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Kamose fragte sich, warum.

»Geh wieder an die Arbeit, Kamose«, befahl der Meister schließlich.

Die Lese hatte eine große Menge Trauben eingebracht. Junge Männer und Frauen hatten sie vergnügt mit den Füßen in großen Bottichen gekeltert. Nachdem die Arbeit beendet war, schenkten die Winzer Wein des vergangenen Jahres aus, der in großen Tonkrügen kühl gehalten worden war.

Kamose hatte den Fischer, der ihn nach Theben gebracht hatte, unter eine Laube eingeladen. Immer wieder äußerte der Mann bewundernd, wie sehr der junge Bauer sich verändert habe.

»Du wirkst stark und gut genährt! Es heißt, du seist ein hervorragender Handwerker geworden, der fähig ist, Statuen zu meißeln.«

»Das stimmt. Wie geht es meinen Eltern?«

»Schlecht. Setek beutet sie aus. Er schläft, isst und trinkt. Nach all den Gefahren, denen er sich ausgesetzt hat, genießt er jetzt das Leben, wie er sagt. Dein Vater ist oft krank. Wenn er zu erschöpft ist, arbeitet deine Mutter für zwei. Aber keiner von beiden beklagt sich. Durch mich wissen sie, dass bei dir alles gut geht. Das erfreut ihr Herz. Sie würden dich so gerne sehen…«

»Ich habe ein Gelübde abgelegt«, erklärte Kamose, »und ich werde es nicht brechen. Ich kehre erst ins Dorf zurück, wenn ich sie vom Joch dieses verfluchten Helden befreien kann.«

»Begrabe deine Illusionen… Hast du eine Möglichkeit gefunden, das Kataster einzusehen?«

Kamose musste seinen Misserfolg einräumen.

»Kehr heim, Kamose, kehr heim… Du hast jetzt einen Beruf. Bei uns wirst du ein berühmter Tischler werden und deine Eltern schon allein durch deine Anwesenheit in ihrer Nähe glücklich machen. Du wirst dir ein Vermögen erwerben und kannst sie so vielleicht Seteks Einfluss entziehen.«

Kamose trank ein Glas kühlen Wein und hielt den Blick gesenkt.

»Nein… Ich kann nicht. Ich habe ein Gelübde abgelegt.«

»Du bist der Einzige, der das weiß. Du hast weder bei deinem Leben noch bei dem deiner Eltern noch in Gegenwart der Götter geschworen.«

Wie konnte Kamose gestehen, dass er Theben wegen einer jungen Frau namens Nofret nicht verlassen konnte, ohne die sein Leben von nun an keinen Sinn mehr hatte? Wie konnte er diese Liebe und die Befreiung seiner Eltern miteinander vereinen?

Auf diese Fragen gab es nur eine Antwort.

Nur eine Antwort, deren Umsetzung unmöglich war: in den geschlossenen Tempel eindringen.

8

Kamose durchlebte quälende Wochen.

Seine Eltern brauchten ihn, und er brauchte die Nähe einer Unbekannten, die nichts von ihm wusste. Verfolgte er nicht ein Ideal, das er nie erreichen würde? Klammerte er sich nicht an einen Traum, der nie Wirklichkeit werden würde?

Kamose wandte das einzige Mittel an, das er kannte: arbeiten. Unter dem kritischen Auge des Geometers vervollkommnete er seine Fähigkeiten mit überraschender Geschwindigkeit. Bald bargen Stein und Holz keine Geheimnisse mehr für ihn. Aber der junge Mann blieb weiterhin scheu. Er arbeitete beharrlich, beeindruckte seine Kameraden und führte ausschließlich berufliche Gespräche mit dem Geometer.

Nachts ging er in dem Teil des Tempels spazieren, der Handwerkern seines Rangs zugänglich war. Er betrachtete die Außenseite der Steinmauer und versuchte, eine Unvollkommenheit oder einen Spalt zu finden. Aber sie war von hervorragenden Baumeistern errichtet worden, die beim Bau dieser unüberwindlichen Grenze zwischen der heiligen Welt des Tempels und der Welt der Menschen nicht den geringsten Fehler begangen hatten.

Seine Geduld und Wachsamkeit wurden jedoch belohnt.

Einen Monat nach der Feier des Rituals beobachtete Kamose bei Einbruch der Nacht eine Prozession von etwa zwanzig Hathor-Priesterinnen, die gerade den überdachten Tempel verließen. Ihr Dienst war vollbracht, und sie begaben sich in ihre Wohnstätten in Theben.

Unter ihnen war Nofret.

In ihrem Haar eine Lotosblüte.

Kamose wollte ihr nachstürzen, aber der Stock des Aufsehers versperrte ihm den Weg.

»Keinen Schritt weiter, mein Junge. Ich habe dich schon lange im Auge. Heute Abend versiehst du Bereitschaftsdienst in der Werkstatt. Ausgang verboten!«

Dem jungen Mann kochte das Blut in den Adern. Er verspürte das Bedürfnis, sich zu schlagen, den Aufseher zur Seite zu drängen.

Doch würde er so handeln, würde er aus der Zunft ausgeschlossen werden und niemals Zugang zum Tempel erhalten.

Kamose hatte keine Wahl. Er gehorchte.

Da er bereits über große Erfahrung verfügte, wurde er vom Geometer beauftragt, die ersten Schritte der neuen Lehrlinge zu beaufsichtigen. Diese Aufgabe war ihm zunächst langweilig erschienen, sie hielt aber eine wunderbare Überraschung für ihn bereit.

Als er in Gesellschaft eines vierzehnjährigen Jungen, dem er den Umgang mit dem Kupfermeißel beibrachte, zu Mittag aß, bot ihm dieser frische, süß schmeckende Zwiebeln an.

»Sie kommen vom Feld meiner Eltern. Ich habe sie selbst gepflanzt. Diesmal hat meine große Schwester sich geweigert, mir zu helfen. Seitdem sie in den Tempel aufgenommen wurde, ist sie so eingebildet!«

»Gehört sie zu den Hathor-Priesterinnen?«

»Nein«, antwortete der Lehrling. »Sie ist Flötenspielerin. Bei jeder Zeremonie wird sie einberufen.«

»Sie kennt sie also gut…«

»Ich hab keine Ahnung. Das sind Mädchensachen…«

»Wo wohnst du?«

»In einem Bauernhof am Ende des Viertels der Händler, in der Nähe des Tempels von Montu.«

Ungeduldig erwartete Kamose seinen freien Tag. Früh am Morgen verließ er sein Zimmer, durchquerte den Teil des Tempels, der den Handwerkern vorbehalten war, und begab sich in die Gassen des Händlerviertels von Theben.

Bauern und Bäuerinnen breiteten Matten auf dem Boden aus, auf die sie ihre Waren legten. Bald schon würden zahlreiche Kunden erscheinen. Aber der junge Mann beachtete das neben ihm ausgebreitete Obst und Gemüse nicht. Er ging raschen Schrittes weiter, da er es eilig hatte, zu dem Bauernhof zu kommen, in dem die Flötenspielerin lebte.

Es war nicht schwierig, ihn zu finden. Während die Bauern in den Speichern arbeiteten, aalte sich die junge Musikerin am Rand eines Beckens mit kühlem Wasser.

Sie hatte geschminkte Augen, eine von der Sonne gebräunte Haut und trug nur ein Karneolhalsband und einen Schmuckgürtel unterhalb des Nabels.

»Ich bin Handwerker im Tempel von Karnak«, erklärte Kamose. »Bist du Flötenspielerin bei den Hathor-Priesterinnen?«

Das junge Mädchen lächelte ihn an.

»Hast du mich gesucht?«

»Dein Bruder arbeitet mit mir. Er glaubt, du könntest mir helfen.«

»Aufweiche Weise?«

»Ich würde gerne eine junge Priesterin treffen, und zwar die, die zuletzt das Ritual der Braut des Nil vollzogen hat.«

Die Flötenspielerin schien enttäuscht. Sie wandte den Blick von Kamose ab und betrachtete die Wasserfläche, die sich im leichten Wind kräuselte.

»Warum interessierst du dich für sie?«

»Ein Familienproblem«, log der junge Mann. »Ich weiß, dass sie Nofret heißt. Aber mir scheint, sie ist die Tochter einer adligen Familie, und ich weiß nicht, wie ich in Kontakt zu ihr kommen kann, um ihr mein Gesuch vorzubringen.«

»Du hast nicht die geringste Chance«, offenbarte ihm die Flötenspielerin. »Nofret ist tatsächlich die Tochter von Adligen. Ihr Vater ist einer der wichtigsten Männer von Theben. Sie wurde vor kurzem in den geschlossenen Tempel aufgenommen. Sie hat eine Ausbildung als Schreiberin erhalten und praktiziert bereits die heiligen Wissenschaften. Du müsstest schon mindestens der Weise Imhotep sein, damit sie dich eines Blickes würdigt! Vergiss sie. Es gibt andere Mädchen, die dich für schön und gut gebaut halten werden.«

»Ich habe zu arbeiten. Danke für deine Hilfe.« Kamose ging wieder, und die junge Musikerin sah ihm nach. Sie bedauerte ihn. In die schöne Nofret verliebt zu sein würde ihm nur Leid und Enttäuschung bringen.