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Sie waren mir eine Freundin, obwohl ich Sie gekränkt habe, obwohl ich unausstehlich war (ein Wort, das ich in Ihrem Wörterbuch nachgeschlagen habe), und ich denke, ich werde Sie ab jetzt in Ruhe lassen. Es tut mir wirklich alles sehr leid.

Nochmals danke

Liesel Meminger

Sie ließ den Brief auf dem Schreibtisch liegen und sagte dem Raum zum letzten Mal Lebewohl, indem sie drei Mal im Kreis lief und ihre Hände über die Buchrücken gleiten ließ. So sehr sie sie auch verabscheute, konnte sie ihnen doch nicht widerstehen. Flocken aus zerrissenem Papier waren um ein Buch mit dem Titel Das Gesetz von Tommi Hoffmann verstreut. In der Brise, die durch das Fenster zog, hoben sich ein paar Schnipsel und sanken wieder herab.

Das Licht war immer noch orange, aber nicht mehr so strahlend wie zuvor. Ihre Hände spürten den letzten Griff auf dem hölzernen Fenstersims, und zum letzten Mal merkte sie das Ziehen in ihrem Bauch, als sie sich fallen ließ, und das Brennen in ihren Fußsohlen, als sie landete.

Als sie den Hügel hinabgestiegen und über die Brücke gegangen war, war das orangefarbene Licht verschwunden. Wolken versammelten sich.

In der Himmelstraße fielen die ersten Regentropfen auf ihre Haut. Ich werde Ilsa Hermann niemals wiedersehen, dachte sie. Aber die Bücherdiebin konnte besser lesen und Bücher zerreißen als Voraussagen machen.

DREI TAGE SPÄTER

Die Frau klopfte an Nummer 33 und wartete auf eine

Antwort.

Es kam Liesel merkwürdig vor, sie ohne ihren Morgenmantel zu sehen. Das Sommerkleid war gelb mit einem roten Saum. Aufgenäht war eine Tasche mit einer kleinen Blume darauf. Keine Hakenkreuze. Schwarze Schuhe. Noch nie zuvor waren ihr Ilsa Hermanns Schienbeine aufgefallen. Sie hatte Porzellanbeine.

»Frau Hermann, es tut mir leid – was ich das letzte Mal in der Bibliothek angestellt habe.«

Die Frau bedeutete ihr zu schweigen. Sie griff in ihre Tasche und zog ein kleines schwarzes Buch heraus. Darin befand sich keine Geschichte, sondern liniertes Papier. »Ich dachte, dass du, wenn du meine Bücher nicht mehr lesen möchtest, vielleicht selbst eines schreiben willst. Dein Brief war...« Sie überreichte Liesel das schwarze Buch mit beiden Händen. »Du kannst schreiben. Du kannst gut schreiben.« Das Buch war schwer, der Einband matt wie der von Das Schulterzucken. »Und bitte«, fuhr Ilsa Hermann fort, »bestrafe dich nicht selbst, wie du in deinem Brief geschrieben hast. Werde nicht so wie ich, Liesel.«

Das Mädchen schlug das Buch auf und berührte das Papier. »Danke schön, Frau Hermann. Ich kann Ihnen einen Kaffee kochen, wenn Sie möchten. Wollen Sie nicht hereinkommen? Ich bin allein. Meine Mama ist nebenan, bei Frau Holzinger.«

»Müssen wir durchs Fenster klettern?«

Liesel vermutete, dass dies das breiteste Lächeln war, das sich Frau Hermann seit Jahren gestattet hatte. »Ich glaube, wir gehen besser durch die Tür. Das ist einfacher.«

Sie saßen in der Küche.

Kaffeetassen und Brot mit Marmelade. Sie suchten nach Worten, und Liesel konnte hören, wie Ilsa Hermann schluckte, aber es war trotzdem nicht ungemütlich. Es war sogar schön zu sehen, wie die Frau sanft auf ihren Kaffee blies, um ihn abzukühlen.

»Wenn ich jemals etwas schreibe und es auch zu Ende bringe«, sagte Liesel, »dann zeige ich es Ihnen.«

»Das wäre schön.«

Als die Frau des Bürgermeisters ging, schaute Liesel ihr nach. Sie betrachtete das gelbe Kleid und die schwarzen Schuhe und die Porzellanbeine auf der Himmelstraße.

Am Briefkasten stand Rudi und fragte: »War das die, von der ich denke, dass sie es war?«

»Ja.«

»Im Ernst?«

»Sie hat mir ein Geschenk gebracht.«

Wie sich herausstellte, schenkte Ilsa Hermann Liesel Meminger an diesem Tag nicht nur ein Buch. Sie schenkte ihr auch einen Grund, Zeit im Keller zu verbringen – an ihrem Lieblingsplatz, den sie zunächst mit Papa und später mit Max geteilt hatte. Sie schenkte ihr einen Grund, ihre eigenen Worte aufzuschreiben, zu erkennen, dass Worte auch ihr das Leben geschenkt hatten.

»Bestrafe dich nicht selbst«, hörte Liesel sie wieder sagen, aber die Strafe und der Schmerz würden kommen, und auch das Glück. So war das Schreiben.

In der Nacht, als Mama und Papa schliefen, schlich sich Liesel hinunter in den Keller und machte die Kerosinlampe an. Eine Stunde lang betrachtete sie lediglich Papier und Bleistift. Sie wollte sich erinnern, und wie es ihre Gewohnheit war, schaute sie nicht weg.

»Schreib«, befahl sie sich.

Nach mehr als zwei Stunden hatte Liesel Meminger angefangen zu schreiben, ohne zu wissen, ob sie alles richtig machte. Woher sollte sie auch wissen, dass jemand ihre Geschichte aufheben und überallhin mitnehmen würde?

Niemand erwartet so etwas.

Niemand kann es planen.

Sie benutzte einen kleinen Farbeimer als Hocker und einen großen als Tisch. Liesel senkte die Spitze des Bleistifts auf die erste Seite. Mitten auf das Papier schrieb sie die folgenden Worte.

DIE BÜCHERDIEBIN

Eine kurze Geschichte

von

Liesel Meminger

FLUGZEUGBÄUCHE

Auf der dritten Seite tat ihr die Hand weh.

Worte sind so schwer, dachte sie, aber trotzdem schaffte sie im Laufe der Nacht elf Seiten.

SEITE 1

Ich versuche, es zu verdrängen, aber ich weiß, dass dies

alles mit einem Zug anfing, mit dem Schnee und mit

meinem hustenden Bruder. An diesem Tag stahl ich mein

erstes Buch. Es war ein Handbuch für Totengräber, und ich

stahl es auf meinem Weg in die Himmelstraße...

Sie schlief da unten ein, auf einem Bett aus Lumpen, während sich das Papier des Buches, das auf dem größeren der beiden Farbeimer lag, leicht nach innen rollte. Am nächsten Morgen stand Mama über ihr, mit einer Frage in den desinfizierten Augen.

»Liesel«, sagte sie, »was zum Kuckuck machst du hier unten?«

»Ich schreibe, Mama.«

»Jesus, Maria und Josef.« Rosa stapfte wieder die Stufen hinauf. »Du bist in fünf Minuten oben, oder du machst Bekanntschaft mit dem Wassereimer, verstanden?«

»Verstanden.«

Jede Nacht ging Liesel hinab in den Keller. Sie hatte das Buch stets bei sich. Stundenlang schrieb sie, mit dem Ziel, jede Nacht mindestens zehn Seiten mit ihrem Leben zu füllen. Es gab so vieles zu bedenken, so viele Dinge, die nicht weggelassen werden durften. Sei geduldig, sagte sie sich, und mit dem wachsenden Papierberg wuchs auch die Stärke ihrer Schreibhand.

Manchmal schrieb sie darüber, was im Keller passierte, während sie schrieb. Sie hatte gerade über den Moment geschrieben, als Papa sie auf den Kirchenstufen geohrfeigt hatte, und wie sie an jenem Abend zusammen den Hitlergruß geübt hatten. Liesel schaute auf. Hans Hubermann packte eben das Akkordeon ein. Er hatte eine halbe Stunde lang gespielt, während Liesel geschrieben hatte.

SEITE 42

Papa hat mir heute Nacht Gesellschaft geleistet. Er hatte das