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Tusmann wollte davon, da vertrat ihm aber der Goldschmied den Weg und sprach: »Tusmann, Ihr seid nicht gescheit, kein Schatz kann Euch ersprießlicher sein, als der, den Ihr gefunden! Die Verse hätten Euch schon darauf aufmerksam machen sollen. Tut mir den Gefallen und steckt das Buch, das Ihr aus dem Kästchen nahmt, in die Tasche.« – Tusmann tat es. –

»Nun,« fuhr der Goldschmied fort, »nun denkt Euch ein Buch, das Ihr gern in diesem Augenblick bei Euch tragen möchtet.«

»O Gott,« sprach der Geheime Kanzleisekretär verdutzt, »o Gott, unbesonnener-, unchristlicherweise warf ich Thomasii ›kurzen Entwurf der politischen Klugheit‹ in den Froschteich!« –

»Faßt in die Tasche, zieht das Buch hervor«, rief der Goldschmied.

Tusmann tat, wie ihm geheißen, und siehe – das Buch war eben kein anderes als Thomasii »Entwurf«.

»Ha, was ist das,« rief der Geheime Kanzleisekretär ganz außer sich, »o Gott, mein lieber Thomasius gerettet vor den feindlichen Rachen schnöder Frösche, die doch nimmermehr daraus Konduite gelernt!«

»Still,« unterbrach ihn der Goldschmied, »steckt das Buch wieder in die Tasche.«- Tusmann tat es.

»Denkt,« fuhr der Goldschmied fort, »denkt Euch jetzt irgend ein seltnes Werk, dem Ihr vielleicht lange vergebens nachgetrachtet, das Ihr aus keiner Bibliothek erhalten konntet.«

»O Gott,« sprach der Geheime Kanzleisekretär beinahe wehmütig, »o Gott, da ich nun auch zu meiner Erheiterung bisweilen die Oper zu besuchen gesonnen, wollte ich mich vorher etwas in der edlen Musica feststellen und trachtete bis jetzt vergebens, ein kleines Büchlein zu erhalten, das allegorischerweise die ganze Kunst des Komponisten und Virtuosen darlegt. Ich meine nichts anders, als Johannes Beers Musikalischen Krieg oder die Beschreibung des Haupttreffens zwischen beiden Heroinen, als der Komposition und Harmonie, wie diese gegeneinander zu Felde gezogen, gescharmutzieret und endlich nach blutigem Treffen wieder verglichen worden.« –

»Faßt in die Tasche«, rief der Goldschmied, und vor Freude jauchzte der Geheime Kanzleisekretär laut auf, als er das Buch aufschlug, das nun eben wieder Johannes Beers »musikalischen Krieg« enthielt.

»Seht Ihr wohl,« sprach nun der Goldschmied, »mittelst des Buchs, das Ihr in dem Kästchen gefunden, habt Ihr die reichste, vollständigste Bibliothek erlangt, die jemals einer besessen, und die Ihr noch dazu beständig bei Euch tragen könnt. Denn habt Ihr dieses merkwürdige Buch in der Tasche, so wird es, zieht Ihr es hervor, jedesmal das Werk sein, das Ihr eben zu lesen wünscht.«

Ohne auf Albertine, ohne auf den Kommissionsrat zu achten, sprang der Geheime Kanzleisekretär schnell in die Ecke des Zimmers, warf sich in einen Lehnsessel, steckte das Buch in die Tasche, zog es wieder hervor, und man sah an dem Entzücken, das in seinen Augen strahlte, wie herrlich eintraf, was der Goldschmied verheißen.

Nun kam die Reihe der Wahl an den Baron Bensch. Er trat hinein, schritt nach seiner läppischen tölpelhaften Manier geradezu los auf den Tisch, beschaute mit der Lorgnette die Kästchen und murmelte die Inschriften her. Aber bald fesselte ihn ein natürlicher unwiderstehlicher Instinkt an das goldene Kästchen mit den blinkenden Dukaten auf dem Deckel. »›Wer mich erwählt, Glück ihm nach seines Sinnes Art‹ – Nun ja, Dukaten, die sind nach meinem Sinn, und Albertine, die ist auch nach meinem Sinn, was ist da lange zu wählen und zu überlegen!« So sprach Bensch, griff nach dem goldenen Kästchen, empfing von Albertinen den Schlüssel, öffnete und fand – eine kleine saubere englische Feile! Dabei lag ein Zettel mit den Versen:

»Hast gewonnen, was dein Herz Wünschen konnt' mit wehem Schmerz. Alles andre ist nur Scherz, Immer vor, niemals rückwärts Geht ein blühendes Kommerz.«

»He,« rief er erbost, »was tu' ich mit der Feile? – ist die Feile ein Porträt, ist die Feile Albertinens Porträt? Ich nehm' das Kästchen und schenk' es Albertinen als Brautgabe – Kommen Sie, mein Mädchen –«

Damit wollt' er los auf Albertinen, aber der Goldschmied hielt ihn bei den Schultern zurück, indem er sprach: »Halt, mein Herr, das ist wider die Abrede. Sie müssen mit der Feile zufrieden sein und werden es unbezweifelt sein, sobald Sie den Wert, den unschätzbaren Wert des köstlichen Kleinods, das Sie erhalten, erkannt haben, den schon die Verse andeuten. – Haben Sie einen schönen rändigen Dukaten in der Tasche?« –

»Nun ja,« erwiderte Bensch verdrießlich, »nun ja, was soll's?«

»Nehmen Sie,« fuhr der Goldschmied fort, »einen solchen Dukaten aus der Tasche und feilen Sie den Rand ab.« –

Bensch tat es mit einer Geschicklichkeit, die von langer Übung zeugte. Und siehe – noch schöner kam der Rand des Dukatens zum Vorschein, und so ging es mit dem zweiten, dritten Dukaten, je mehr Bensch feilte, desto rändiger wurden sie.

Manasse hatte bis jetzt ruhig alles, was sich begeben, mit angesehen, doch jetzt sprang er mit wildfunkelnden Augen los auf den Neffen und schrie mit hohler entsetzlicher Stimme: »Gott meiner Väter – was ist das – mir her die Feile – mir her die Feile – es ist das Zauberstück, für das ich meine Seele verkauft vor mehr als dreihundert Jahren. – Gott meiner Väter – her mit der Feile.«

Damit wollte er die Feile dem Bensch entreißen, der stieß ihn aber zurück und schrie: »Weg von mir, alter Narr, ich habe die Feile gefunden, nicht du« –

Darauf Manasse in voller Wut: »Natter – wurmstichige Frucht meines Stammes, her mit der Feile! – Alle Teufel über dich, verfluchter Dieb!« –

Unter einem Strom hebräischer Schimpfwörter krallte sich Manasse nun fest an den Baron und strengte knirschend und schäumend alle seine Kraft an, ihm die Feile zu entwinden. Bensch verteidigte aber das Kleinod wie die Löwin ihr Junges, bis zuletzt Manasse schwach ward. Da packte der Neffe den lieben Onkel mit derben Fäusten, warf ihn zur Türe hinaus, daß ihm die Glieder knackten, kehrte pfeilschnell zurück, schob einen kleinen Tisch in die Ecke des Zimmers dem Geheimen Kanzleisekretär gegenüber, schüttete eine ganze Handvoll Dukaten aus und fing mit Eifer an zu feilen.

»Nun,« sprach der Goldschmied, »nun sind wir den entsetzlichen Menschen, den alten Manasse, auf immer los. Man will behaupten, er sei ein zweiter Ahasverus und spuke seit dem Jahre Eintausendfünfhundert und zweiundsiebzig umher. Damals wurde er unter dem Namen des Münzjuden Lippold wegen teuflischer Zauberei hingerichtet. – Aber der Teufel rettete ihn vom Tode um den Preis seiner unsterblichen Seele. Viele Leute, die sich auf so etwas verstehen, haben ihn hier in Berlin unter verschiedenen Gestalten bemerkt, woher denn die Sage entsteht, daß es noch zur Zeit nicht einen, sondern viele, viele Lippolds gäbe. – Nun! – ich habe ihm, da ich auch einige Erfahrung in geheimnisvollen Dingen besitze, den Garaus gemacht!« –

Es würde dich, sehr geliebter Leser, ungemein langweilen müssen, wenn ich nun noch weitläuftig erzählen wollte, was du, da es sich von selbst versteht, schon längst weißt. Ich meine, daß Edmund Lehsen das elfenbeinerne Kästchen mit der Aufschrift:

»Wer mich erwählt, dem wird geträumte Seligkeit,«

wählte und darin Albertinens wohlgetroffenes Miniaturbild mit den Versen fand:

»Ja du trafst es, lies dein Glück In der Schönsten Liebesblick. Was da war, kommt nie zurück, So will's irdisches Geschick. Was dein Traum dir schaffen muß, Lehrt dich der Geliebten Kuß.«