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Bors grinste. »Du hast gerade selbst zu diesem Fettwanst gesagt, alles wäre möglich. Sicher«, zitierte er, »ist man nie.«

Skar nickte. »Das stimmt. Aber du sagtest selbst, die beiden Kohoner wären keine Gegner für uns.«

»Wenn der Kampf ehrlich ist, nicht.«

Skar erstarrte. Für einen Moment flammte Wut in ihm auf, aber er beherrschte sich. »Du redest irr«, sagte er. »Ein Satai betrügt nicht.«

Bors grinste noch breiter. »Das glauben die anderen auch«, sagte er. »Die, die ihr Geld auf euch setzen. Ihr -«

»Bitte, Herr!« mischte sich sein Kamerad ein. »Hört nicht auf ihn. Der Wein hat seinen Verstand ertränkt. Er weiß nicht mehr, was er redet.«

Skar atmete hörbar ein, musterte den Mann kalt und nickte. »Ich will annehmen, daß es so ist«, sagte er eisig. »Aber es wäre besser für deinen Freund, wenn er lernen würde, seine Zunge im Zaum zu halten. Wäre er weniger betrunken, wäre er jetzt tot.«

»Natürlich, Herr«, sagte der Soldat nervös. »Wir... wir gehen jetzt besser.« Er stand abrupt auf, warf eine Münze auf den Boden und zerrte Bors roh in die Höhe. Bors begann lautstark zu protestieren, aber sein Kamerad beachtete die Worte gar nicht, sondern zerrte ihn hinter sich her zur Tür.

Skar stand mit einem wütenden Blick auf. Bors' Worte hatten ihm ziemlich zugesetzt. Verärgert sah er sich um. Der Bettler schlief noch immer in seiner Ecke, aber die Frau hatte sich halb herumgedreht und das Gespräch offensichtlich mit großem Interesse verfolgt. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Irgend etwas Seltsames war in ihren Augen. Skar fühlte sich auf unangenehme Weise beobachtet, im wahrsten Sinne des Wortes durchschaut. Die Fremde starrte ihn mit einer sonderbaren Vertrautheit an. Ihre Augen blitzten fast amüsiert.

Skar fuhr mit einer übertrieben heftigen Bewegung herum, stapfte zur Theke und ließ sich schwer gegen das mürbe Holz fallen. Die Einrichtung hinter der Theke war ebenso spartanisch wie auf der anderen Seite. Es gab ein hohes, aus braunen Lehmziegeln direkt in die Wand hineingemauertes Regal, auf dem sich Becher und Krüge und halbwegs sauberes Geschirr stapelten; es gab den hölzernen Bock, auf dem nebeneinander ein Wein- und ein Bierfaß ruhten - die einzigen Getränke, die Rache anbot - und es gab einen niedrigen, mit einem durchlöcherten Fetzen verhängten Durchgang, hinter dem sich das Loch verbarg, das der Wirt seine Küche nannte.

»Nimm es ihnen nicht übel, Skar«, sagte Rache begütigend. »Ich hätte ihnen nicht so viel ausschenken dürfen. Aber das Geschäft geht schlecht. Man muß leben.«

»Du tust mir auch schon richtig leid«, knurrte Skar böse. »Der Hunger steht dir schon ins Gesicht geschrieben.«

Rache schien für einen Moment über die Bemerkung nachzudenken. Schließlich zuckte er die Achseln und streckte die Hand nach dem Becher aus, den er bereits vor Skar auf die Theke gestellt hatte. »Noch einen Wein?«

Skar schüttelte hastig den Kopf. »Ich habe genug«, sagte er. »Immerhin muß ich einen klaren Kopf behalten, wenn ich ihn noch ein wenig länger auf den Schultern tragen will.«

Rache runzelte die Brauen und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Weingerede«, sagte er. »Du nimmst das doch nicht etwa ernst?«

»Man sagt, Betrunkene und Kinder sprechen die Wahrheit.«

»Oder was sie dafür halten«, versetzte Rache ungerührt. »Die Leute machen sich eben Gedanken, was zwei ausgekochte Satai wie euch dazu bringen mag, für einen Halsabschneider wie Cubic zu arbeiten.«

Skar lächelte gegen seinen Willen. »Auch ein ausgekochter Satai muß essen«, antwortete er. »Die Zeiten sind schlecht für Söldner. Es hat lange keinen Krieg mehr gegeben. Und der nächste ist nicht in Sicht.«

»Den Göttern sei Dank«, nickte Rache. »Krieg ist schlecht fürs Geschäft. Die Leute trinken aus Furcht nicht halb soviel wie aus Langweile. Und alles, was Beine hat und ein Schwert führen kann, ist nach Norden gezogen, um sich mit diesem Quorrl-Pack herumzuschlagen. Ich wundere mich ohnehin, daß ihr nicht dabei seid.« Skar schwieg einen Moment. »Wir haben es versucht, aber...« Er brach ab, hob die Schultern und kramte eine Handvoll Kleingeld aus der Tasche. »Es ist eine lange Geschichte, Rache. Vielleicht erzähle ich sie dir irgendwann einmal. Aber nicht heute. Ich werde wohl deinen Rat beherzigen und versuchen, noch ein wenig zu schlafen.«

Rache blickte stirnrunzelnd auf die Kupfermünzen, mit denen Skar bezahlt hatte. »Steck dein Geld weg«, sagte er. »Du warst heute mein Gast.«

Skar zögerte einen Moment, nickte dann dankbar und strich das Geld wieder ein, bevor Rache seinen Entschluß bereuen und es sich anders überlegen konnte. Stolz ist eine gute Sache - solange man ihn sich leisten kann. »Danke.«

Rache grinste. »Nichts zu danken. Du bist eine Menge Geld für mich wert. Betrachte es als deinen Anteil.«

»Ich hoffe, du verlangst keinen Schadenersatz von mir, wenn ich den Kampf verlieren sollte«, sagte Skar mit einem halbherzigen Lächeln.

Rache seufzte. »Seit wann bist du so empfindlich?« fragte er in einem Tonfall, als bemühe er sich verzweifelt, einem störrischen Kind gegenüber nicht die Geduld zu verlieren. »Cubic streut seit Wochen das Gerücht aus, daß der Kampf manipuliert ist und ihr absichtlich verlieren werdet. Aber das macht er vor jedem großen Kampf, um die Wettquoten in die Höhe zu treiben. Und es gibt immer wieder genug Dummköpfe, die darauf hereinfallen.« Er zuckte ein paarmal hintereinander die Achseln, fuhr sich mit dem Daumen über die ungepflegten Bartstoppeln auf seinem Kinn und schenkte Skars Becher nun doch voll. »Spül deinen Ärger hinunter.«

Skar seufzte, nahm einen winzigen Schluck - kaum genug, um die Lippen zu benetzen - und stellte den Becher sorgsam auf den feuchten Fleck auf der Theke zurück. »Laß gut sein«, murmelte er. »Ich gehe jetzt besser. Vielleicht finde ich Del doch noch irgendwo.« Er verabschiedete sich mit einem knappen Kopfnicken und ging rasch hinaus.

Sein Umhang tropfte noch immer vor Nässe, und als er auf die Straße hinaustrat, raubte ihm der eisige Wind für einen Moment den Atem.

Er blieb unschlüssig unter der Tür stehen, drehte das Gesicht aus dem Wind und starrte die Straße hinab. Da und dort schimmerte bereits ein erster zaghafter Lichtstrahl unter einer Türritze oder einem geschlossenen Laden hervor, und die Sonne, die über den unsichtbaren Horizont gestiegen war, während er sich in der Schänke aufgehalten hatte, versah die kantigen Zinnen der Stadtmauer mit einem flackernden Kranz trübroten, feurigen Lichts.

Er sah flüchtig nach oben und verzog das Gesicht. Der Himmel war hinter einer tiefhängenden, brodelnden Wolkenmasse verborgen, die da und dort den orangeroten Schein des Sonnenaufganges reflektierte, und aus der Regenschleier wie unzählige dünne, peitschende Arme auf die Stadt herabgriffen. Es würde auch heute nicht richtig hell werden. Der Sturm hatte an Kraft verloren, aber es war wohl nur eine Atempause, nach der er mit größerer Wut wieder losbrechen würde.

Skar überlegte einen Moment, ob er den Umweg in Kauf nehmen und noch ein paar Freudenhäuser aufsuchen sollte, um zu sehen, ob er Del irgendwo traf, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Er würde nur einen Streit provozieren, wenn er Del in einer Umgebung aufstöberte, in der er sein Gesicht wahren mußte. Nein - was es zwischen ihnen zu bereden gab, gehörte nicht an die Öffentlichkeit. Er würde es unter vier Augen klären.

Genaugenommen konnte er Del sein Verhalten nicht einmal verübeln. Der Satai war jung, und Ikne war keine Stadt, in der ein junger Mann auf seine Kosten kam. Sogar er selbst verspürte in letzter Zeit eine immer stärkere Unruhe, und er kam sich mehr und mehr wie ein Gefangener vor, und die mächtigen grauen Mauern schienen ihm eher Fessel als Schutz zu sein. Es gab keinen sichereren Ort zum Überwintern als die reiche Händlerstadt an den Ufern des Besh mit ihren uneinnehmbaren Mauern, ihrer Wärme und Sicherheit, aber ihre Einwohner zahlten für diesen Luxus mit Unfreiheit und der Tyrannei der Priesterkönige und ihrer Garden. Sechs Monate waren vergangen, seit sie nach ihrem fehlgeschlagenen Versuch, die Nonakesh-Wüste zu überwinden und an den Küsten des Nebelmeeres nach Norden zu ziehen, zurückgekehrt waren, sechs Monate, in denen sie in dieser Stadt wie in einem goldenen Käfig festsaßen.