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»Das ist genug«, sagte der Kommandant scharf. »Ihr seid keine dahergelaufenen Söldner, sondern Satai, und deshalb habe ich Euch Eure Chance gegeben. Aber diese lächerlichen Mätzchen sind weder eines Satai noch eines Mannes in meiner Position würdig. Ich weiß nicht, was Ihr damit bezweckt habt, aber wenn Ihr glaubt, daß ich darüber lache, so muß ich Euch enttäuschen. Ihr werdet jetzt in die Zwingfeste gebracht. Vielleicht fällt Euch im Kerker eine bessere Ausrede ein.«

»Aber das sind nicht die Männer, gegen die wir gekämpft haben !« protestierte Del. »Die zwei, die uns in der Arena gegenüberstanden, waren Sumpfleute!«

Dem Gesicht des Kommandanten war nicht die geringste Regung abzulesen. »Ihr enttäuscht mich immer mehr, Satai«, sagte er ruhig. »Eure beiden Komplicen wurden festgenommen, bevor sie die Arena verlassen konnten.«

»Aber sie sind nicht das, was sie zu sein scheinen!« keuchte Del verzweifelt. »Zieht ihnen die Kleider aus! Seht... seht Euch ihre Füße an! Ihr werdet sehen, daß ich die Wahrheit spreche!« Er fuhr herum, wandte sich hilfesuchend an Skar und packte ihn grob an der Schulter. »Sag etwas, Skar«, flehte er. »Du ... du hast es doch auch gesehen.«

Statt einer direkten Antwort deutete Skar auf die gezackte Rißwunde am Arm des Kohoners, gegen den er gekämpft hatte. Die typische unterbrochene Schnittlinie seines Shuriken war unverkennbar.

»Euer Kamerad scheint etwas vernünftiger zu sein als Ihr, Satai Del«, sagte der Kommandant spöttisch. »Zumindest weiß er, wann er verloren hat. Aber ich werde Euch den Gefallen tun, wenn Ihr darauf besteht. Und danach werden wir diese unwürdige Komödie endgültig beenden. Der Kerkermeister wartet schon auf Euch. Er hat nicht oft so prominente Gäste.« Das Lächeln auf seinem Gesicht erlosch schlagartig. »Zieht Euch aus!« befahl er grob, an die Kohoner gewandt. »Hemden und Stiefel werden genügen. Und beeilt Euch. Meine Geduld ist fast erschöpft.«

Die beiden Kohoner begannen gehorsam, sich ihrer Hemden und Schuhe zu entledigen. Skar sah nicht einmal hin. Er wußte auch so, was sie sehen würden.

»Aber das ist doch unmöglich!« keuchte Del. »Ich bin doch nicht verrückt! Ich weiß doch, was ich gesehen habe! Das ... das sind nicht die Männer, gegen die wir gekämpft haben! Man muß sie ausgetauscht haben! Das ist eine Intrige, wir ...« Er brach ab, sog hörbar die Luft ein und schüttelte ein paarmal hintereinander hilflos den Kopf.

»Seid Ihr zufrieden?« fragte der Kommandant kalt.

»Aber ich ...«

»Genug, Satai. Ihr habt Euren Spaß gehabt, und ich habe mehr Geduld mit Euch bewiesen, als es Euch zukommt. Ihr werdet in den Kerker überstellt und morgen bei Sonnenaufgang dem Richter vorgeführt. Und«, fügte er nach einer winzigen Pause hinzu, »begeht keinen Fluchtversuch. Selbst wenn es Euch gelänge, Eure Bewacher zu überwinden, würdet Ihr nicht aus Ikne herauskommen.« Er gab den Wachen hinter Skar und Del einen Wink und deutete mit einer Kopfbewegung auf ihre Waffen. »Eure Schwerter, Satai!«

Del wich einen halben Schritt zurück und legte trotzig die Hand auf den Griff des Tschekal. »Nehmt es Euch«, sagte er herausfordernd. »Wenn Ihr den Mut dazu habt.«

Der Kommandant lächelte geringschätzig. Die Reihe der Bewacher hinter ihm teilte sich, und ein Dutzend Bogenschützen trat mit gespannten Waffen hervor.

Für einen Moment sah es fast so aus, als wolle sich Del trotzdem der erdrückenden Übermacht nicht beugen. Dann stieß er einen halblauten, abgehackten Fluch aus, riß seine Waffe aus dem Gürtel und warf sie dem Kommandanten vor die Füße. Skar lächelte, zog sein Tschekal und legte es behutsam neben Dels Waffe.

»Gebt gut darauf acht, Kommandant«, sagte er halblaut. »Ich werde es eines Tages von Euch zurückfordern. Sollte es beschädigt sein, werde ich nicht mehr so ruhig mit Euch reden wie jetzt.« Für die Dauer eines Lidzuckens huschte ein Ausdruck von Schrecken über die faltigen Züge des Kommandanten. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt. »Ein toter Mann braucht keine Waffe, Satai«, sagte er abfällig. »Aber ich werde sie Euch mit ins Grab legen, wenn Ihr es wünscht.« Er bückte sich, hob die beiden Schwerter auf und fuhr mit einer wütenden Bewegung herum. »Bringt sie weg!«

Der Kreis der Soldaten schloß sich enger um Skar und Del. Sie wurden von Cubic und den Kohonern getrennt und durch einen Seitenausgang aus der Halle geführt.

Es wurde kälter, als sie sich dem Nordausgang näherten. Skar hatte unbewußt damit gerechnet, auf dem kürzesten Weg zur Feste geführt zu werden; durch den Nordausgang der Arena die breite gepflasterte Hauptstraße direkt zum Verbotenen Bezirk hinauf, in dessen Zentrum sich der schwarze Riesenfinger der Zwingfeste erhob. Aber offensichtlich hatte ihre Eskorte andere Befehle. Sie verließen die Arena durch eine niedrige, halb von wucherndem Efeu und Unkraut überwachsene Seitentür, die in eine schmale Gasse zwischen zwei Hausreihen hinausführte.

»Man scheint keinen Wert darauf zu legen, daß unsere Verhaftung bekannt wird«, knurrte Del, als sie - umringt von jeweils einem Dutzend schwerbewaffneter Soldaten - durch die schmale Schlucht aus feuchten Ziegelsteinmauern in nördliche Richtung gingen. »Selbst den Tempelkönigen von Ikne dürfte es schwerfallen, einen logischen Grund für die Verhaftung zweier Satai zu finden.« Skar runzelte die Stirn. Del schien den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen zu haben.

»Vielleicht geschieht es auch nur zu unserem Schutz«, sagte er halblaut.

»Schutz?« echote Del.

Skar nickte. »Ich glaube nicht, daß die Bürger dieser Stadt im Augenblick sonderlich gut auf uns zu sprechen sind«, sagte er. »Dem Kommandanten ist nicht damit gedient, wenn sie uns lynchen.« Del schwieg verwirrt.

»Jeder, der auch nur einen Dim auf uns gewettet hat, fühlt sich von uns getäuscht und betrogen«, fuhr Skar fort. »Und es gibt eine Menge Leute, die nicht viele Fragen stellen, wenn sie sich übers Ohr gehauen fühlen. Auch in Ikne.«

»Aber das ...« Del brach erneut ab, schüttelte den Kopf und richtete den Blick starr auf den Rücken des vor ihnen gehenden Gardisten. »Ich verstehe das nicht«, murmelte er. »Sie müssen doch gesehen haben, was passiert ist. All diese Leute. Man kann doch nicht all diese Leute täuschen.«

»Offensichtlich doch«, antwortete Skar. »Sie - oder uns.«

Del wandte mit einem Ruck den Kopf und blieb stehen, stolperte aber sofort weiter, als ihm einer der Soldaten einen unsanften Stoß versetzte.

»Wie meinst du das?« fragte er.

Skar hob kaum merklich die Schultern. »Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte er nachdenklich. »Die eine ist, daß es wirklich Sumpfleute waren und dreißigtausend Augenpaare es nicht gemerkt haben. Die andere«, setzte er nach einer winzigen Pause hinzu, »ist, daß wir uns geirrt haben.«

Del gab einen Laut der Überraschung von sich. »Ich spüre jetzt noch jeden einzelnen Knochen im Leibe«, sagte er. »Der Kerl hatte mehr Kraft als ein Dutzend Stiere. Und du willst mir erzählen, es wäre ein ganz normaler Gladiator gewesen?«

»Ich will überhaupt nichts erzählen«, sagte Skar ruhig. »Ich denke nur laut. Oder weißt du eine andere Erklärung?«

Del schwieg einen Moment und schüttelte dann widerwillig den Kopf. Sie hatten die Gasse mittlerweile verlassen und gingen über eine schmale, steinerne Brücke, die über einen der unzähligen Kanäle der Stadt hinwegführte. Der Wasserspiegel war in den letzten Tagen so hoch gestiegen, daß die brackigen grauen Fluten bereits ihre Füße umspülten. Hinter der Brücke wartete eine zweite, womöglich noch engere Gasse auf sie. Sie näherten sich jetzt dem Stadtzentrum. Die Rückseiten der Häuser, zwischen denen sie hindurchgingen, waren hier ebenso schmutzig und ungepflegt wie die in den ärmeren Vierteln, aber die Gebäude waren höher, und es gab von Zeit zu Zeit sogar schmale, vergitterte Fenster, wohl dazu bestimmt, Abfälle oder die Inhalte von Nachtschüsseln auf die Straße zu werfen.