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Zum Nachfolger des Bürgermeisters war Geru bestimmt worden. Geru hatte neue Kraft geschöpft und hörte nicht auf, Lobeshymnen auf seinen Sohn Kamose zu singen, der in Gesellschaft von Nofret an der Seite seiner Mutter geblieben war. Er wollte sie bis zu ihrer vollständigen Genesung nicht verlassen. Nedjemet war überglücklich und brauchte nicht lange, um wieder gesund zu werden. Die Sonne erhob sich erneut über glücklichen Tagen.

Nofret hatte die einfachen Freuden des Landlebens entdeckt. Sie hatte die Kleidung einer Adligentochter abgelegt und trug nun den Schurz der Bäuerinnen. Kamose hatte ihr das Land gezeigt und sie Felder, Mittagsschläfe im Schatten der Akazien, Spaziergänge am Nil und die Jagd im Schilfrohr entdecken lassen. Jeder Tag erschien ihnen zu kurz.

Der alte Hund des Hauses hatte Zuneigung zu Nofret gefasst. Sobald er sie sah, wedelte er mit dem Schwanz und kam angerannt, um ihr die Beine zu lecken.

Weder Kamose noch Nofret wagten es, das Thema anzusprechen, das sie doch so sehr beschäftigte. Sie zogen es vor, die Gegenwart zu genießen und nicht über die Zukunft zu reden.

Als Richter Rensi und sein Gefolge ins Dorf kamen, war Nofret nicht sonderlich überrascht. Sie wusste, dass ihr Vater gezwungen war, sich mit dem Fall zu befassen.

Bürgermeister Geru und seine Gattin Nedjemet bereiteten der mächtigen Persönlichkeit inmitten eines Palmenhains am Rande der Felder ein überaus schönes Festmahl. Junge Bäuerinnen legten dem Richter Blumensträuße zu Füßen.

Als die Festlichkeiten beendet waren, blieb Rensi allein mit seiner Tochter.

Nofret wartete, dass ihr Vater das Wort ergriff.

»Dieser Ort ist entzückend«, sagte er.

»Es ist der schönste, den ich kenne.«

»Hast du vergessen, dass du Hathor-Priesterin bist, Nofret?«

»Nicht weit von hier gibt es einen kleinen Tempel. Dort werde ich mich hinbegeben, um meine rituellen Dienste zu absolvieren. Dann komme ich wieder hierher zurück, um mit Kamose zu leben.«

»Du weißt genau, dass das unmöglich ist, Nofret. Ich habe mich in diesem jungen Mann getäuscht, das gebe ich zu. Er ist ehrenwert und begeistert. Aber seine Qualitäten werden nicht ausreichen, dich glücklich zu machen. Das Landleben wird dich eine Zeit lang unterhalten. Dann kommt die Langeweile. Und auf sie folgen Auflehnung und Zerwürfnis. Und du wirst deine Entscheidung bitter bereuen.«

»Nein, mein Vater.«

»Doch, meine Tochter. Du weißt, dass ich Recht habe. Dein Schicksal liegt anderswo.«

»Ich liebe Kamose.«

»Daran zweifle ich nicht, Nofret. Aber Leidenschaft ist keine Quelle für Freude. Du musst über den Augenblick hinaussehen. Du gehörst zum geschlossenen Tempel und wünschst dir, auf dem Weg der Erkenntnis voranzuschreiten. Du musst nach Theben zurückkehren und dein wirkliches Schicksal erfüllen. Ich habe gerade lange mit der obersten der Priesterinnen gesprochen. Sie hat dich dazu bestimmt, erneut den Ritus der Braut des Nil zu vollziehen. Wenn du diese Aufgabe ablehnen würdest, würdest du die Türen schließen, die sich dir geöffnet haben.«

Nofret hatte ihrem Vater kein Argument entgegenzusetzen. Er kannte sie gut.

»Ich könnte dich zwingen, mit mir nach Theben zurückzukehren, meine Tochter. Das werde ich nicht tun. Du hast noch ein paar Tage zum Nachdenken. Wenn Kamose dich wirklich liebt, wird er sich einsichtig zeigen. Er wird dich nicht zwingen, ein Leben zu teilen, dass dich verknöchern lassen würde.«

Vom Dorfeingang kamen Freudenschreie. Kinder rannten neben einer Sänfte her, auf der ein Greis saß. Ein Sonnenschirm schützte seinen Kopf vor den Sonnenstrahlen.

Kamose, der von dem Tumult angelockt worden war, wandte sich dem unerwarteten Besucher zu. Als er den Alten erkannte, glaubte er seinen Augen nicht trauen zu können.

»Meister… Warum so viel Ehre?«

»Genug der hohlen Worte, Kamose. Hilf mir, abzusteigen. Diese Sänfte ist ausgesprochen unbequem. Ich habe das Reisen schon immer gehasst. Und diese Reise wird meine Meinung wahrlich nicht ändern.«

Der Alte stützte sich auf seinen Stock und begab sich zu dem Palmenhain, wo sich Richter Rensi und seine Tochter unterhielten.

Der Richter erwies dem Alten die Ehre.

»Theben begibt sich aufs Land«, urteilte der Alte mürrisch. »Die Welt läuft verkehrt!«

Alle waren verwundert über die Anwesenheit des alten Schreibers. Doch er schien keine Eile zu haben, die Gründe für sein Kommen zu erklären.

»Das Dorf scheint mir schmuck«, bemerkte er. »Es stimmt aber auch, dass der neue Bürgermeister ein verantwortungsvoller Mann ist. Ich würde gerne ein wenig kühles Bier trinken.«

Geru und Nedjemet liefen herbei, um den Alten zu begrüßen, von dem Kamose so viel erzählt hatte. Sie waren beeindruckt von der natürlichen Autorität des Greises, der sich in der ländlichen Umgebung vollkommen wohl zu fühlen schien.

Der Alte trank in kleinen Schlucken. Der alte Hund legte sich zu seinen Füßen nieder.

»Kamose kehrt nach Theben zurück«, verkündete er schließlich.

»Aus welchem Grund?«, fragte Geru besorgt.

»Aus dem einzigen stichhaltigen Grund: wegen seiner Arbeit. Euer Sohn hat sein Schreiberexamen bestanden.«

Kamose schloss Nofret in die Arme. Richter Rensi schien erschüttert.

»Ein bemerkenswertes Ergebnis«, urteilte er.

»Bemerkenswert ist nicht das richtige Wort«, korrigierte ihn der Alte. »Der junge Mann ist noch ein Unwissender. Sagen wir, er ist ein bisschen weniger unwissend als die anderen Kandidaten. Wir haben keinerlei Anlass zur Freude. Es gibt in diesem Lande immer weniger wahre Gelehrte. Wenn man bei der Ausbildung der Schreiber nicht strenger ist, so steuern wir bald dem sicheren Niedergang entgegen.«

Nofret ließ Kamose los und ging zu Richter Rensi.

»Also werde ich mit Kamose nach Theben zurückkehren, mein Vater. Können wir bald unsere Hochzeit feiern?«

»Er ist nur ein einfacher Schreiber… Ich hatte mir etwas Besseres für dich erträumt, meine Tochter.«

»Ach«, sagte der Alte. »Ich hatte noch eine Kleinigkeit vergessen. Ich habe den Pharao über das Ergebnis der Prüfungen unterrichtet. Trotz meiner Warnungen vor dem jähzornigen Charakter Kamoses legte er Wert darauf, ihn zum königlichen Schreiber zu ernennen. Eine in meinen Augen wahrlich übertriebene Beförderung. Aber wer könnte sich dem Willen des Pharao widersetzen?«

So wurde der Bauer Kamose zu einem zukünftigen hohen Beamten Ägyptens, des von den Göttern geliebten Landes.

Richter Rensi hielt sich nicht länger im Dorf auf. Dringende Geschäfte riefen ihn nach Theben.

Auch Kamose und Nofret machten sich bereit, am frühen Morgen aufzubrechen. Rensi hatte seinem künftigen Schwiegersohn ein altes Haus im Viertel der Adligen geschenkt, das noch renoviert werden musste. Die Hochzeit würde Anlass zu großen Feierlichkeiten geben, die einige Tage Vorbereitung erforderten.

Die beiden jungen Leute warteten auf den Alten. Seine Verspätung machte ihnen Sorgen.

»Vielleicht ist er noch nicht aufgewacht«, vermutete Kamose. »Gehen wir nachsehen.«

Sie fanden den Alten in lebhaftem Gespräch mit Geru.

»Kehrt ohne mich nach Theben zurück«, befahl der Alte. »Ich habe hier noch viel zu lernen. Ich hatte vergessen, wie wichtig das Dorfleben ist. Ich verbringe noch einige Zeit in Gesellschaft des Bürgermeisters. Nutze das aber nicht aus, um die Zeit zu vertrödeln, Kamose! Ein königlicher Schreiber sollte sehr viel mehr arbeiten als die anderen. Deine Heirat wird dich nicht von deinen Verpflichtungen befreien. Damit du das gleich weißt und mich nicht mit unnötigen Entschuldigungen überhäufst. Auf bald!«

Der Alte wandte sich von den beiden jungen Leuten ab. Außer sich vor Glück, rannten Kamose und Nofret lachend zu dem Boot, das sie nach Theben fahren würde.