»Wie meinst du das?«
Cubic sah ärgerlich auf. »Wir sind allein, Skar«, sagte er unwillig. »Du weißt, wie ich es meine. Es ist nicht notwendig, daß du dich verstellst. Biete den Leuten etwas für ihr Geld. Sie kommen nicht wegen irgendeines Kampfes, Skar, sondern um euch zu sehen, Del und dich, zwei Satai. Sie wollen nicht sehen, wie ihr in die Arena geht und die beiden mit einem Hieb niederstreckt. Sie wollen einen Kampf, einen guten Kampf, nach all der Stümperei, die ich ihnen monatelang bieten mußte. Zeige ihnen etwas. Spiel ein bißchen mit den beiden.«
Skar grinste. »Ich hoffe, der Lastar der Kohoner ist damit einverstanden«, sagte er.
Cubic machte eine zornige Handbewegung. »Ich dachte, du wärst vernünftig genug, daß ich offen mit dir reden kann«, sagte er wütend. »Ich habe das Beste ausgesucht, was ich finden konnte. Geh durch die Stadt und frage wen du willst - diese beiden sind seit Monaten die erfolgreichsten Kämpfer, die ich veipflichten konnte. Es tut mir leid, wenn ich euch nichts Besseres bieten kann, es tut mir leid für euch und für mich. Ich bin mir darüber im klaren, daß es keine Ehre für zwei Satai wie euch bedeutet, einen solchen Kampf zu führen. Aber es ist auch keine Ehre für mich, einen solchen Kampf zu veranstalten. Ich kann euch nichts Besseres bieten, es sei denn, ihr hättet Lust, gegen die Bantas anzutreten.«
Skar setzte zu einer weiteren spöttischen Antwort an, ließ es dann aber bleiben. Irgend etwas sagte ihm, daß Cubics Worte ehrlich waren. Der Lastar kannte ihn lange genug, um wissen zu müssen, daß es nicht ratsam war, ihn zu belügen.
Nach einer Weile nickte er. »Gut«, sagte er. »Ich werde mit Del darüber reden.«
Cubic nickte erleichtert. »Ruh dich noch ein wenig aus, Skar«, murmelte er. »Die Menge erwartet einen guten Kampf für ihr Geld.«
Skar grinste. »Und wir gutes Geld für den Kampf«, gab er zurück.
»Es wird bereitliegen, wenn der Kampf vorüber ist«, antwortete Cubic. »Auch die beiden Pferde, die ihr gefordert habt. Ich habe zwei Tiere aus meinem eigenen Stall herausgesucht. Ihr werdet zufrieden sein.«
»Deine Großzügigkeit beschämt mich wirklich«, sagte Skar. »Ich werde mir Mühe geben, deine Erwartungen zu erfüllen.«
Cubic wandte sich achselzuckend ab und ging. Skar starrte ihm lange und finster nach. Bei dem Geschäft, das sie abgeschlossen hatten, war der Lastar eindeutig der, der mehr verdiente. Er würde Skars Worte vergessen, wenn er nach dem Kampf sein Geld zählte. Skar ging zurück in die Vorhalle, blieb einen Moment unschlüssig stehen und wandte sich dann nach rechts. Ihr Quartier lag tief unter der Halle, eine winzige, fensterlose Kammer am Ende eines niedrigen Ganges, der schon außerhalb der Arena und tief unter den Straßen der Stadt lag. Die Luft war schlecht hier unten, verbraucht und kalt, und Skar hatte ständig das Gefühl, sich in einer gewaltigen, seit langem leerstehenden Gruft aufzuhalten. Aber schließlich hatten Del und er froh sein müssen, daß Cubic ihnen diese Kammer zur Verfügung gestellt hatte, als sie vor sechs Monaten, am Ende ihrer Kräfte und ohne Geld, nach Ikne zurückgekehrt waren. Vielleicht, überlegte er, war sein Zorn auf den Lastaren nicht so berechtigt, wie er bisher geglaubt hatte. Sie waren dankbar gewesen, damals, aber die sechs Monate Beinahe-Gefangenschaft in der Stadt hatten sie ungeduldig werden lassen. Immerhin lebten sie seit einem halben Jahr auf Cubics Kosten, nicht gut, aber auch nicht so schlecht, daß sie hungern mußten.
Er betrat die Kammer, riß sich den Umhang von der Schulter und knüllte ihn ärgerlich zusammen. Die Gestalt auf dem Bett bemerkte er erst, als er sich herumdrehte.
»Du bist schon zurück?« fragte er beißend. »Welche Überraschung! Ich hatte kaum gehofft, dich vor dem nächsten Frühjahr noch einmal zu sehen.«
Del grunzte irgend etwas, das Skar nicht verstand, stemmte sich ächzend auf beide Ellbogen hoch und blinzelte Skar aus verquollenen Augen an. »Isseschonsoweit?« nuschelte er.
Skar mußte an sich halten, um nicht loszuschreien. »Wenn du den Kampf meinst«, sagte er mit mühsam beherrschter Stimme, »nein. Du hast noch genug Zeit, deinen Rausch auszuschlafen. Wenn du aber meinst, ob meine Geduld mit dir zu Ende ist, dann lautet die Antwort ja.«
Del grinste, schwang die Beine vom Lager und hielt sich im letzten Moment an der Tischkante fest, um nicht nach vorn zu kippen. Er schwankte, verbarg das Gesicht in den Händen und rieb sich mit beiden Zeigefingern über die Augen. »Oh, ihr Götter«, murmelte er zwischen den Fingern hervor, »war das eine Nacht! Und ich dachte bisher, Ikne wäre eine langweilige Stadt.« Er kicherte. »So kann man sich täuschen, Skar.«
Skar atmete hörbar ein. Del sah wirklich mitgenommen aus. Sein schwarzes Haar hing ihm wirr und zerzaust in die Stirn, und seine Augen wirkten glasig. Das Gesicht wirkte unnatürlich blaß und wächsern, und die Wein- und Fettflecken auf seinem Hemd sprachen ihre eigene Sprache.
»Bist du nüchtern genug, um mir zuzuhören, oder soll ich warten, bis du ausgeschlafen hast?« fragte Skar. Seine Stimme bebte. Del sah auf, blickte ihn einen Herzschlag lang fast erschrocken an und grinste dann wieder. »Rede ruhig«, sagte er. »Ich kann mir vorstellen, was du zu sagen hast. Aber wenn du fertig bist, muß ich dir von dem Mädchen erzählen, das ich kennengelernt habe. Eine Figur wie eine Göttin, sage ich dir. Und Augen -«
»Es reicht«, unterbrach ihn Skar. »Deine Weibergeschichten interessieren mich im Augenblick wirklich nicht.«
Del schüttelte mißbilligend den Kopf, versuchte sich an der Tischkante hochzuziehen, sank aber wieder zurück. »Das würdest du nicht sagen, wenn du sie kennen würdest«, behauptete er. »Ein Traumweib, sage ich dir. Ein -«
Skar brachte ihn mit einem wütenden Blick zum Verstummen. Das Lächeln auf Dels Gesicht gefror. »In Ordnung«, seufzte er. »Fang schon an. Ich weiß ohnehin, was kommt, aber wenn es dir Spaß macht...«
»Nein«, sagte Skar. »Es macht mir keinen Spaß. Und du weißt auch nicht, was kommt.« Er brach ab, atmete tief, sehr tief und gezwungen ruhig ein und versuchte sich zu beherrschen. Es ging nicht. Das Chaos in seinem Inneren legte sich nicht, im Gegenteil. Es war, als wäre in ihm plötzlich ein geheimnisvoller Mechanismus in Gang gesetzt worden, etwas, das seine Seele in Aufruhr versetzte und Gefühle in ihm weckte, die ihn selbst erschreckten. Bei allen Göttern! dachte er. Was geschieht mit mir? Aber der Gedanke nutzte nichts. Die Worte sprudelten einfach aus ihm heraus. »Es wäre wohl sinnlos, dir ins Gewissen reden zu wollen«, sagte er.
Del grinste. »Dann laß es.«
»Du bist kein Kind mehr, Del«, fuhr Skar, noch wütender durch Dels unerschütterliches Feixen, fort. »Und ich bin es endgültig leid, ständig wie eine Amme auf dich achtgeben zu müssen. Ich will dir nicht ins Gewissen reden, ich will dir nur etwas sagen. Und ich rate dir zuzuhören, denn ich werde es nicht wiederholen, Del.«
Das Lächeln auf Dels Gesicht wirkte nicht mehr ganz so echt wie noch vor wenigen Augenblicken.
»Ich gebe dir Zeit bis nach dem Kampf«, fuhr Skar fort. »Du kannst dich entscheiden, Del. Entweder du machst weiter wie bisher, oder du änderst dich. Ich habe weder etwas gegen Frauen noch gegen Wein, aber alles zu seiner Zeit. Ich zwinge dich zu nichts, Del. Es ist deine Entscheidung, ganz allein. Aber bedenke, daß Ikne zwei Tore hat. Es liegt allein an dir, ob du die Stadt durch das gleiche Tor wie ich verläßt.«
Zehn, fünfzehn endlose Sekunden kreuzten sich ihre Blicke, und was Skar in den Augen des jungen Satai las, war mehr als Schrecken. Dels Blick flackerte. Für einen Moment spiegelten sich alle nur denkbaren Empfindungen darin wider: Trotz, Arger - doch auch beinahe so etwas wie Einsicht und Reue.
Aber natürlich sagte er nichts.
Er wäre nicht Del gewesen, wenn er es getan hätte. Und auch Skar schwieg. Jetzt, erst jetzt, nachdem Skar die Worte ausgesprochen hatte, begriff er wirklich, was er gesagt hatte. Und sie taten ihm fast im gleichen Moment schon wieder leid. Er war verärgert, zu Recht verärgert, aber seine Worte hatten das Maß des Angemessenen bei weitem überschritten. Doch so wie Del wider besseres Wissen schwieg - aus Stolz oder Trotz oder vielleicht nur aus Verstocktheit -, so schwieg auch Skar, obwohl alles in ihm danach schrie, sich zu entschuldigen. Es wäre leicht gewesen. Ein Wort, ein Lächeln nur, doch wie so oft war auch hier der winzigste Schritt der schwerste.