Die Erschütterung fuhr mir schmerzhaft durch den Arm und in die Schulter. Der Kopf des Schakals ruckte zurück, und sein Körper drehte sich nach links. Sofort richtete ich die Klinge entsprechend aus, den Griff mit beiden Händen umfassend, und vermochte mich auf das rechte Knie hochzustemmen, ehe das Tier fauchte und von neuem zum Angriff überging. Als ich sah, daß ich das Tier gut erreichen konnte, zögerte ich nicht, mein volles Gewicht hinter die Klinge zu legen, die ich tief in den Körper des Schakals trieb. Ich ließ den Stahl sofort los und rollte zur Seite, um dem zuschnappenden Maul zu entgehen.
Der Schakal kreischte laut, versuchte sich aufzurichten und fiel wieder zu Boden. Keuchend lag auch ich zwischen den Knochen. Ich spürte den Holzstock unter mir und griff danach. Ich nahm ihn zur Hand und kroch zur Höhle zurück. Das Tier kam jedoch nicht wieder hoch, sondern lag zuckend am Boden. Im schwachen Licht konnte ich erkennen, daß es sich übergab. Der Geruch war ekelerregend.
Dann wandte es den Blick in meine Richtung und rührte sich nicht mehr.
»Es wäre so schön gewesen«, sagte es leise, »einen Prinzen von Amber zu fressen. Ich habe mich immer gefragt, wie wohl königliches Blut schmeckt.«
Dann brachen die Augen, und das Atmen hörte auf, und ich war allein mit dem Gestank.
Mit dem Rücken zur Wand richtete ich mich auf, den Stab vor mir erhoben. Es dauerte eine Weile, ehe ich den Mut aufbrachte, mein Schwert zurückzuholen.
Ein kurzer Rundgang ergab, daß ich mich nicht in einem Tunnel befand, sondern in einer Höhle. Ich kehrte ins Freie zurück, wo der Nebel gelb geworden war und ab und zu von einer Brise aus der Tiefe des Tals bewegt wurde.
Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Felswand und versuchte mir darüber klarzuwerden, welche Richtung ich einschlagen sollte. Einen Weg gab es nicht.
Schließlich wandte ich mich nach links. Dort kam mir der Hang irgendwie steiler vor, und ich wollte so schnell wie möglich nach oben aus dem Nebel hinaus und in die Berge gelangen. Der Stab leistete mir weiter gute Dienste. Ich hoffte irgendwo auf Wasser zu stoßen, aber das schien es hier nicht zu geben.
So kämpfte ich mich weiter, stets aufwärts, und der Nebel wurde dünner und veränderte die Farbe. Schließlich war auszumachen, daß ich einem breiten Plateau entgegenkletterte. Darüber konnte ich stellenweise schon den bunten und bewegten Himmel erkennen.
Hinter mir ertönten mehrere heftige Donnerschläge, aber noch immer vermochte ich die Lage des Unwetters nicht zu bestimmen. Ich beschleunigte daraufhin meine Schritte, fühlte mich jedoch nach wenigen Minuten schwindlig. Ich blieb stehen und setzte mich schweratmend auf den Boden. Niedergeschlagenheit überwältigte mich. Selbst wenn ich es bis zur Hochebene schaffte, mochte mich das Unwetter dort überholen und verschlingen. Ich rieb mir die Augen mit den Handwurzeln. Was nützte es, weiterzukommen, wenn ich im Grunde keine Chance hatte?
Ein Schatten bewegte sich durch den pistazienfarbenen Nebel, stürzte auf mich zu. Ich hob den Stab, ehe ich sah, daß es sich um Hugi handelte. Der Vogel bremste ab und landete vor meinen Füßen. »Corwin«, sagte er. »Du bist ja schon ziemlich weit vorangekommen.«
»Aber vielleicht nicht weit genug«, gab ich zurück. »Die Regenfront scheint immer näherzukommen.«
»Da hast du wohl recht. Ich habe meditiert und möchte dir gern über das Ergebnis einen kleinen Vortrag . . .«
»Wenn du mir einen Gefallen tun möchtest«, warf ich ein, »hätte ich eine kleine Aufgabe für dich.«
»Und die wäre?«
»Flieg zurück und schau, wie weit das Unwetter noch hinter mir steht und wie schnell es vorankommt. Dann kehrst du zurück und erzählst es mir.«
Hugi hüpfte von einem Fuß auf den anderen. »Na schön«, sagte er dann, sprang in die Luft und flatterte in einer Richtung davon, die ich für Nordwesten hielt.
Ich klemmte mich auf den Stock und stand auf. Am besten kletterte ich unterdessen weiter, so gut ich es vermochte. Wieder wandte ich mich hilfeheischend an das Juwel, und die Energie fuhr wie ein rotglühender Blitzstrahl durch meinen Körper.
Nach einiger Zeit machte sich eine feuchte Brise aus der Richtung bemerkbar, in die Hugi verschwunden war. Wieder ertönte ein Donnerschlag. Das Grollen hatte aufgehört.
Ich nutzte den Energiestoß nach besten Kräften aus und kletterte schnell und umsichtig mehrere hundert Meter höher. Wenn ich schon untergehen sollte, dann konnte ich vorher auch noch den Gipfel erreichen. Dort konnte ich wenigstens sehen, wo ich mich befand und ob es nicht doch noch einen letzten Ausweg gab.
Je höher ich kam, desto klarer zeichnete sich der Himmel ab, der sich seit dem letzten Hinschauen erheblich verändert hatte. Zur Hälfte zeigte er eine ungebrochene Schwärze, zur anderen Hälfte ein Gewirr verschwimmender Farben. Die gesamte Himmelsschale schien um einen direkt über mir liegenden Punkt zu kreisen. Diese Entdeckung erfüllte mich mit Erregung. Genau diesen Himmel hatte ich gesucht, den Himmel, der sich schon damals über mir gespannt hatte, als ich meine erste Reise zum Chaos unternahm. Ich mühte mich weiter. Am liebsten hätte ich einen aufmunternden Schrei ausgestoßen, aber dazu war meine Kehle zu trocken.
Als ich mich dem Rand des Plateaus näherte, hörte ich ein Flattern. Plötzlich saß mir Hugi auf der Schulter.
»Das Unwetter macht Anstalten, dir in den Hintern zu kriechen«, sagte er. »Kann jeden Augenblick hier sein.«
Ich setzte meinen Aufstieg fort, erreichte ebenen Boden und stemmte mich förmlich hinauf. Einen Augenblick lang verweilte ich schweratmend. Hier schien der Wind den Nebel zu vertreiben, denn vor mir sah ich eine glatte Hochebene und vermochte den Himmel auf große Entfernung auszumachen. Ich wanderte los, um mir eine Stelle zu suchen, von der aus ich über den gegenüberliegenden Rand des Plateaus schauen konnte. Gleichzeitig wurde das Toben des Unwetters hinter mir wieder lauter.
»Ich glaube nicht, daß du es bis hinüber schaffst«, sagte Hugi, »ohne naß zu werden.«
»Du weißt, daß das kein normales Unwetter ist«, sagte ich gepreßt. »Wenn es das wäre, würde ich die Gelegenheit zu einem Trunk frischen Wassers nur begrüßen.«
»Ich weiß. Ich habe ja auch nur im übertragenen Sinne gesprochen.«
Ich brummte eine zotige Bemerkung und marschierte weiter.
Allmählich breitete sich das Panorama vor mir aus. Der Himmel führte seinen verrückten Schleiertanz auf wie zuvor, aber inzwischen war das Licht mehr als ausreichend. Als ich eine Stelle erreichte, von der aus ich klar überschauen konnte, was vor mir lag, blieb ich stehen und stützte mich schwächlich auf meinen Stab.
»Was ist los?« fragte Hugi.
Aber ich brachte kein Wort heraus. Ich deutete lediglich auf das weite Ödland, das irgendwo unterhalb des gegenüberliegenden Plateaurandes begann und sich mindestens vierzig Meilen weit erstreckte, ehe es an einer weiteren Bergkette endete. Und weit entfernt zur Linken erstreckte sich in gewohnter Klarheit die schwarze Straße.
»Die Wüste da?« fragte er. »Ich hätte dir gleich sagen können, daß sie da ist. Warum hast du mich nicht gefragt?«
Ich stieß einen Laut aus, halb Ächzen, halb Schluchzen, und ließ mich langsam zu Boden sinken.
Wie lange ich in dieser Stellung verharrte, weiß ich nicht genau. Ich hatte beinahe das Gefühl, im Delirium zu sein. Irgendwann glaubte ich sogar eine Lösung auszumachen, wenn es in mir auch eine Stimme gab, die sich heftig dagegen aussprach. Endlich ließen mich das Tosen des Sturms und Hugis Geplapper wieder zu mir kommen.
»Ich schaffe es nicht hinüber«, flüsterte ich. »Es geht nicht.«
»Du sagst, du kannst es nicht schaffen«, sagte Hugi. »Aber du hast nicht versagt. Wenn man sich bemüht, gibt es kein Versagen und auch keinen Sieg. Das ist alles nur eine Illusion des Ego.«
Langsam richtete ich mich auf die Knie. »Ich habe nicht gesagt, ich hätte versagt.«
»Du sagtest, du könntest dein Ziel nicht erreichen.«
Ich blickte zu dem näherkriechenden Unwetter zurück, dessen Blitze nun deutlich zu erkennen waren.