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Ich sprang auf und richtete dem Eindringling die Schwertspitze auf die Brust. Der Unbekannte blieb stehen.

»Frieden«, sagte eine Männerstimme auf Than. »Ich suche nur Schutz vor dem Unwetter. Darf ich diese Höhle mit dir teilen?«

»Was für ein Unwetter?« fragte ich.

Wie zur Antwort dröhnte Donner, gefolgt von einer Windböe, die den Regengeruch in die Höhle trug.

»Schön, soweit sprichst du die Wahrheit«, sagte ich. »Mach es dir bequem.«

Ein gutes Stück vom Höhleneingang entfernt setzte er sich, den Rücken der rechten Felswand zugewandt. Ich faltete meine Decke zu einem Kissen zusammen und ließ mich ihm gegenüber nieder. Etwa vier Meter lagen zwischen uns. Ich nahm meine Pfeife zur Hand, füllte sie und probierte ein Streichholz aus, das ich von der Schatten-Erde mitgebracht hatte. Es brannte sofort und ersparte mir damit große Mühen. Der Tabak roch angenehm in der feuchten Brise. Ich lauschte auf das Prasseln des Regens und betrachtete den dunklen Umriß meines namenlosen Gefährten. Ich versuchte, mir Gefahren vorzustellen, die aus der Situation erwachsen konnten, doch nicht Brands Stimme hatte zu mir gesprochen.

»Dies ist kein natürliches Unwetter«, sagte der andere.

»Ach? Wie denn das?«

»Zum einen kommt es aus dem Norden. Regen und Sturm kommen hier niemals aus dem Norden, jedenfalls nicht um diese Jahreszeit.«

»Für alles gibt es ein erstes Mal.«

»Zweitens habe ich noch nie ein solches Unwetter erlebt. Den ganzen Tag habe ich es näherkommen sehen – eine glatte Linie, langsam vorrückend, die Front wie eine Glasscheibe. Dabei ist das Blitzen so heftig, daß das Ganze wie ein ungeheures Insektenheer mit Hunderten von schimmernden Beinen aussieht. Absolut unnatürlich. Und dahinter wirkt alles sehr verzerrt.«

»So ist das nun mal im Regen.«

»Aber nicht so. Alles scheint die Form zu verändern. Scheint zu fließen. Als würde die Welt eingeschmolzen oder völlig neu geprägt.«

Ich erschauderte. Ich hatte angenommen, den dunklen Wogen so weit voraus zu sein, daß ich mir eine kurze Rast gönnen konnte. Natürlich konnte er sich irren, vielleicht war es wirklich nur ein ungewöhnliches Tief. Aber das Risiko durfte ich nicht eingehen. Ich stand auf, wandte mich dem hinteren Teil der Höhle zu und pfiff durch die Zähne.

Keine Antwort. Ich ging nach hinten und tastete herum.

»Ist etwas?«

»Mein Pferd ist fort.«

»Ist es vielleicht abgehauen?«

»Muß wohl. Ich hätte allerdings geglaubt, daß Star mehr Verstand besitzt, als sich in solches Wetter hinauszuwagen.«

Ich ging zum Höhleneingang, vermochte aber nichts zu erkennen. Sofort war ich durchnäßt. Ich kehrte an mein Lager vor der linken Felswand zurück.

»Scheint mir ein ganz normales Unwetter zu sein«, bemerkte ich. »Die fallen in den Bergen doch manchmal sehr heftig aus.«

»Vielleicht kennst du dieses Land besser als ich?«

»Nein. Ich bin nur ein Durchreisender und möchte meinen Ritt bald fortsetzen.«

Ich berührte das Juwel. Ich versetzte mich hinein, stieg hindurch, hinaus und hinauf. Ich spürte das Unwetter ringsum und schickte es fort, mit roten Pulsschlägen der Energie, die meinen Herzschlägen entsprachen. Dann lehnte ich mich zurück, holte ein neues Streichholz heraus und zündete meine Pfeife an. Die Kräfte, die ich in Gang gebracht hatte, würden eine Weile brauchen, um sich gegen eine Sturmfront dieser Größe durchzusetzen.

»Dauert nicht mehr lange«, stellte ich fest.

»Woher weißt du das?«

»Geheime Informationen.«

Er lachte leise.

»Manche behaupten, so würde es mit der Welt zu Ende gehen – beginnend mit einem seltsamen Unwetter aus dem Norden.«

»Stimmt genau«, sagte ich. »Es ist soweit. Allerdings brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Auf die eine oder andere Weise wird alles vorüber sein.«

»Der Stein, den du trägst . . . Er leuchtet.«

»Ja.«

»Was du da eben über das Ende der Welt gesagt hast, war doch nur ein Scherz, oder?«

»Nein.«

»Du erinnerst mich an den Spruch aus dem Heiligen Buch – Der Erzengel Corwin wird vor dem Sturm einherschreiten, einen Blitzstrahl auf der Brust . . . Du heißt nicht zufällig Corwin, wie?«

»Wie geht der Text weiter?«

». . . Auf die Frage hin, wohin er reise, wird er sagen: ›Ans Ende der Erde‹, und er begibt sich dorthin, ohne zu wissen, welcher Feind ihm gegen einen anderen Feind beistehen wird, oder wen das Horn berührt.«

»Das ist alles?«

»Jedenfalls über den Erzengel Corwin.«

»Mit den alten Schriften habe ich schon früher meine Probleme gehabt. Man erfährt darin so allerlei, das sich ganz interessant anhört, doch nie genug, um die Information wirklich sofort nutzen zu können. Es ist beinahe, als hätte der Autor Spaß daran, seine Leser zu quälen. Ein Feind gegen einen anderen? Das Horn? Verstehe ich nicht.«

»Wohin ziehst du denn?«

»Nicht mehr sehr weit, wenn ich mein Pferd nicht wiederfinde.«

Ich kehrte an den Höhleneingang zurück. Der Regen begann nachzulassen; hinter einigen Wolken hing ein Schimmer wie von einem Mond, und ein zweiter im Osten. Ich blickte den Pfad hinauf und hinab ins Tal. Nirgendwo waren Pferde zu sehen. Ich wandte mich wieder zur Höhle um. Im gleichen Augenblick jedoch hörte ich Stars Wiehern tief unter mir.

Ich rief dem Fremden in der Höhle zu: »Ich muß fort. Du kannst die Decke behalten.«

Ich weiß nicht, ob er mir antwortete, denn ich lief sofort in den Nieselregen hinein und tastete mich den Hang hinab. Von neuem machte ich einen Vorstoß durch das Juwel, und der Regen hörte ganz auf und wurde von Nebel abgelöst.

Die Felsen waren glatt, doch ich legte die Hälfte der Strecke zurück, ohne ins Stolpern zu kommen. Dann hielt ich inne, um wieder zu Atem zu kommen und mich zu orientieren. Von dieser Stelle vermochte ich nicht genau zu sagen, aus welcher Richtung Stars Wiehern gekommen war. Das Mondlicht war allerdings ein wenig kräftiger, man konnte weiter schauen, doch im Panorama vor mir tat sich nichts. Mehrere Minuten lang lauschte ich in die Nacht.

Dann hörte ich das Wiehern erneut – von links unten, nahe einem dunklen Felsen – Hügelgrab oder aufragende Klippe. In den Schatten an seinem Fuß schien sich etwas zu bewegen. So schnell ich es wagte, begab ich mich in diese Richtung.

Ich erreichte ebenen Grund und eilte auf den Schauplatz der Ereignisse zu; dabei durchquerte ich Formationen von Bodennebel, die von einer Brise aus dem Westen bewegt wurden und silbrig meine Knöchel umspielten. Ich hörte ein Knirschen und Quietschen, als würde etwas Schweres über eine Steinfläche geschoben oder gerollt. Dann bemerkte ich einen Lichtstrahl unten an der dunklen Masse, der ich mich näherte.

Im Näherkommen erblickte ich kleine menschenähnliche Gestalten als Umrisse in einem Lichtrechteck, damit beschäftigt, eine große Felsplatte zu bewegen. Aus ihrer Richtung tönten die schwachen Echos von Hufschlägen und neuerlichem Wiehern herüber. Dann begann sich der Stein zu bewegen, begann zuzuschwingen wie eine Tür, die er vermutlich darstellte. Das beleuchtete Feld wurde kleiner, verengte sich zu einem Spalt und verschwand mit einem Dröhnen. Die sich abmühenden Gestalten waren zuvor im Innern verschwunden.

Als ich die Felsmasse endlich erreichte, war alles wieder friedlich und still. Ich legte das Ohr an das Gestein, hörte aber nichts. Wer immer diese Wesen waren – sie hatten mir mein Pferd weggenommen! Für Pferdediebe hatte ich noch nie etwas übriggehabt und hatte in der Vergangenheit so manchen aus dem Leben befördert. Außerdem brauchte ich Star in diesem Augenblick wie selten zuvor ein Pferd. Ich begann also auf der Suche nach den Spalten des Felsentors herumzutasten.

Es war nicht sonderlich schwer, den Umriß mit den Fingerspitzen zu ertasten. Vermutlich fand ich es schneller als bei Tageslicht, wenn alles optisch verschmolzen wäre und sich das Auge eher getäuscht hätte. Nachdem ich die Lage des Durchgangs erkundet hatte, suchte ich nach einer Art Griff, mit dem er geöffnet werden konnte. Da mir die Kerle ziemlich klein vorgekommen waren, suchte ich tief unten.