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Und irgendwann, Jahrhunderte, nachdem sie in diesen unterirdischen Kosmos aus Hitze und Schmerzen eingedrungen waren, blieb Gowenna stehen und deutete nach oben.

»Wir sind da.«

Ihre Stimme war über dem Brüllen des Höllenfeuers über ihren Köpfen kaum zu vernehmen, und Skar erriet die Worte mehr an ihren Lippenbewegungen, als er sie verstand. Er blieb schweratmend stehen, beugte sich vor und stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln auf. Sein Herz hämmerte, und vor seinen Augen tobten noch immer Flammen. Er hatte Durst, mörderischen, quälenden Durst, aber der Wasserschlauch an seiner Seite war längst leer, ausgetrunken auf den ersten, qualvollen Metern ihres Weges, der Rest verdunstet.

»Diese Treppe dort vorne führt direkt hinauf«, fuhr Gowenna mit erhobener Stimme fort.

Skar richtete sich mühsam auf, schwankte und widerstand im letzten Moment der Versuchung, sich erschöpft gegen die Wand sinken zu lassen. Der Stein glühte. Skar hob den Kopf, blickte in die Richtung, in die Gowenna deutete und schloß gepeinigt die Augen. Die Treppe führte steil in die Höhe, es waren hundert oder mehr Stufen aus weißem, millionenfach gesprungenem Marmor, und an ihrem Ende glühte ein unbarmherziges, strahlend weißes Licht, greller als die Sonne.

»Wenn wir oben sind, wird jeder auf sich selbst angewiesen sein«, sagte Gowenna. »Es ist möglich, daß wir getrennt werden, deshalb prägt euch genau ein, was ich euch jetzt sage.«

Skar schüttelte den Kopf, fuhr sich mit der behandschuhten Rechten über das Gesicht und zuckte zusammen, als die Brandblasen auf seiner Haut unter der Berührung aufplatzten. Die Narbe auf seiner linken Wange begann zu pulsieren.

»Der Stein befindet sich im Altarraum des Tempels«, sagte Gowenna. »Wenn wir es bis dahin schaffen, sind wir in Sicherheit, wenigstens, was das Feuer angeht. Aber wir werden durch die Stadt müssen. Ganz egal, was ihr seht - lauft einfach weiter, bis ihr den Tempel erreicht habt. Und schaut nicht nach oben. Das Licht würde euch blenden.«

Nol sank mit einem wimmernden Geräusch in die Knie, blieb einen Moment reglos hocken und stemmte sich wieder hoch. Er schwankte.

Seine Kleider und sein Haupthaar waren angesengt, und sein Gesicht war so von Brandblasen entstellt, daß es kaum mehr menschlich zu nennen war.

»Ich ... kann nicht mehr«, keuchte er. »Laßt mich ... zurück. Ich wäre nur eine Last für euch.«

Gowenna schüttelte entschieden den Kopf. »Wenn du zurückbleibst, stirbst du, Nol«, sagte sie überraschend sanft. »Wir haben das Schlimmste hinter uns. Diese Treppe hinauf und bis zum Tempel. Dort kannst du ausruhen.«

Nol nickte, aber Skar bezweifelte, daß er die Worte überhaupt verstanden hatte.

»Was ist, wenn wir uns ... verlieren?« fragte Skar. Es bereitete ihm Mühe, die Worte zu formulieren. Seine Kehle bestrafte jeden Laut mit stechenden, krampfartigen Schmerzen.

»Ihr könnt den Tempel von jedem Punkt der Stadt aus sehen«, antwortete Gowenna. »Das große Gebäude im Zentrum. Sein Dach sieht wie ein Edelstein aus.« Sie atmete hörbar ein, sah sich mit einem nervösen Blick um und deutete auf die Treppe. »Kommt jetzt. Wir sind schon viel zu lange hier unten geblieben.«

Skar war zu erschöpft, um sich Gedanken über den Sinn dieser Bemerkung zu machen. Für einen kurzen Moment blitzte der Zipfel einer Erinnerung in ihm auf, aber er verschwand wieder, bevor er ihn fassen konnte. Hinter Gowenna und den Sumpfmännern taumelte er die Treppe hinauf.

Der Stein war heiß, und er wurde mit jeder Stufe, die sie höher kamen, noch heißer. Skars Stiefelsohlen schienen zu glühen, und er spürte, wie der Marmor unter dem Gewicht seiner Schritte zu zerbröckeln begann; Staub, ausgeglüht von Jahrtausenden unbarmherziger Hitze, in der er gebadet worden war. Skar strauchelte, spürte, wie sich unter seinem Gewicht ein ganzes Stück der Stufe löste, und brachte sich mit einem verzweifelten Satz in Sicherheit. Hinter ihm erscholl ein gellender, spitzer Schrei. Er fuhr herum, griff haltsuchend nach dem Arm El-tras und fiel gegen die Wand, als sich der Sumpfmann mit einem wütenden Ruck freimachte. Der Schrei wiederholte sich.

Skar sah, wie ein keilförmiges Stück der Treppe ins Rutschen kam, sich mit einem dumpfen, knirschenden Geräusch löste, unter Berals Füßen zu Staub und scharfkantigen Brocken zerfiel und wie eine Lawine den Treppenschacht hinunterpolterte, den Malabesen erbarmungslos mit sich reißend. Berals Schrei verstummte abrupt. »Weiter!« befahl Gowenna.

Skar drehte sich wie in Trance herum, stieß sich von der Wand ab und lief weiter. Er spürte nichts - weder Trauer noch Schrecken oder Wut oder sonst irgendein Gefühl, das über Erschöpfung und allenfalls noch Resignation hinausging. Das erste Mitglied ihrer Gruppe war tot, gestorben, ehe sie ihr Ziel erreicht hatten, aber es berührte ihn nicht. Es war, als hätte Combats feuriger Atem nicht nur seine Haut, sondern auch seine Seele verbrannt, ihn zu einem ausgeglühten Etwas gemacht, zu einer leeren Hülle, die zu nichts anderem mehr fähig war, als einfach stur weiterzulaufen, bis in den Tod. Vielleicht, dachte er, ist dies der einzige Grund, warum ich hier bin, weil ich Satai bin, ein Mann, der auch dann noch weiterkämpft, wenn alle anderen aufgaben, der sich nicht geschlagen geben kann, auch wenn ich es wollte.

Die Treppe endete in einem niedrigen, runden Raum, der von nichts als Licht erfüllt war. Eine kompakte Mauer aus Hitze schlug ihnen entgegen, aber Gowenna und ihre drei Begleiter stürmten ohne innezuhalten weiter, rannten auf den Ausgang zu. Skar überwand die drei letzten Stufen mit einem Satz, strauchelte, fand im letzten Moment sein Gleichgewicht wieder und rannte weiter. Die Hitze traf ihn wie ein Hammerschlag, als er das Gebäude verließ. Er schrie auf, stürzte zu Boden und schrie wieder, als seine Haut in Fetzen an den glühenden Marmorplatten hängenblieb. Unten, auf der Treppe, hatte er geglaubt, das Maß des Erträglichen voll ausgeschöpft zu haben, aber er spürte erst jetzt, wie falsch dieser Gedanke gewesen war.

Er war eingehüllt von Flammen, sengender, tödlicher Hitze, Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen. Er schrie, brüllte vor Qual und schlug die Hände vor die Augen, verbarg das Gesicht zwischen den Armen, aber es nutzte nichts. Das Licht fraß sich durch seine Hände, ließ seine Augäpfel aufflammen und verwandelte seine Sehnerven in gleißende Bahnen aus Schmerz und Feuer. Seine Kleider begannen zu schwelen, einer seiner Stiefel flammte auf, brannte eine halbe Sekunde mit heller, flackernder Flamme und erlosch wieder. Sein Blut kochte. Blind, wahnsinnig vor Schmerzen kam er auf die Füße, drehte sich ziellos im Kreis und taumelte los, ganz egal wohin, nur fort, fort aus dieser Hölle, weg von diesem erbarmungslosen, qualvollen Licht. Er spürte, wie das Schwert an seiner Seite zu glühen begann, sein Bein verbrannte und die lederne Schwertscheide zu brüchiger Asche werden ließ.