hat er euch gesagt?«

»Dass unser Haus und unser Land ihm gehören würden. Er hat meine Eltern verjagt. Der Bürgermeister hat sie angestellt, dann hat Setek sie als Diener angefordert und hat sie bekommen. Jetzt ist meine Mutter krank. Wenn sie stirbt, so wird das an diesem verdammten Helden liegen!«

Ein Angehöriger des Rates erbat sich beim Pharao empört das Wort.

»Der Junge hat nicht das Recht, den Ruhm eines unserer Veteranen zu schmälern. Ohne sie wäre Ägypten längst von den Barbaren besetzt worden. Dieser kleine Aufrührer schuldet Setek Gehorsam!«

Kamose sah ihn wütend an.

»Niemals! Lieber sterben!«

Nofret nahm Kamose am Arm. Das erzürnte Gesicht des Pharao zeigte deutlich, dass sie mit ihrem wahnwitzigen Vorhaben gescheitert waren.

»Beschreibe mir die Ankunft von Setek noch einmal genauer«, forderte der große Ramses.

Kamose beruhigte sich. Er rief sich jene schmerzvollen Augenblicke in Erinnerung.

»Dieser erbärmliche Held verhielt sich wie ein Barbar«, erzählte er. »Er trug einen Harnisch und hatte ein Bronzeschwert.«