Выбрать главу

Rhonin ging sofort zu ihm. „Krasus, wie ist das möglich?“

„Ich habe getan, was ich getan habe“, sagte der Angesprochene und berührte unbewusst die drei kleinen Narben auf seinem Gesicht. „Ich muss euch sagen, dass Korialstrasz uns verlassen hat.“

Die Nachricht kam zwar nicht überraschend, schockierte jedoch alle. Ohne den Drachen mussten sich die Nachtelfen noch stärker als zuvor auf ihre kleine Gemeinschaft stützen.

Am anderen Ende des Saals setzte Lord Ravencrest seine Rede fort. „Sobald wir dort sind, wird eine zweite Streitmacht unter Lord Desdel Stareyes Kommando vom Süden her angreifen und sie so von zwei Seiten in die Zange nehmen…“

Neben dem Thron stand ein sehr hagerer Nachtelf, der die gleiche Rüstung wie Ravencrest angelegt hatte, aber einen Umhang aus miteinander verwobenen grünen, orangefarbenen und purpurnen Linien trug. An der Spitze von Stareyes Helm sah man eine Krone aus Nachtsäblerfell. Der Helm war außerdem mit zahlreichen kleinen Edelsteinsternen verziert. In der Mitte jedes Edelsteins saß ein goldenes Auge. Zweifellos wirkten diese Verzierungen auf Außenstehende kitschig, Stareyes Kameraden gefielen sie jedoch. Der Nachtelf schien auf jeden herabzublicken – auf jeden außer seinem Gastgeber, denn Desdel Stareye wusste, wie wichtig seine Verbindung zum Hause Ravencrest war.

„Wir müssen uns schnell bewegen, natürlich, ja“, fügte Stareye überflüssigerweise hinzu. „Sie im Herzen treffen, ja. Die Dämonen werden sich vor unseren Klingen ducken und um Gnade winseln, doch die werden wir ihnen nicht gewähren.“

Er griff in einen Beutel an seinem Gürtel, nahm ein weißes Pulver heraus und schniefte es.

„Der Himmel möge uns beistehen, wenn dieser Lackaffe eine Armee kommandieren soll“, murmelte Rhonin. „Seine Rüstung glänzt, als wäre sie frisch geschmiedet. Hat er jemals eine Schlacht gesehen?“

Malfurion verzog das Gesicht. „Nur wenige aus unserem Volk haben das. Die meisten überlassen diese geschmacklose Pflicht Lord Ravencrest, der Mondgarde oder den örtlichen Streitkräften. Leider entscheidet in schweren Zeiten die Blutlinie darüber, wer den höchsten Rang erhält.“

„Fast wie bei den Menschen“, sagte Krasus, bevor Rhonin antworten konnte.

„Rasch bis ins Herz vorstoßen“, pflichtete Lord Ravencrest bei. „Und das muss uns gelingen, bevor die Hochwohlgeborenen das Portal für weitere Ungeheuer öffnen…“

Malfurion war überrascht, als Krasus vortrat und es wagte, Ravencrest zu unterbrechen. „Ich befürchte, dass es dafür bereits zu spät ist, Mylord.“

Einige Nachtelfen murmelten verärgert über diese Unhöflichkeit eines Fremden. Krasus ignorierte sie und ging auf den Thron zu. Malfurion bemerkte, dass der Magier noch immer leichte Anzeichen des Unwohlseins zeigte. Es schien ihm zwar gelungen zu sein, sich von dem Drachen zu lösen, doch seine geheimnisvolle Krankheit hatte er nicht völlig überwunden.

„Was soll das heißen, Zauberer?“

Krasus blieb vor Ravencrest stehen. „Dass das Portal bereits geöffnet wurde.“

Seine Worte hallten durch den Saal. Einige Nachtelfen wurden blass unter ihrer purpurnen Gesichtsfarbe. Malfurion verstand es gut, denn das waren wirklich schlechte Nachrichten. Er fragte sich, wie sie reagieren würden, wenn sie erfuhren, dass der einzige Drache, der sie unterstützt hatte, nicht mehr bei ihnen war.

Desdel Stareye fragte hochmütig: „Woher weißt du das?“

„Ich habe die magischen Strahlen gespürt“, antwortete Krasus. „Ich weiß, was sie bedeuten. Das Portal wurde geöffnet.“

Der Adlige rümpfte die Nase, als wolle er damit ausdrücken, wie fragwürdig solche Beweise waren. Lord Ravencrest akzeptierte Krasus’ Aussage jedoch mit düsterem Nicken. „Wie lange ist das her?“

„Einige Minuten. Ich habe es zweimal überprüft, bevor ich hierher eilte.“

Der Herrscher der Black-Rook-Festung lehnte sich zurück. „Das sind schlimme Nachrichten. Doch, wenn erst so wenig Zeit vergangen ist…“

„Es gibt noch Hoffnung“, stimmte der Zauberer zu. „Das Portal ist schwach. Sie werden nur wenige gleichzeitig hindurchbringen können. Noch wichtiger ist, dass ihr Herr es noch nicht betreten kann. Sollte er es versuchen, wird er das Portal zerstören…“

„Welche Rolle spielt das? Er kann doch einfach da bleiben, wo er ist und seinen Armeen Befehle erteilen“, sagte Stareye und schniefte.

„Die Brennende Legion ist nur ein Schatten seiner furchtbaren Macht. Selbst wenn alle Dämonen, die ihm dienen, das Portal durchschreiten, hätten wir noch Hoffnung. Doch sollten wir alle vernichten, aber ihm den Schritt in unsere Welt ermöglichen, gäbe es diese nicht mehr.“

Stille folgte auf seine Worte. Malfurion blickte zu Rhonin und Brox. Ihre Mimik spiegelte Krasus’ Warnung wider.

„Das ändert nichts“, erklärte Ravencrest abrupt. Er sah sein Publikum entschlossen an. „Zin-Azshari steht jetzt mehr denn je im Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Dort erwarten uns das Portal und unsere geliebte Azshara. Deshalb werden wir dorthin marschieren!“

Die Nachtelfen begannen spontan zu jubeln, so sehr vertrauten sie dem älteren Kommandanten in Kriegsdingen. Nur wenige Nachtelfen hatten einen Ruf, der sich mit dem von Lord Ravencrest messen konnte. Er scharte die Krieger mit fast ebenso großem Geschick unter seinem Banner wie die Königin.

„Die Krieger stehen bereit! Sie warten nur noch auf unsere Entscheidung. Nach dieser Versammlung werdet ihr alle zu euren Einheiten zurückkehren und sie vorbereiten. Morgen werden wir am Ende des Tages unseren Marsch auf die Hauptstadt beginnen!“ Ravencrest hob seine Faust. „Für Azshara! Für Azshara!“

„Für Azshara!“, wiederholten die anderen Nachtelfen, unter anderem auch Illidan. Malfurion wusste jedoch, dass sein Bruder den Ruf nur aufnahm, weil er zum Zauberer von Black Rook geworden war. Auch wenn Illidan vielleicht seine eigene Meinung über Königin Azshara hatte, seine neu gewonnene Position wollte er dafür nicht aufs Spiel setzen.

Die Nachelfen-Offiziere stürmten fast aus dem Raum, konnten es kaum erwarten, zu ihren Soldaten zurückzukehren. Malfurion blickte ihnen nach und dachte daran, wie launisch sein Volk sein konnte. Eben noch hatten sie über die neue Bedrohung durch das Portal geklagt, aber jetzt taten sie so, als hätten sie die schlimmen Neuigkeiten nie erfahren.

Aber selbst wenn sie tatsächlich so vergesslich gewesen wären, Rhonin und Brox dachten noch daran. Sie schüttelten die Köpfe, und der rothaarige Zauberer murmelte: „Das geht nicht gut aus. Dein Volk versteht nicht, worauf es sich einlässt.“

„Haben sie denn eine Wahl?“

„Ihr müsst noch einmal darüber nachdenken, Boten auszusenden, so wie ich es vorgeschlagen habe“, beharrte Krasus plötzlich.

Der Zauberer stand noch immer vor Lord Ravencrest, der von zwei ernst wirkenden Wachen und Desdel Stareye umgeben war. Krasus hatte einen Fuß auf das Podest gesetzt. Malfurion hatte ihn noch nie so erregt erlebt.

„Boten aussenden?“, entgegnete Stareye. „Ihr beliebt zu scherzen.“

„Ich verstehe Eure Sorge“, antwortete ihr Gastgeber, „aber so tief sind wir noch nicht gesunken. Fürchtet Euch nicht, Meister Krasus, wir werden Zin-Azshari einnehmen und den Dämonen den Weg durch das Portal abschneiden. Das verspreche ich Euch.“ Er rückte seinen Helm zurecht. „Nun, ich glaube, wir müssen beide noch einiges vor dem Marsch vorbereiten, oder?“

Der Adlige verließ hoch erhobenen Hauptes den Raum, so als habe er bereits gesiegt. Die Wachen und Stareye folgten ihm. Illidan stieß kurz vor der Tür zu seinem Herrn. Krasus sah ihnen mit missmutigem Gesicht hinterher.

„Von was wolltest du ihn überzeugen?“, fragte Rhonin. „Zu wem sollte er Boten schicken?“

„Ich habe versucht – erfolglos versucht, wie es scheint – ihn davon zu überzeugen, um die Hilfe der Zwerge und der anderen Völker zu bitten…“