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Ich mußte sofort möglichst dicht an ihn heran. Immerhin hatte ich eine größere Kontrolle über den Edelstein als er, doch meine Einwirkungsmöglichkeiten verringerten sich mit der Entfernung, und bestimmt hatte er das Juwel bei sich. Meine Chance lag allenfalls darin, auf ihn loszustürmen, um jeden Preis in die Kontrolldistanz zu kommen und dann das Kommando über den Stein zu übernehmen und ihn gegen Brand einzusetzen. Allerdings war es möglich, daß er sich dort oben mit einer Leibwache umgeben hatte. Dieser Gedanke beunruhigte mich, denn ein solches Hindernis mochte mich mit katastrophalen Folgen an der Ausführung meines Plans hindern. Und wenn er ungeschützt war – was hinderte ihn daran, mir mit Teleportation zu entwischen, wenn die Lage für ihn zu brenzlig wurde? Was sollte ich dann tun? Dann würde ich meine Jagd auf ihn von vorn beginnen müssen. Ich überlegte, ob ich mit dem Juwel verhindern konnte, daß er sich an einen anderen Ort versetzte. Ich wußte es nicht, nahm mir aber vor, es auf jeden Fall zu versuchen.

Es war sicher nicht der beste Plan, der jemals geschmiedet worden war, aber der einzige, der mir in den Sinn kam. Zeit für weitere Überlegungen blieb mir nicht mehr.

Im Reiten erkannte ich, daß auch andere auf die Anhöhe zuhielten. Random, Deirdre und Fiona waren in Begleitung von acht Kavalleristen durch die feindlichen Reihen geritten, dichtauf gefolgt von einigen anderen Soldaten – ob Freund oder Feind, wußte ich nicht. Der grüngekleidete Ritter schien dabei am schnellsten voranzukommen; er verringerte den Abstand zu der ersten Gruppe. Ich erkannte ihn – oder sie – nicht. Da Fiona zu der Expedition gehörte, wußte ich sofort, was der Vorstoß sollte. Sie hatte bestimmt Brands Gegenwart gespürt und führte nun die anderen zu ihm. Eine kleine Flamme der Hoffnung regte sich in meinem Herzen. Durchaus möglich, daß sie Brands Kräfte neutralisieren oder zumindest dämpfen konnte. Ich beugte mich vor und trieb mein Pferd heftig an; mein Weg führte mich nach links um die Kämpfenden herum. Der Himmel drehte sich unentwegt. Der Wind tobte. Ein ohrenbetäubender Donnerschlag hallte. Ich schaute nicht zurück.

Ich versuchte die anderen einzuholen. Ich wollte nicht, daß sie ihr Ziel vor mir erreichten, fürchtete aber, daß ich es nicht verhindern konnte. Die Entfernung war zu groß.

Wenn sie sich nur umdrehen und mich sehen würden! Bei meinem Anblick würden sie wahrscheinlich warten. Ich wünschte, ich hätte ihnen mein Eintreffen irgendwie signalisieren können. Zu dumm, daß die Trümpfe nicht mehr funktionierten!

Ich begann zu rufen. Ich schrie hinter ihnen her, doch der Wind riß mir die Worte vom Mund, und der Donner rollte darüber hin.

»Wartet auf mich! Verdammt! Ich bin´s, Corwin!«

Niemand schaute in meine Richtung.

Ich passierte die ersten Gruppen von Kämpfern und ritt außer Reichweite von Wurfgeschossen und Pfeilen an der Flanke des Feindes entlang. Die Gegner schienen sich inzwischen noch schneller zurückzuziehen, und unsere Truppen verteilten sich auf ein größeres Gebiet. Brand wollte sicher gleich zuschlagen. Ein Teil des rotierenden Himmels war von einer dunklen Wolke verdeckt, die vor wenigen Minuten noch nicht über dem Schlachtfeld geschwebt hatte.

Ich wandte mich hinter den zurückweichenden Streitkräften nach rechts und galoppierte auf die Hügel zu, die die anderen bereits erreicht hatten.

Unterwegs verdüsterte sich der Himmel immer mehr, und ich begann um meine Genossen zu bangen. Sie rückten Brand bereits zu dicht auf den Pelz. Er würde etwas gegen sie unternehmen müssen. Es sei denn, Fiona war stark genug, um ihn zu bremsen . . .

Vor mir zuckte ein greller Blitz auf. Mein Pferd stieg auf die Hinterbeine, und ich wurde zu Boden geschleudert. Der Donner brüllte, ehe ich den Boden berührte.

Sekundenlang lag ich betäubt da. Das Pferd war davongaloppiert und kam erst nach etwa fünfzig Metern unsicher zum Stehen. Ich rollte mich auf den Bauch und starrte den langen Hang empor. Die anderen Reiter lagen ebenfalls am Boden. Der Blitzstrahl war offenbar in die Gruppe gefahren. Mehrere bewegten sich, die Überzahl aber nicht. Noch hatte sich niemand aufgerichtet. Über ihnen erblickte ich das rote Funkeln des Juwels unter einer Art Felsvorsprung, heller und gleichmäßiger schimmernd, dahinter die schattenhaften Umrisse der Gestalt, die den Edelstein trug.

Ich begann den Hang emporzukriechen. Ehe ich mich aufrichtete, wollte ich aus dem Blickfeld jener Gestalt verschwinden. Sie kriechend zu erreichen, würde zu lange dauern; ich mußte im Bogen um die anderen herum, da seine Aufmerksamkeit sicher nur ihnen galt.

Vorsichtig bewegte ich mich voran, jede Deckung ausnutzend, jeden Augenblick darauf gefaßt, daß der Blitz auch mich treffen würde, daß Brand die große Katastrophe auf unsere Kämpfer herabbeschwor. Es konnte jederzeit soweit sein. Ein Blick über die Schulter zeigte mir unsere Truppen weit ausgebreitet am anderen Ende des Schlachtfeldes. Der Feind hatte sich davon gelöst und bewegte sich in unsere Richtung. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis ich auch diese Kämpfer noch in meine Überlegungen einbeziehen mußte.

Ich verschwand in einem schmalen Graben und schlängelte mich etwa zehn Meter weit in südlicher Richtung. Dann auf der anderen Seite wieder hinaus, in Deckung einer Anhöhe, in den Schutz einiger Felsen huschend.

Als ich vorsichtig den Kopf hob, um die Lage zu peilen, war das Glühen des Juwels nicht mehr auszumachen. Der Spalt, in dem es geleuchtet hatte, wurde nun durch einen Felsrand verdeckt.

Trotzdem kroch ich in unmittelbarer Nähe des großen Abgrundes weiter und wandte mich erst dann wieder nach rechts. Schließlich erreichte ich eine Stelle, an der ich mich gefahrlos aufrichten konnte, und tat es. Ich war auf einen weiteren Blitz, einen zweiten Donnerschlag gefaßt – ganz in der Nähe oder unten auf dem Schlachtfeld –, doch nichts geschah. Ich wunderte mich. Warum geschah nichts? Ich schickte meinen Geist aus und versuchte die Gegenwart des Juwels zu erspüren, stieß aber auf keine Resonanz. Ich hastete auf die Stelle zu, an der ich das Schimmern gesehen hatte.

Ich starrte über den großen Abgrund, um mich zu vergewissern, daß aus dieser Richtung keine neuen Gefahren anrückten, und zog meine Klinge. Als ich mein Ziel erreichte, hielt ich mich dicht an den Felsen und ging seitlich in nördlicher Richtung. Als der Spalt unmittelbar vor mir lag, duckte ich mich und starrte um die Ecke.

Kein roter Schimmer. Keine schattenhafte Gestalt. Die Nische war leer. Nichts Verdächtiges war in der Nähe zu sehen. Hatte er sich an einen anderen Ort versetzt? Und wenn ja, warum?

Ich stand auf, ging um die Felserhebung herum und schritt weiter in diese Richtung. Noch einmal versuchte ich Kontakt mit dem Juwel aufzunehmen und erhielt diesmal eine schwache Reaktion – es schien sich irgendwo rechts zu befinden und ein Stück über mir.

Lautlos bewegte ich mich in diese Richtung. Warum hatte Brand sein Versteck verlassen? Seine Position war geradezu ideal gewesen für die Durchführung seiner Pläne. Es sei denn . . .

Ich hörte einen Schrei und einen Fluch. Von zwei verschiedenen Stimmen. Ich begann zu rennen.

11

Ich kam an der Nische vorbei und hastete weiter. Dahinter führte ein natürlicher Pfad in zahlreichen Windungen bergauf. Ich folgte ihm.

Noch war niemand zu sehen, doch mit jedem Schritt wuchs das Gefühl, daß das Juwel in der Nähe war. Ich glaubte von rechts einen Schritt zu hören und fuhr in diese Richtung, doch es ließ sich niemand sehen. Da das Juwel sich andererseits auch nicht so nahe anfühlte, setzte ich meinen Marsch fort.