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Ich mühte mich stundenlang, die beiden mit dem unversehrten Arm freizulegen, bevor ich einsah, dass ich es nicht schaffen konnte. Ich gab auf. Dann barg ich aus dem Van, der mit dem Fahrwerk nach oben lag, ein paar Notrationen. Ich würgte an dem Trockenzeug, brachte aber wenigstens ein paar Bissen hinunter.

Als ich mein Handy ausprobierte, gab es nur ein Prasseln von sich und ein »no Signal« zog über das Display, die Buchstaben verzerrt, als spüle die Flut darüber.

Die Sonne ging unter. Der Himmel wurde indigoblau, dann dunkel. Am westlichen Horizont, da wo der Chronolith gestanden hatte, loderten Buschfeuer.

Ich machte kehrt und ging in die andere Richtung.

Siebenundzwanzig

Neulich habe ich zwei weltbekannte Orte besucht: den Wyoming-Krater und die Schiffswerften von Boca Raton in Florida. Der eine ein See, belastet mit Erinnerung; der andere das Tor zu den Sternen.

Und…

Nein. Erst das noch.

Bevor ich es nach Minneapolis schaffte, hatte man Ashlee wieder aus dem Krankenhaus entlassen.

Ich selbst war auch im Krankenhaus gewesen, oder besser in der Notaufnahme einer kleinen Klinik in Pine Ridge.

Ich war drei Tage mit einer Kopfverletzung durchs Hinterland von Wyoming gepilgert: Sonne und Hunger hatten mich so zugerichtet, dass ich die drei Stufen nicht mehr hinaufkam. Den linken Arm trug ich in einer Schlinge.

Ashlee hatte es, weiß Gott, schlimmer erwischt.

Ashlee hatte mich natürlich gewarnt, aber auf das, was ich zu sehen bekam, als ich die Wohnung aufschloss und sie mich ans Bett rief, darauf war ich nicht gefasst gewesen.

Die Verbrennungen und Blutergüsse am Körper wurden vom schneeweißen Bettzeug bedeckt. Aber beim Anblick ihres Gesichts fuhr ich zusammen.

Ich werde jetzt nicht ins Detail gehen. Ich sagte mir, dass alles heilen würde, dass sich das Blut in den Prellungen verziehen und die geplatzte Haut rings um die Nähte verheilen und Ash schon bald wieder die Augen ganz aufbekommen würde.

Sie sah mich aus purpurroten Schlitzen an. »So schlimm?«, sagte sie.

Es fehlten ihr einige Zähne.

»Ashlee«, sagte ich, »es tut mir ja so Leid.«

Sie küsste mich trotz ihres Zustands und ich hielt sie trotz meines Arms.

Jetzt begann Ash sich zu entschuldigen. Sie hatte Angst gehabt, ich würde ihr nicht verzeihen, dass sie schließlich zu Kreuze gekrochen war und Adam Mills verraten hatte, wo ich zu finden war. Gott ist mein Zeuge, dass ich Abbitte leisten wollte, weil ich sie in diese Lage gebracht hatte.

Doch ich legte meine Finger unendlich behutsam auf ihre geschwollenen Lippen.

Warum das Scheußliche noch mit Selbstbezichtigungen überhöhen?

Wir hatten es überstanden. Wir waren zusammen. Das war genug.

Was ich nicht gewusst hatte, aber schließlich von Ashiee erfuhr: Morris Torrance hatte seinen Posten unten auf der Straße nicht verlassen.

Adam Mills hatte ihn als Leibwächter identifiziert und seine Leute über einen Hintereingang ins Haus gebracht. Kurz bevor Adam bei Ashiee aufgetaucht war, hatte Morris sie angerufen, um sicherzugehen, dass sie in ihrer Wohnung war. Seitdem hatte er nichts Verdächtiges bemerkt. Nach Mitternacht hatte er sich abgesetzt und war zum Marriott zurückgefahren, um ein paar Stunden zu schlafen. Er trug einen elektronischen Signalgeber für den Fall, dass Ashiee in der Zwischenzeit Hilfe benötigte. Es hatte keinen Alarm gegeben. Am Morgen hatte er Ash wieder angerufen, hatte aber keine Antwort bekommen. Er war sofort zu ihrer Wohnung gefahren, nicht lange nachdem Kaitlin dort angekommen war, und hatte noch einmal vergeblich bei Ashiee angerufen. Zutiefst beunruhigt hatte Morris bei ihr geklingelt.

Sie hatte verspätet reagiert und sich in der Sprechanlage sehr undeutlich angehört. Morris gab vor, er sei von der Zustellung, habe ein Paket für sie und brauche ihre Unterschrift.

Ash, die seine Stimme erkannt haben musste, erklärte, sie könne jetzt nicht aufmachen. Ob er nicht noch einmal wiederkommen könne.

Er erwiderte, er könne zwar wiederkommen, aber das Paket trage einen Aufkleber mit »verderblich«.

Das sei egal, hatte Ashiee gesagt.

Dann hatte Morris den Kamerabereich verlassen, die Polizei angerufen und Gefahr im Verzug gemeldet. Er hatte sich mit dem Hausschlüssel, den ich ihm gegeben hatte, Zutritt verschafft, sich beim Hausverwalter als FBI-Beamter ausgegeben und von diesem einen Zweitschlüssel für Ashlees Apartment verlangt.

Er wusste, wie lange es dauern konnte, bis die Polizei vor Ort war, und entschloss sich, nicht zu warten. Er fuhr mit dem Aufzug in unsere Etage, rief noch einmal bei Ash an, um mit dem Läuten des Telefons das Drehen des Schlüssels im Schloss zu kaschieren, und betrat unser Apartment mit gezogener Waffe. Er war, wie er mir so oft erklärt hatte, ein pensionierter FBI-Beamter ohne Fronterfahrung. Aber er war geschult und er hatte nichts verlernt.

Kaitlin saß zu diesem Zeitpunkt eingesperrt im Schlafzimmerschrank und Ashlee lag ausgestreckt auf dem Sofa, wo man sie nach den Misshandlungen hatte liegenlassen.

Ohne zu zögern erschoss Morris den Mann, der über Ash stand, dann richtete er die Waffe auf den zweiten Kuinisten, der eben aus der Küche kam.

Dieser hatte bei dem Schuss auf seinen Komplizen die Bierflasche fallen lassen und seine Waffe gezogen. Er streckte Morris mit einem einzigen Schuss nieder, doch Morris konnte, schon am Boden, noch zurückschießen. Der Wohnzimmertisch bot ihm ein wenig Deckung. Er schoss zweimal und traf den Gegner in Kopf und Hals.

Morris war am Bein verletzt — das Projektil hatte eine Schneise in den Oberschenkel gepflügt, ähnlich wie die Kugel, die Sue Chopra in Jerusalem getroffen hatte —, konnte aber, bevor er die Besinnung verlor, Ashlee noch beruhigen und Kaitlin aus dem Schrank befreien.

Kait — geschlagen und vergewaltigt, aber immer noch beherzt — legte Morris noch vor Eintreffen der Polizei einen provisorischen Druckverband an. Ashlee raffte sich vom Sofa auf und torkelte ins Bad.

Sie tränkte ein Tuch mit Wasser und versuchte erst Morris, dann Kaitlin und zuletzt sich selbst das Blut aus dem Gesicht zu tupfen.

»Das war leichtsinnig«, sagte Morris, als ich ihn im Krankenhaus besuchte.

»Es war das einzig Richtige.«

Er zuckte die Achseln. »Na ja, ich denke schon.« Er saß im Rollstuhl, das in Gel und Gips gelegte Bein auf einer freitragenden Schiene. »Da vorne fehlt das rote Tuch«, scherzte er.

»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.«

»Werden Sie nicht sentimental, Scotty«, sagte er, wobei seine Augen verdächtig glitzerten. »Wie geht es Ihrer Frau?«

»Sie ist auf dem Weg der Besserung.«

»Und Kaitlin?«

»Schwer zu sagen. Man bringt David nach Hause.«

Er nickte. Wir saßen eine Zeit lang da und schwiegen.

Dann sagte er: »Ich habe es in den Nachrichten gesehen. Das mit dem Wyoming-Chronolithen. Hat ein bisschen gedauert, aber Sue hat erreicht, was sie wollte, oder?«

»Sie hat erreicht, was sie wollte.«

»Schande über Hitch und Ray.«

Ich gab ihm Recht.

»Und Sue.« Er sah mich vielsagend an. »Schwer zu glauben, dass sie wirklich gegangen ist.«

»Glauben Sie es«, sagte ich.

Denn ein Geheimnis ist nur so lange ein Geheimnis, wie du es nicht verrätst.

»Sie wissen, dass ich ein altmodischer Christ bin, Scotty. Ich weiß nicht genau, woran Sue geglaubt hat, außer an diesen hinduistischen Shiva. Aber sie war ein guter Mensch, finden Sie nicht?«

»Der beste.«

»Sehen Sie. Ich konnte mir nicht erklären, warum sie wollte, dass ich hierbleibe, und Sie mit nach Wyoming sollten. Nichts für ungut, aber da war ich stinksauer. Doch jetzt denke ich, ich war richtig hier.«