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Skar atmete innerlich auf, als er daran dachte, daß sie in wenigen Stunden schon fortgehen konnten. Cubic hatte ihre verzweifelte Lage sofort erkannt und ihnen für den Kampf weit weniger geboten, als ihnen zustand. Aber es würde immer noch reichen, um nach dem Abzug ihrer Schulden Pferde und Sättel für sich und Del zu erstehen und wegzureiten. Vielleicht würden sie den Besh hinab nach Endor ziehen, um dort den Winter abzuwarten. Es war zu spät, sich jetzt noch dem Zug gegen die Quorrl anzuschließen. Dafür war im nächsten Frühjahr noch immer Zeit genug - falls die Gefahr dann noch existierte.

Ein leises Knarren drang in seine Gedanken, das Geräusch der rostigen Angeln, als die Tür rasch geöffnet und dann gegen die Kraft des Windes mit einem Ruck wieder geschlossen wurde. Er drehte sich um und legte den Kopf schief, um durch die peitschenden Regenschleier erkennen zu können, wer ihm da gefolgt war.

Es war die Frau, die ihm schon drinnen in der Taverne aufgefallen war. Sie trug jetzt einen bodenlangen, braunen Umhang, unter dessen Kapuze nur ein schmaler Streifen ihres Gesichts zu erkennen war, und der lange, in Tücher eingehüllte Gegenstand in ihren Händen war eindeutig ein Schwert. Sie blieb einen Moment unter dem Türsturz stehen, überzeugte sich mit einem raschen Blick davon, daß sie wirklich allein mit Skar auf der Straße war, und trat dann auf ihn zu.

»Mein Name ist Gowenna«, sagte sie. Sie sprach leise, aber ihre Stimme hatte einen festen, selbstsicheren Klang. Es war die Stimme eines Menschen, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen. »Du bist Skar, der Satai.« Für einen winzigen Moment schienen die flackernden Schatten von der grauen Mauer auf sie überzuspringen und ihr Gesicht hinter einem düsteren Schleier zu verbergen. »Ich habe mit dir zu reden.«

Skar starrte sie drei, vier Sekunden lang durchdringend an, aber Gowenna hielt seinem Blick gelassen stand. Es gab nicht viele Menschen, die das konnten.

»Ein seltsamer Ort für ein Gespräch«, sagte Skar.

»Was ich dir zu sagen habe, ist nicht für jedermanns Ohren bestimmt. Erst recht nicht für die eines schwatzhaften Wirts. Ich habe einen Auftrag für dich und deinen Freund.«

»Du?« fragte Skar zweifelnd.

Gowenna machte eine ungeduldige Bewegung mit dem verhüllten Schwert. »Ich oder jemand, für den ich spreche, das bleibt sich gleich. Bist du interessiert?«

Skar schluckte die scharfe Antwort, die ihm auf der Zunge lag, herunter und rang sich ein nichtssagendes Eächeln ab. »Das kommt ganz darauf an, was du von mir willst. Und was du bietest«, fügte er nach einer winzigen Pause hinzu.

Auf Gowennas Gesicht schien sich für einen winzigen Moment fast so etwas wie Verachtung zu spiegeln. »Um Geld brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, sagte sie abfällig. »Wenn das alles ist, was dich interessiert. Folge mir.« Sie wandte sich um und wollte vor Skar die Straße hinabgehen, aber er vertrat ihr rasch den Weg. »Nicht so eilig«, sagte er. »Ich habe nicht gesagt, daß ich dich begleiten werde. Ich weiß weder, wer du bist, noch -«

»Du wirst es rechtzeitig erfahren«, unterbrach ihn Gowenna. »Komm jetzt - mein ... Auftraggeber erwartet dich.« Sie schob ihn mit einer überraschend kräftigen Bewegung zur Seite, zog die Kapuze zum Schutz gegen den Regen tiefer in die Stirn und eilte die Straße hinab, ohne sich noch einmal umzusehen. Sie schien vollkommen sicher zu sein, dab Skar ihr folgen würde.

Skar zögerte aber merklich, das zu tun. Es war nicht so, daß er Angst hatte - hätte diese seltsame Frau ihn in eine Falle locken wollen, hätte sie es sicher geschickter anstellen können. Außerdem wußte er sich seiner Haut durchaus zu wehren.

Aber etwas war in ihm, das ihn warnte, eine unhörbare, drängende Stimme, die ihm zuflüsterte, auf der Stelle kehrtzumachen und so schnell wie möglich zur Arena zurückzugehen.

Doch er tat es nicht.

Gowenna hatte gesagt, daß es nicht weit sei, aber sie durchquerte das Händlerviertel zur Gänze, ehe sie das erste Mal stehenblieb. Die Straßen waren noch immer menschenleer, und fast, als wolle die Natur den Umstand, daß es hell und wärmer geworden war, ausgleichen, hatte es stärker zu regnen begonnen. Der Wind trieb die grauen Schleier jetzt beinahe waagerecht vor sich her, und Skar mußte vornübergebeugt und mit gesenktem Kopf gehen, um überhaupt noch atmen zu können. Er begann sich mit jedem Schritt unwohler zu fühlen, aber er schrieb diesen Umstand der Kälte und seiner Erschöpfung zu, obwohl er wußte, daß es in Wirklichkeit nicht so war. Irgend etwas an dieser Frau, an ihrem Auftreten und der Art, in der er ihr begegnet war, beunruhigte, irritierte ihn. Das Zusammentreffen mit ihr war kein Zufall gewesen. Sie hatte in der Taverne auf ihn gewartet, als hätte sie genau gewußt, daß er käme. Es war nicht das erste Mal, daß Skar auf eine Frau traf, die eine Waffe führte und sie offensichtlich auch zu benutzen wußte, aber er war selten jemandem - gleich, ob Mann oder Frau - begegnet, den eine so unerschütterliche Aura von Stärke und Selbstsicherheit umgab. Und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wozu jemand wie sie die Hilfe eines Satai benötigte, welche Aufgabe diese Frau für ihn und sein Schwert hatte, die sie nicht selbst zu lösen imstande gewesen wäre. Satai waren Söldner, Männer, die ihre Waffenarme verkauften, trotz aller Ideologie Krieger, Krieger für Geld. Diese Frau brauchte keinen Krieger. Skar zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß Gowenna mit dem Schwert kaum weniger gut umzugehen wußte wie er selbst oder Del.

Er ertappte sich dabei, wie seine Hand unter dem Umhang nach dem Griff des Tschekal tastete. Das Metall fühlte sich kalt und feucht an; die kurze Zeit, die er in RACHES WACHT gewesen war, hatte nicht genügt, die Kühle daraus zu vertreiben. Trotzdem fühlte es sich gut an. Etwas von der Stärke eines Satai steckte in seiner Waffe. Wenn es wirklich eine Falle war, in die er lief ... Skar vertrieb den Gedanken mit einem ärgerlichen Kopfschütteln und zog die Hand rasch von der Waffe zurück. Ikne war eine Stadt des Friedens, trotz ihrer titanischen Mauern und der waffenstarrenden Wehrtürme, die das flache Land überragten. Der Gedanke an einen Überfall war in Ikne ungefähr so absurd wie die Vorstellung eines Hagelsturmes mitten in der Wüste. Aber vielleicht war es gerade diese Ruhe, die Sicherheit, die das Wort Ikne in diesem Teil der Welt repräsentierte, welche ihn unsicher werden ließ. Je länger er hier war, desto öfter wandten sich seine Gedanken Kampf und Tod zu; jede Stunde, die er in Frieden und Muße genoß, schien etwas in seinem Inneren zu wecken, etwas, das ihm gleichermaßen bekannt wie furchterregend vorkam, eine unbestimmbare Sehnsucht nach Kampf und Schlachtenlärm und Krieg.

Er ging schneller, um Gowenna einzuholen. Sie hatte bisher nicht ein einziges Mal zurückgeschaut. Selbst, als sie vorhin stehengeblieben war, hatte sie es nur getan, um einen raschen Blick in eine Seitenstraße zu werfen, als wolle sie sich davon überzeugen, daß sich ihnen auch wirklich niemand an die Fersen geheftet hatte. Trotz ihrer Stärke wirkte sie auf seltsame Weise gleichzeitig furchtsam, wie jemand, der sich seiner Kraft bewußt war, gleichzeitig aber auch wußte, daß er diese Stärke nicht einsetzen konnte.

Skar holte sie mit ein paar raschen Schritten ein, ergriff ihre Schulter und zwang sie stehenzubleiben. »Wohin gehen wir?« fragte er unwirsch.

Gowenna wandte den Kopf und sah ihn mit einem undefinierbaren Blick an, drehte sich jedoch nicht herum, obwohl er fest zupackte und sein Griff sie schmerzen mußte. Das fahle Licht überzog ihr Gesicht mit grauen Schatten, ließ sie gleichsam zu einem Geschöpf der Dämmerung werden. Überhaupt schien alles an ihr grau zu sein - ein Grau, das mit jedem Schritt, den sie sich weiter in den Morgen hineinbewegte, an Kraft gewann. Ihr Gewand, die Sandalen, der Schleier, mit dem sie wohl normalerweise ihr Antlitz verhüllte und der nun in der Art eines Halstuches unter ihrem Kinn zusammengeknotet war, selbst das schwarze Haar schien von grauen Schatten durchwoben zu sein. Der Gedanke weckte eine Erinnerung in Skar, aber sie entschlüpfte ihm wieder, bevor er sie fassen konnte.