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Skar lächelte geringschätzig. »Große Worte, Errish«, sagte er. Plötzlich hatte er Lust, sie zu verletzen, und er legte alles an Hohn und Spott, was er aufbringen konnte, in seine Stimme. »Sehr große Worte. Aber Ihr erwartet doch nicht, daß ich darauf hereinfalle, oder?« Er stand auf, trat auf Vela zu und musterte sie herablassend. »Ihr habt versucht, mich zu kaufen«, stellte er fest. »Zuerst mit Schmeicheleien, dann mit Geld. Jetzt appelliert Ihr an mein Gewissen. Was kommt als nächstes? Werdet Ihr versuchen, mir zu drohen?«

»Ich könnte es«, erwiderte Vela ungerührt. »Aber ich verzichte darauf, Skar. Ich könnte Euch zwingen, mir zu Diensten zu sein, aber ich hätte Euch lieber als freiwilligen Verbündeten. Es widerstrebt mir, einen Mann zu etwas zu zwingen, zu dem er nicht aus freien Stücken bereit ist. Doch ich könnte es.«

Skar setzte zu einer wütenden Antwort an, aber irgend etwas in Velas Blick ließ ihn verstummen. Er wußte, daß ihre Worte keine leeren Drohungen waren. Sie konnte ihn zwingen. Und sie würde es tun, wenn er ihr keine andere Wahl ließ.

Sein Blick wanderte über die schlanke, in fließendes Grau gekleidete Frau. Sie wirkte zart, beinahe zerbrechlich, aber gleichzeitig auch fast übermenschlich stark und kraftvoll. Sie stand keinen halben Schritt vor ihm, und doch war in ihrem Gesicht nicht das geringste Anzeichen von Furcht oder Respekt zu lesen. Skar war es gewohnt, die Leute bei seinem Auftreten zusammenfahren oder zurückweichen zu sehen, nicht nur, weil er ein Satai war, sondern schlicht wegen seiner imponierenden Gestalt. Er überragte Vela um anderthalb Haupteslängen, und er kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, wie furchteinflößend sein zernarbtes Gesicht auf jemanden wirken konnte, der ihn nicht kannte. Nichts von alledem war bei Vela zu bemerken. Im Gegenteil - je länger er ihrem Blick ausgesetzt war, desto schwächer und unsicherer begann er sich zu fühlen. Es war kein Duell mehr zwischen Skar und Vela, sondern zwischen dem, was sie verkörperten - einem Sara; und einer Errish, einer Frau, deren Wort Befehl war, und einem Mann, der geschworen hatte, sich keinem Befehl zu beugen, der gegen sein Gewissen ging. Es war ein Kampf zwischen zwei Weltanschauungen, und die eine wie die andere war nie in Frage gestellt worden.

Und er wußte plötzlich, daß er diesen Kampf verlieren würde. Es war nicht das erste Mal, daß er einer der Grauen Hüterinnen gegenüberstand. Aber es war das erste Mal, daß er begriff - oder zu begreifen begann -, was sie wirklich waren.

»Es ist... unmöglich«, sagte er nach einer Ewigkeit. Seltsamerweise schien ihm das Sprechen mit einem Mal Mühe zu bereiten. Die Worte kamen schleppend, langsam, als gäbe es da etwas in seinem Inneren, das ihn gegen alle Vernunft hindern wollte, sie auszusprechen. »Ich ... kann es nicht. Sucht Euch einen anderen.« Velas Blick wurde hart. »Überlegt Euch Eure Antwort gut, Satai«, sagte sie spröde.

Skar raffte alle Kraft zusammen, die er noch aufbringen konnte. Er spürte, daß er nicht mehr lange standhalten würde. Er hatte sich einen Kampf aufzwingen lassen, dem er nicht gewachsen war, ein Duell, das mit ihren Waffen und nach ihren Regeln geführt wurde und das er vom ersten Augenblick an verloren gehabt hatte. Er mußte weg. Sofort.

»Die Antwort ist nein«, sagte er noch einmal. »Ich gebe Euch mein Wort als Satai, daß nichts von dem, was ich hier erfahren habe, jemals über meine Lippen kommen wird, aber das ist auch schon alles. Es tut mir leid.«

Vela nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. »Ich ahnte, daß Ihr so entscheiden würdet«, sagte sie bitter. »Ich glaube, ich wäre fast enttäuscht gewesen, wenn es anders gekommen wäre.«

»Warum habt Ihr mich dann rufen lassen?«

»Ich wollte Euch eine Chance geben, Skar«, antwortete Vela ruhig. »Ich wollte fair sein. Vielleicht ein Fehler, aber ich war es mir schuldig. Mir und Euch.« Sie brach ab, schwieg einen Moment und bückte sich dann mit einer raschen Bewegung nach ihrem Umhang. »Geht jetzt«, sagte sie. »Geht und denkt über meine Worte nach. Ich werde Gowenna vor dem Kampf zu Euch senden.« Sie streifte das Cape über, ging an ihm vorbei zur Tür und drehte sich noch einmal um, ehe sie das Zimmer verließ.

»Aber bedenkt eines, Skar«, sagte sie sehr langsam, sehr leise und sehr ernst. »Dieses Mal komme ich noch als Bittstellerin. Das nächste Mal fordere ich.«

Sie brauchten den Rest des Tages, um den Fuß des Gebirges zu erreichen. Es wurde wieder kälter, und als sie mit Einbruch der Dämmerung den Pfad verließen und sich ostwärts in Richtung Combat wandten, befanden sie sich unversehens wieder in einer Landschaft aus Schnee, Kälte und bizarren Eisgebilden. Der Sog des Feuersturmes über Combat trug die heiße Luft weit in die Höhe, ehe sie sich zu verteilen begann und mit ihrer Wärme Eis und Schnee der Schattenberge abschmolz. Hier unten war es kalt, noch kälter als oben in den Bergen.

Skar ließ die Gruppe trotz der vorgerückten Stunde weiterreiten. Bisher hatten sie stets Rast gemacht, sobald die Sonne unterging, um am nächsten Morgen mit dem ersten Schimmer des Tageslichts weiterzuziehen, aber er sah sich jetzt gezwungen, von diesem Schema abzuweichen. Ihr Vorrat an Brennmaterial war aufgebraucht, und nicht einmal Tantor konnte ohne Holz Feuer und Wärme herbeizaubern. Eine weitere Nacht bei Eis und Schnee würden sie nicht überstehen. Zudem hätte ohnehin keiner von ihnen jetzt schlafen können. Nervosität und Furcht hatten sich nicht gelegt, sondern waren im Gegenteil stärker geworden; Combat war kein Schrecken, an den man sich gewöhnen konnte, nichts, das sein Grauen verlor, wenn man nur lange genug hinsah - im Gegenteil. Morgen, spätestens übermorgen würden sie dort drüben sein, inmitten dieses weißglühenden Infernos. Skar hatte eine Zeitlang vergeblich versucht, nicht nach Osten zu sehen, aber die feurige Lohe über dem Horizont hatte ihn bereits in ihren Bann geschlagen. Der Wind wurde stärker, je weiter sie sich vom Gebirge entfernten. Hatten ihre Pferde zuerst noch eine Spur aus tiefen, aufgeworfenen Löchern im Schnee hinterlassen, so ritten sie jetzt inmitten einer Wolke aus wirbelndem, trockenem Weiß, Schnee, der wie feinkörniger Sand unter ihre Kleidung und in ihr Haar kroch, ihre Atemzüge in kleine Dampfwölkchen verwandelte und die Luft in ihren Lungen brennen ließ. Skar hatte sich wieder in seinen Mantel gehüllt, aber das Fell schien nicht mehr zu wärmen, als hätte sein Körper, einmal aus der Kälte heraus, jegliche Widerstandskraft verloren.

Die Nacht kam schnell und ohne Warnung. Die Sonne versank, verschmolz für einen kurzen Moment mit den brennenden Unter-Seiten der Wolken und erlosch wie eine Kerzenflamme, deren Docht abgeschnitten wurde. Aber es wurde nicht dunkel. Wie um das Fehlen der Sonne auszugleichen, schien sich die Glut Combats zu verstärken, heller und schmerzhafter zu lodern und den Himmel mit Licht und Feuer und brennendem Rot zu überziehen. Der Schnee reflektierte das Rot der Flammen und verwandelte sich in Blut, erstarrtes, halbgeronnenes Blut, das an den Beinen der Pferde zerrte und sie festzuhalten versuchte.

Jemand berührte ihn an der Schulter. Es war Arsan. Der Kohoner hatte sein Pferd neben das von Skar gelenkt und deutete nun mit ausgestrecktem Arm nach Osten.

»Der Schnee endet dort vorn!« schrie er, das Heulen des Sturmes übertönend. »Wir sollten bald rasten!«

Skar nickte. Er fühlte sich zwar nicht müde, aber das besagte nichts. Sie würden ihre Kräfte am kommenden Tag brauchen. Er warf Arsan ein aufmunterndes Lächeln zu, sah sich flüchtig nach den anderen um und ritt schneller. Der Schnee hörte wirklich auf, verwandelte sich auf einer Strecke von nicht einmal fünfzig Schritten zuerst in klebrigen, braunen Morast, dann in Wasser, das in winzigen gurgelnden Bächen abfloß und im Boden versickerte. Gleichzeitig wurde es merklich wärmer, als überschritten sie eine unsichtbare Grenze. Der Wind wehte immer noch eisig und schneidend vom Gebirge herab, aber Skar spürte jetzt den warmen, schon fast unangenehmen Hauch des Feuers auf Gesicht und Händen. Von hier unten, vom Tal aus, konnten sie die Stadt deutlicher erkennen. Noch waren sie Meilen von ihrer äußeren Begrenzung entfernt. Die Flammen wuchsen, wie auch die Stadt, zum Zentrum hin an, verwandelten sich von einem glosenden, flackernden Teppich am Rande zu einer brüllenden Feuersäule über dem Zentrum der Stadt, bildeten einen gigantischen, Meilen hohen Turm aus Glut und waberndem Licht, der gierig nach den Unterseiten der Wolken zu lecken schien. Es sah aus, als brodele vor ihnen ein ungeheurer Pilz aus Flammen.