Ein heller, reißender Laut drang in seine Gedanken. Etwas Hartes, Schweres prallte von hinten gegen sein Bein, fiel zu Boden und blieb zwischen ihm und seinem Gegner liegen. Ein Helm. Ein schwarzer, mit schimmernden Nieten beschlagener Lederhelm, in dem ein Kopf steckte.
Skar war für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt, und der andere nutzte diesen Augenblick gnadenlos aus. Er täuschte einen geraden Stich vor, sprang an Skars hochgerissener Klinge vorbei und trat nach seinem Gesicht. Skar schlug den Fuß im letzten Moment zur Seite, aber der andere warf sich in einer unmöglich erscheinenden Drehung herum, riß auch den anderen Fuß hoch und trat mit ungeheurer Wucht zu. Sein Absatz durchbrach Skars Deckung, traf sein Gesicht mit der Gewalt eines Hammerschlages und ließ ihn meterweit zurücktaumeln. Skars Kopf flog mit einem gnadenlosen Ruck in den Nacken. Ein unerträglicher Schmerz zuckte durch sein Genick, raste wie eine feurige Woge an seinem Rückgrat herab und explodierte in seinem Leib, und flutete wieder zurück. Sein Nasenbein war gebrochen; Blut lief über Mund und Kinn.
Er ließ sein Schwert fallen, brach in die Knie und schlug die Hände vors Gesicht.
Irgend etwas zerbrach in ihm. Etwas Dunkles, Schweres, Brodelndes schien aus den Tiefen seiner Seele emporzuschießen, seine Gedanken hinwegzufegen und ihn mit einer Kraft zu erfüllen, die nicht mehr menschlich war. Der Schmerz erlosch, verschwand und wurde von etwas Neuem, Fremdem und Bösem abgelöst.
Ein dunkler, verzerrter Schatten sprang auf ihn zu, das Schwert zum letzten, entscheidenden Hieb hochgerissen. Skar warf sich zurück, trat, traf irgend etwas und federte auf die Beine. Er dachte nicht mehr, handelte blind, gab die bewußte Kontrolle über seinen Körper endgültig auf und überließ sich ganz seinen Reflexen, war nicht mehr länger Mensch, sondern nur noch ein Bündel aus übermenschlich schnellen Reflexen und entfesselten Killerinstinkten. Seine Faust traf die Waffenhand des Satai, brach sie und ließ sein Schwert im hohen Bogen davonsegeln. Er schrie triumphierend auf, nahm einen Tritt in die Seite hin, spürte, wie zwei, drei Rippen unter dem gepanzerten Fuß des anderen brachen und verwandelte den Schmerz in Wut. Seine Handkante zuckte zur Schläfe des anderen, verfehlte sie und traf mit mörderischer Wucht auf das Gesichtsvisier.
Der Satai wankte zurück. Der stählerne Gesichtsschutz war da, wo ihn Skars Hand getroffen hatte, zerbeult.
Skar setzte nach, schoß seine Faust mit gnadenloser Kraft zweimal hintereinander gegen die Herzgrube des anderen ab und riß das Knie hoch, als der Satai zusammenbrach.
Die schwarze Rüstung knirschte hörbar. Ein greller, pulsierender Schmerz zuckte durch Skars Bein. Der Satai wurde hochgerissen, kam mit einer grotesken, nicht seinem eigenen Willen entsprechenden Bewegung auf die Füße und kippte dann nach hinten.
Skar fuhr herum. Gowenna und die beiden Sumpfmänner lebten noch, aber ihre Lage war aussichtslos. Drei der neun Söldner lagen reglos am Boden, tot oder verwundet, aber die anderen hatten Gowenna und ihre beiden Schatten gegen die Wand gedrängt. Einer der beiden El-tra kämpfte nur mehr mit einer Hand; sein linker Arm hing nutzlos und blutend herab.
Skar griff mit einem gellenden Schrei an. Sein Gesicht war verzerrt, eine Maske aus Haß und Mordlust. Er packte einen der Angreifer, brach ihm das Genick und tötete den zweiten, schneller als die Männer der Bewegung folgen konnten.
Der Kampf war vorbei, ehe er richtig begann. Skars plötzliches Eingreifen überraschte die Söldner total. Er tötete den dritten mit einem Tritt in den Leib und fuhr herum, die Hände zu einer zupackenden Bewegung erhoben.
Es gab niemanden mehr, gegen den er hätte kämpfen können. Keiner der Söldner war noch am Leben. Gowenna und die Sumpfmänner hatten die drei, die Skars Wüten entgangen waren, getötet. Skar ließ langsam die Arme sinken. Sein Blick verschwamm. Für einen Moment schienen die Gestalten Gowennas und ihrer Bewacher blasse, halbdu/chsichtige Schatten zu bekommen, und das Licht wirkte irgendwie falsch. Ein verlockendes Gefühl wohltuender Schwäche stieg in ihm hoch. Aber er gestattete seinem Körper noch nicht, ihm nachzugeben, sich zu entspannen. Es gab noch etwas zu tun.
Der schwarze Satai stemmte sich mühsam auf die Füße. Er wankte, drohte wieder zusammenzubrechen und fing sich im letzten Moment wieder. Skar verspürte Bewunderung, aber auch Bedauern. Er hatte nie einen Mann gesehen, der so stark war. Er wäre ein würdiger Gegner für Del gewesen, dachte er.
Der andere bückte sich ebenfalls nach seinem Schwert, hob es auf und umklammerte den Griff mit beiden Händen, als hätte er kaum mehr die Kraft, die Waffe zu halten.
Skar schüttelte sanft den Kopf. Er wechselte sein Tschekal ein paarmal von der Rechten in die Linke zurück, ließ die Klinge beiderseits seines Körpers durch die Luft zischen.
Auch der andere versuchte, seine Waffe zu heben. Es gelang ihm, aber ihre Spitze zitterte sichtlich.
»Tu es nicht«, sagte Skar leise. »Ich will dich nicht töten.« Für einen Moment schien es, als akzeptiere der andere sein Angebot und gebe auf. Dann lief ein krampfhaftes, schmerzliches Zucken durch seinen Leib. Er straffte sich noch einmal, spreizte die Beine und beugte den Oberkörper leicht vor; eine Haltung, die Stärke ausstrahlte, aber in Wirklichkeit nichts als ein letztes vergebliches Aufbäumen war.
Skar preßte die Lippen zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammen. Es ist nicht richtig, dachte er. es ist einfach nicht fair. Dieser Mann war besser als er, um Klassen besser. Er hätte diesen Kampf nicht gewinnen dürfen. Und er durfte ihn nicht umbringen. Es war kein fairer Kampf gewesen. Kein Mensch, auch kein Satai, konnte dieses Dingin seinem Inneren besiegen. Es war während des Kampfes erwacht, urplötzlich und ohne Vorwarnung, ein Raubtier, das plötzlich aus dem Schlaf auffuhr und so gefährlich wie eh und je war, ein Ding, das ihm Kraft gab, ihn unbesiegbar machte, ihn aber auch in ein Monster verwandelte, ein Ungeheuer, unbesiegbar, unsterblich und schrecklich.
Nein - er wollte diesen Satai nicht töten.
Aber sein dunkler Bruder wollte es, dieses Ding in seiner Seele, diese körperlose, stumme Stimme, die sich manchmal - wie jetzt - mit einem leisen, spöttischen Lachen meldete, seine Gedanken vergiftete und ihn in ein Etwas verwandelte, vor dem er sich selbst fürchtete. Das Ungeheuer, das er aus den Höhlen von Nonakesh mitgebracht und für tot gehalten hatte. Er wollte es, und der andere würde ihn zwingen, es zu tun.
»Tu es nicht«, sagte er noch einmal, bittend, fast flehend. »Du bist geschlagen. Gib auf.«
Natürlich würde er nicht aufgeben. Wäre es anders herum gewesen, hätte Skar ebenso gehandelt. Trotzdem bereitete ihm der Gedanke, diesen Mann töten zu sollen, beinahe Übelkeit. Es war nicht richtig. Es war einfach nicht richtig.
Die Erde bebte.
Ein tiefes, stampfendes Zittern lief durch den glasigen Fels, ein grollendes, dumpfes Vibrieren, als wankten die Berge am Horizont unter den Hammerschlägen eines Riesen. Es war ein Laut, der weit über das Spektrum des eigentlich Hörbaren hinausging und jede Faser seine Körpers zum Schwingen brachte. Skar krümmte sich vor Schmerz, sah, wie der Satai abermals in die Knie brach und die Hände gegen die Schläfen preßte. Gowenna schrie auf, in einer Tonlage, wie Skar sie noch nie zuvor aus einer menschlichen Kehle gehört hatte. Er wankte, preßte die Hände gegen die Ohren und sah aus tränenden Augen nach oben, darauf gefaßt, den Himmel in Feuer gebadet zu sehen, im Widerschein einer gewaltigen flammenden Explosion, mit der sich Combat ihr gestohlenes Herz zurückholte.