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Er trug keine Schuhe.

Er bewegte sich auf diesem sumpfigen Boden so sicher, als stünde er auf Fels, und er trug keine Schuhe.

Und seine Füße waren nicht die Füße eines Menschen. Sie waren verdreckt und von großen Klumpen des braungrauen Morastes verklebt, aber Skar konnte trotzdem die weit ausemandergespreizten Zehen und die dünnen Schwimmhäute dazwischen erkennen. Und jetzt, endlich, begriff Skar. Die gelassene Ruhe, mit der der angebliche Kohoner in die Arena getreten war, der Chaloc, der Gleichmut, mit dem er den Shuriken und seinen Tritt hingenommen hatte ... Dieser Mann war kein Bewohner Kohons. Er war nicht einmal ein Mensch.

In den Augen des anderen blitzte es auf, als er erkannte, daß Skar seinem Geheimnis auf die Spur gekommen war. Er stieß einen wütenden, an einen schrillen Vogelruf erinnernden Schrei aus, schwang das Schwert hoch über den Kopf und stürmte mit weit ausgreifenden Schritten auf Skar zu. Seine Füße schienen den Boden nicht einmal zu berühren. Skar fing den Schwerthieb auf, taumelte ungeschickt zurück und parierte zwei, drei weitere, mit unmenschlicher Kraft geführte Schläge. Die Klinge schien in seiner Faust zu vibrieren. Sein Gegner war langsam, aber die Hiebe kamen mit der Kraft von Muskeln, die denen eines Bantas nicht viel nachstanden, und wo Skar gegen einen menschlichen Angreifer Zeit gefunden hätte, zwischen zwei Hieben zu kontern, mußte er jetzt alle Willenskraft aufbieten, um nicht vor Schmerz aufzuschreien und seine Waffe fallen zu lassen. Sein Körper bebte unter den unbarmherzig auf ihn niederprasselnden Schlägen, und er spürte mit jeder Parade, jedem Treffer, den seine Klinge und seine verkrampften Schultermuskeln auffingen, wie seine Kräfte mehr erlahmten.

Auf den Rängen über ihm klang jetzt ein unwilliges, vielstimmiges Murren auf. Aber Skar blieb keine Zeit, auf die Menge zu achten. Ein furchtbarer Hieb traf seine Waffe, ließ seinen rechten Arm gelähmt heruntersinken. Er keuchte, brach in die Knie und ließ sich zur Seite fallen. Das Schwert des anderen zischte über seinem Kopf ins Leere. Er fiel auf beide Hände, trat nach dem Knie des vermeintlichen Kohoners und spürte, wie dessen Knochen brach. Der Mann schrie auf, taumelte mit wild rudernden Armen zurück und fiel auf die Knie. Ein gellender, tausendfacher Aufschrei aus den Rängen verschluckte seinen Schmerzenslaut.

Skar bückte sich blitzschnell nach seinem Schwert, sprang auf und watete durch den Morast auf seinen hilflosen Gegner zu. Aber der Mann war noch keineswegs geschlagen. Er duckte sich unter Skars Hieb weg, packte Skars Waffe mit beiden Händen und warf sich nach hinten. Skar wurde nach vorne und in die Luft gerissen, flog mit einem ungeschickten Salto über den Kopf des anderen hinweg und fiel zu Boden. Der klebrige Sumpf dämpfte seinen Sturz ein wenig, aber der Aufprall war trotzdem fürchterlich. Ein grausamer Schmerz zuckte durch Skars Rückgrat, dann, für eine halbe, schreckliche Sekunde, hüllten ihn Dunkelheit und Schweigen ein.

Skar kämpfte die aufkommende Bewußtlosigkeit mit aller Kraft nieder, wälzte sich herum und kam schwankend auf die Beine. Die Arena begann vor seinen Augen zu verschwimmen. Wie durch einen dichten, treibenden Vorhang aus Nebel und Dunkelheit sah er, wie auch sein Gegner wieder hochkam, auf beiden Beinen stand, als wäre das Knie nie gebrochen gewesen, und langsam, waffenlos und mit leicht geöffneten Händen, auf ihn zukam.

Er schüttelte den Kopf, versuchte den Schmerz wegzublinzeln und erreichte dadurch nur, daß ihm schwindelig wurde. Etwas geschah mit ihm, etwas, das er sich nicht erklären konnte und das ihn zutiefst ängstigte. Die Quelle unerschöpflicher Kraft, aus der ein Satai schöpfen konnte, schien in seinem Inneren versiegt zu sein. Es war, als hätte er nie gelernt, die Barrieren in seinem Inneren niederzureißen und jene Energien freizusetzen, die Männer zu Berserkern machen konnten und ihnen jene Taten ermöglichten, denen die Satai ihren Ruf zu verdanken hatten. Er spürte nichts als Leere und Schmerzen und eine unsichtbare Mauer dort, wo sonst die Stimme gewesen war, die ihn selbst in ausweglosen Situationen immer wieder zum Weitermachen angetrieben hatte.

Er stöhnte, rieb sich mit einer fahrigen Geste den schlimmsten Schmutz aus dem Gesicht und versuchte vor seinem Gegner zurückzuweichen. Seine Füße sanken immer wieder im Morast ein; er stolperte mehr, als er ging.

Und er floh! Die Menge über ihm tobte, aber es waren keine Schreie der Begeisterung mehr, die die Arena erschütterten. Was sie sahen, mußte ihnen ungeheuerlich, unglaublich vorkommen. Keiner von denen, die hergekommen waren, um den Kampf zu sehen, hatte wirklich an seinem Ausgang gezweifelt. Und nun mußten sie mitansehen, wie er - der unbesiegbare Satai - von seinem Gegner vor sich hergetrieben wurde.

Der Angriff kam zu schnell, als daß er noch reagieren konnte. Der Kohoner federte in den Knien ein, stieß sich mit ungeheurer Kraft ab und sprang fast waagerecht auf Skar zu. Ein großer, schwimmhäutiger Fuß durchbrach Skars Deckung und traf, der scheinbaren Weichheit seiner Knorpel und Hautlappen Hohn sprechend, Skars Gesicht mit der Wucht eines Hammerschlages. Skar stürzte hintenüber, sank fast vollständig in den zähen Morast ein und kämpfte sich, halb am Rande der Bewußtlosigkeit, hoch. Seine Arme knickten weg, als er versuchte, sich auf Hände und Knie zu erheben. Er konnte nichts mehr sehen. Sein Schädel dröhnte. Noch einmal versuchte er sich hochzustemmen, sank erneut zurück und stieß einen wimmernden Laut aus, als ihn unmenschlich starke Hände wie ein Spielzeug vom Boden hochrissen.

Eine verschwommene, leere Fläche tauchte in den kochenden Schleiern vor seinen Augen auf. Eine Hand, breit und knorpelig und von mörderischer Kraft, legte sich um seine Kehle und drückte zu.

Aber er wehrte sich noch immer. Seine Gedanken waren längst ein einziges Chaos aus Schmerzen und Angst und dumpfer Verzweiflung, aber sein Körper kämpfte weiter, denn er war eine perfekte, ein Leben lang trainierte Maschine, geschaffen zum Töten und Kämpfen. Er riß die Arme hoch, versuchte den mörderischen Würgegriff zu sprengen und hämmerte die Fäuste wieder und wieder in das verschwommene Gesicht über sich. Sein Knie kam hoch, krachte mit gnadenloser Gewalt zwischen die Beine des anderen. Er spürte, wie der Kohoner unter dem Hieb erbebte. Aber der tödliche Würgegriff seiner Hände lockerte sich nicht. Im Gegenteil. Skars Kräfte begannen zu erlahmen. Sein Herz schlug wild und unregelmäßig, und wo seine Lungen gewesen waren, brannten jetzt zwei gnadenlose, quälende Feuer. Er wollte schreien, aber es ging nicht. Noch einmal schlug er mit aller Kraft zu, hämmerte die verschränkten Fäuste mit einer Wucht, die einem Stier das Genick gebrochen hätte, unter das Kinn des Kohoners und spürte, wie er freikam.

Er wankte zurück, rang keuchend nach Luft und brach, kraftlos und ausgepumpt, in die Knie. Ein dumpfes, dröhnendes Rauschen erfüllte seinen Schädeclass="underline" das Geräusch seines eigenen Blutes, vielleicht auch das Schreien der enttäuschten Menge; er wußte es nicht. Als die Faust des Kohoners niedersauste und sein Bewußtsein endgültig auslöschte, war er fast dankbar.

Die Temperaturen waren mit jedem Meter, den sie weiter nach Osten kamen, gestiegen. Es war heiß, so heiß, daß sie die Gesichter von der unbarmherzigen Glut abwenden mußten, und das Brüllen des Feuersturmes hatte weiter an Kraft zugenommen, so daß sie sich nur noch schreiend verständigen konnten und sich, wo immer möglich, auf Zeichen und Gestikulieren beschränkten. Die Sonne war aufgegangen, nachdem sie ihr letztes Nachtlager verlassen hatten und in Richtung Combat aufgebrochen waren, aber ihr Glanz schien in der Feuerflut am Himmel zu ertrinken. Der Wind, der sie die ganze Zeit über begleitet hatte, war zum Sturm, schließlich zum Orkan geworden, der an ihnen vorbeifauchte und dem kochenden Glutofen am Horizont immer neue Nahrung zuführte. Trotzdem wären sie wahrscheinlich längst vor Hitze umgekommen, wäre der Sturm nicht gewesen.