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Schließlich wandte sich Skar mit einem Ruck um und stapfte aus dem Zimmer. Del blieb allein zurück.

Das Toben der Menge war selbst durch die mannsdicken Mauern und die geschlossenen Tore deutlich zu hören.

Der steinerne Boden unter ihren Füßen schien im Rhythmus der Stimmen zu beben, und die Luft vibrierte unter dem anfeuernden Brüllen aus Hunderten und Aberhunderten von Kehlen. Der Auftritt der Bantas war vorüber, aber der Kampf der beiden geschuppten Giganten hatte den Blutdurst der Menge nicht gestillt, sondern im Gegenteil erst richtig geweckt.

Skar kontrollierte zum letzten Mal seine Ausrüstung. Er hatte es schon zweimal getan, seit sie aus ihrem Quartier hier heraufgekommen waren, aber seine Bewegungen waren jetzt kaum weniger sorgfältig.

Eine perfekt sitzende Kleidung war wichtig, vielleicht lebenswichtig. Eine lose Schnalle, ein schlecht sitzender Riemen oder ein loser Verschluß hatten schon so manchen Kampf vorzeitig beendet. »Fertig?« fragte Cubic.

Skar sah auf, schenkte dem Lastaren ein nichtssagendes Lächeln und blickte an ihm vorbei zum Tor. Der gußeiserne Riegel war bereits zurückgezogen, und beiderseits des bogenförmigen Durchgangs standen Männer in den dunkelroten Roben der Arenadiener bereit, die tonnenschweren Torflügel auf einen Wink Cubics nach innen zu ziehen.

Aber noch war es nicht soweit. Sie hatten noch ein bißchen Zeit bis zum Kampf.

Skar fuhr fort, die Schnallen und Verschlüsse seiner Ausrüstung zu kontrollieren. Er zog das Schwert ein paarmal rasch hintereinander halb aus der Scheide, stieß es zurück und tastete prüfend über die fünfzackigen Wurfsterne, die an seinem Gürtel aufgereiht waren. Sie hatten sich im letzten Augenblick dazu entschlossen, ihre schweren Kampfpanzer gegen leichte Lederharnische und Umhänge einzutauschen. Das Wetter hatte sich im Laufe des Nachmittages weiter verschlechtert; aus dem nieselnden Regen waren Sturzbäche von grauem, eiskaltem Wasser geworden, und der Wind hatte aufgefrischt und war fast zum Sturm geworden. Es würde kein elegantes Fechten geben. Nicht bei diesem Wetter und dem Boden. Die Kohoner würden sich einzig auf ihre Wurfmesser und ihre Kraft verlassen; beides Dinge, die Skar nicht abschätzen konnte. Aber eine schwere Rüstung würde nur hinderlich sein. In ihren leichten Harnischen konnten sie einem geschleuderten Messer vielleicht ausweichen, und die Umhänge dienten nur zum Schein der Verschönerung - in den Händen eines Mannes, der damit umzugehen verstand, war eine fünf Fuß lange Stoffbahn eine gefährliche Waffe.

Sein Blick begegnete dem Dels. Sie hatten, seit der häßlichen Szene am Vormittag, kein Wort mehr miteinander gewechselt. Dels Augen hatten schwere, dunkle Ringe, und seine Haut schimmerte im Licht der Fackeln wächsern. Skar sah, daß Dels Hände unmerklich zitterten. Aber das war nichts, was ihn beunruhigen mußte. Del mochte bei weitem nicht im Vollbesitz seiner Kräfte sein, aber schließlich kannte ein Satai mehr als einen Weg, eine momentane Schwäche zu überwinden. Nein - darum machte sich Skar keine Sorgen. Wenn Del durch das Tor trat, würde er der schnelle und verläßliche Partner sein, als den er ihn kannte. Aber der Streit zwischen ihnen war keineswegs beigelegt. Es mochte wie Zufall erscheinen, daß Del sich so postiert hatte, daß Cubic zwischen ihm und Skar stand, aber es war keiner. Natürlich würde sich Skar auf ihn verlassen können, draußen in der Arena - im Kampf waren sie wenig mehr als ein einzelner Mann mit zwei Körpern und vier Armen und Beinen -, aber seine Sorge galt dem Danach. Er hatte wohl an die zwanzigmal an diesem Tag beschlossen, zu Del zu gehen und sich für seine Worte zu entschuldigen, aber irgend etwas hatte ihn regelmäßig davon abgehalten. Und der Ausdruck in Dels Blick sagte ihm, daß es dem jungen Riesen ebenso erging.

Eigentlich, dachte er in einer sonderbaren Mischung aus Ironie und Resignation, benahmen sie sich wie zwei Kinder, die ihren Willen nicht bekamen und sich trotzig in zwei Ecken zurückgezogen hatten. Jeder wußte, daß der andere genauso im Recht oder Unrecht war wie er selbst, aber sie waren beide zu stolz, den ersten Schritt zu tun.

Ein schmetternder, mehrfach gebrochener Posaunenstoß riß ihn aus seinen Gedanken. Er sah auf, starrte eine halbe Sekunde zum Tor hinüber und wandte sich dann mit einem Stirnrunzeln an Cubic.

»Unsere Ehrengäste«, beantwortete der Lastar Skars unausgesprochene Frage. Ein unglückliches Lächeln erschien auf seinen Zügen, wurde aber gleich darauf von einem Ausdruck ängstlicher Nervosität abgelöst. Seine Hände fuhren wie kleine lebende Wesen über seinen Gürtel, und Skar konnte trotz der schlechten Beleuchtung erkennen, daß er schwitzte.

Skar fuhr mit einem Ruck herum, legte die rechte Hand auf den Schwertgriff und starrte schweigend und mit unbewegtem Gesicht zum Tor hinüber. Das Kreischen der Menge war leiser geworden und wurde vom monotonen Prasseln des Regens fast übertönt. »Hat es Sinn, wenn ich euch ... Glück wünsche?« fragte Cubic. Skar mußte gegen seinen Willen lächeln. »Vielleicht nicht«, sagte er. »Aber es schadet auch nicht, und ich -«

Er brach ab, als sich dicht neben dem Tor eine schmale Holztür auftat und eine grauverhüllte Frauengestalt in die Halle hinaustrat. Seine Haltung straffte sich. Cubic blinzelte verwirrt, folgte seinem Blick und zauberte ein paar mißbilligende Falten auf die Stirn. »Das Betreten der Halle ist -«, begann er, brach aber sofort ab, als Skar ihm einen Wink gab.

»Laß gut sein, Cubic«, sagte Skar. »Ich kenne die Frau.«

»Aber sie hat hier nichts verloren«, protestierte Cubic. »Der Kampf beginnt in wenigen Augenblicken und ...«

Skar ging wortlos an ihm vorbei und blieb zwei Schritte vor Gowenna stehen.

»Ihr seid also gekommen«, stellte er fest.

Auf Gowennas Gesicht erschien so etwas wie ein Lächeln. »Habt Ihr daran gezweifelt?«

Skar schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er bedauernd. »Aber ich hatte gehofft, daß Ihr nicht kommt.«

Gowenna machte eine wegwerfende Handbewegung und sah an Skar vorbei zuerst zu Del, dann zu Cubic hinüber. Es fiel ihr schwer, ihre Verachtung zu verbergen, als sie den Lastaren ansah. »Ich sehe, daß Ihr Euch bereits entschieden habt«, sagte sie, ohne Skar anzublicken. »Aber ich muß Euch trotzdem fragen - werdet Ihr kommen?«

Skar schwieg eine ganze Weile. Er hatte Del nichts von seiner Begegnung mit der Errish erzählt, und er hatte - wider besseres Wissen - bis zum letzten Moment gehofft, es auch nicht tun zu müssen. »Nein«, sagte er schließlich. »Und das ist endgültig. Ihr könnt Eurer Herrin ausrichten, daß wir Ikne noch heute abend verlassen werden. Aber auf unserem Weg.«

Zu seiner Überraschung lächelte Gowenna. »Wir haben Eure Antwort vorausgeahnt«, sagte sie ruhig. »Wenn ich trotzdem gekommen bin, dann nur, um Euch eine letzte Chance zu geben. Ist Euer Kamerad mit Eurer Entscheidung einverstanden?«

Skar zögerte einen winzigen Augenblick, aber er zweifelte nicht daran, daß Gowenna es registrierte und wahrscheinlich auch richtig deutete. »Ja«, sagte er.

»Gut. Es ist Eure Entscheidung. Aber von jetzt an ist auch alles, was geschieht, Eure Schuld. Sucht bei Euch selbst, wenn Ihr jemandem die Verantwortung geben wollt.« Sie schenkte ihm einen letzten, beinahe verächtlichen Blick, fuhr mit einem zornigen Ruck herum und verschwand auf dem gleichen Weg, auf dem sie gekommen war.

Skar wartete, bis die Tür hinter ihr ins Schloß gefallen war, ehe er sich herumdrehte und zu Del und Cubic zurückkehrte.