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Nacheinander ging ich die Karten durch, versuchte die Abgebildeten zu erreichen bis auf Brand und Caine. Nichts. Vater hatte recht gehabt. Den Karten fehlte die vertraute Kälte. Schließlich mischte ich das Spiel durch und legte die Karten im Sand aus. Aber die Deutung über meine Zukunft war unmöglich, also steckte ich alle wieder fort. Ich lehnte mich zurück und wünschte, ich hätte noch etwas Wasser. Länge Zeit horchte ich. Es kamen einige grollende Laute, die mir aber kein Richtungsgefühl gaben. Die Trümpfe ließen mich an meine Familie denken. Meine Angehörigen waren irgendwo vor mir – wo immer das sein mochte – und warteten auf mich. Und auf was? Ich beförderte das Juwel. Mit welchem Ziel? Zuerst hatte ich angenommen, seine Kräfte würden beim entscheidenden Konflikt benötigt. Wenn das der Fall war und wenn ich tatsächlich der einzige war, der sie einsetzen konnte, stand es schlecht um uns. Dann dachte ich an Amber und spürte tiefe Reue und eine Art Angst. Amber durfte niemals ein Ende finden, niemals. Es mußte einen Weg geben, das Chaos zurückzudrängen . . .

Ich warf einen kleinen Stein fort, mit dem ich herumgespielt hatte. Als ich ihn losgelassen hatte, bewegte er sich nur sehr langsam.

Das Juwel. Wieder machte sich sein Verlangsamungseffekt bemerkbar . . .

Ich entzog ihm Energie, und der Stein wirbelte davon. Es wollte mir scheinen, als hätte ich erst vor kurzem neue Kraft aus dem Juwel geschöpft. Diese Behandlung beflügelte zwar meinen Körper, doch mein Geist blieb vernebelt. Ich brauchte Schlaf – und Träume. Dieser Ort mochte mir weitaus weniger ungewöhnlich vorkommen, wenn ich erst ausgeruht war.

Wie weit noch bis zu meinem Ziel? Lag es schon hinter der nächsten Bergkette, oder eine gewaltige Strecke entfernt? Und welche Chance hatte ich, meinen Vorsprung vor dem Unwetter zu halten? Und die anderen? Was war, wenn die große Schlacht bereits geschlagen war und wir verloren hatten? Mich plagten Visionen, daß ich zu spät käme, daß ich nur noch als Totengräber wirken könne . . . Knochen und Nachrufe, Chaos . . .

Und wo war die verdammte schwarze Straße, wo ich sie nun endlich gebrauchen konnte? Wenn ich sie ausfindig machte, konnte ich ihr folgen. Ich hatte das Gefühl, daß sie sich irgendwo links befinden mußte . . .

Wieder schickte ich meine Sinne aus, teilte die Nebelschwaden, ließ sie zurückwallen . . . Nichts . . .

Eine Gestalt? Eine Bewegung?

Es war ein Tier, vielleicht ein großer Hund, der den Versuch machte, in der Deckung des Nebels zu bleiben. Wollte er sich anschleichen?

Das Juwel begann zu pulsieren, als ich den Nebel noch weiter zurückdrängte. Freistehend schien das Tier sich zu schütteln. Dann kam es direkt auf mich zu.

8

Als das Wesen in meine Nähe kam, stand ich auf. Es war ein Schakal, ein großes Tier, das mir starr in die Augen blickte.

»Du kommst ein wenig früh«, sagte ich. »Ich habe nur gerastet.«

Das Wesen lachte leise. »Ich wollte mir lediglich einen Prinzen von Amber ansehen«, sagte das wilde Tier. »Alles andere wäre nur ein Bonus.«

Wieder lachte es. Ich tat es ihm nach.

»Dann laß deine Augen Mahlzeit halten. Versuche etwas anderes – und du wirst feststellen, daß ich doch ausgeruht bin.«

»Nein, nein«, gab der Schakal zurück. »Ich bin ein Anhänger des Hauses von Amber. Und des Hauses aus dem Chaos. Königliches Blut reizt mich, Prinz des Chaos. Und Konflikte.«

»Du hast mir da eben einen ungewöhnlichen Titel gegeben. Meine Verbindung zu den Höfen des Chaos ist lediglich eine Frage der Abstammung.«

»Ich denke an die Bilder Ambers, die sich durch die Schatten des Chaos bewegen. Ich denke an die Wogen des Chaos, die über die Bilder Ambers dahinschwömmen. Doch im Kern der Ordnung, für die Amber steht, bewegt sich eine höchst chaotische Familie, während das Haus des Chaos ruhig und ausgeglichen ist. Trotzdem habt ihr eure Bindungen wie auch Konflikte.«

»Im Augenblick interessiere ich mich nicht für das Aufspüren von Paradoxa und Begriffsspiele. Ich versuche, zu den Höfen des Chaos zu gelangen. Kennst du den Weg?«

»Ja«, sagte der Schakal. »Dein Ziel ist nicht mehr fern, in gerader Linie jedenfalls. Komm, ich zeig dir die Richtung.«

Das Tier machte kehrt und entfernte sich. Ich folgte ihm.

»Laufe ich zu schnell? Du scheinst müde zu sein.«

»Nein. Geh weiter! Es liegt gewiß hinter diesem Tal, habe ich nicht recht?«

»Ja. Es gibt da einen Tunnel.«

Ich folgte dem Schakal über Sand und Kies und trockenen harten Boden. Nichts wuchs hier. Mit der Zeit wurde der Nebel dünner und nahm eine grünliche Färbung an – vermutlich ein neuer Trick des gemaserten Himmels.

Nach einer Weile fragte ich laut: »Wie weit noch?«

»Nicht mehr weit«, lautete die Antwort. »Wirst du müde? Möchtest du rasten?«

Im Sprechen drehte sich der Schakal um. Das grünliche Licht ließ den häßlichen Kopf noch gespenstischer erscheinen. Aber ich brauchte einen Führer; außerdem gingen wir bergauf, was ich für richtig hielt.

»Gibt es Wasser in der Nähe?« wollte ich wissen.

»Nein. Wir müßten ein gutes Stück zurückgehen.«

»Vergiß es. Dazu fehlt mir die Zeit.«

Der Schakal zuckte die Achseln, lachte leise und schritt weiter. Der Nebel klarte noch ein wenig mehr auf, und ich sah, daß wir eine niedrige Bergkette erreichten. Ich stützte mich auf meinen Stock und hielt Schritt.

Etwa eine halbe Stunde lang kletterten wir, ohne innezuhalten, und der Boden wurde steiniger, der Hang immer steiler. Ich begann zu keuchen.

»Warte!« rief ich dem Tier nach. »Jetzt möchte ich mich doch ausruhen. Ich dachte, du hättest gesagt, es wäre nicht weit.«

»Verzeih«, sagte das Tier, »die Schakalozentrik. Ich habe in Begriffen meiner natürlichen Geschwindigkeit gesprochen. Das war ein Fehler, doch inzwischen sind wir tatsächlich fast am Ziel. Warum willst du dich nicht dort ausruhen?«

»Na schön«, erwiderte ich und ging weiter.

Nach kurzer Zeit erreichten wir eine Steinmauer, die sich als Fuß eines Berges entpuppte. Wir suchten uns zwischen dem davor lagernden Felsschutt einen Weg und erreichten endlich eine Öffnung, die in Dunkelheit führte.

»Da hast du es«, sagte der Schakal. »Der Weg führt geradeaus, und es gibt keine störenden Abzweigungen. Geh hindurch! Ich wünsche dir schnelles Vorankommen.«

»Vielen Dank«, erwiderte ich und gab den Gedanken an eine Rast zunächst auf. Dann betrat ich die Höhle. »Ich weiß deine Hilfe zu schätzen.«

»War mir eine Freude«, sagte der Schakal hinter mir.

Ich machte noch mehrere Schritte. Etwas knirschte unter meinen Füßen und klapperte, als ich es zur Seite trat. Ein Geräusch, das man nicht so schnell vergißt. Der Boden war mit Knochen übersät.

Ein weiches, abruptes Geräusch ertönte hinter mir, und ich wußte, daß mir nicht mehr die Zeit blieb, Grayswandir zu ziehen. Ich wirbelte herum, hob den Stab und stieß damit zu.

Diese Bewegung blockte den Sprung des Ungeheuers ab und traf es schmerzhaft an der Schulter. Doch zugleich wurde ich zurückgedrängt und stürzte rücklings zwischen die Knochen. Der Stab wurde mir beim Aufprall aus der Hand gewirbelt, und in den Sekundenbruchteilen, die mir der Sturz meines Gegners zur Entscheidung ließ, zog ich es vor, Grayswandir zu ziehen und nicht nach dem Holz zu tasten.

Es gelang mir, die Klinge blank zu ziehen, aber mehr auch nicht. Ich lag noch auf dem Rücken, und die Spitze der Waffe zeigte nach links, als der Schakal sich erholte und erneut ansprang. Mit voller Kraft ließ ich den Schwertknauf herumfahren und stieß ihn dem Angreifer ins Gesicht.