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Ein kleiner Wirbelsturm bildete sich vor den Reitern. Blätter, kleine Äste, Steine und Erde wirbelten darin umher. Sie zogen sich zusammen, bis sie eine Gestalt bildeten.

„Ich habe auf dich gewartet, Malfurion.“

„Bei Mutter Mond!“, stieß Jarod hervor.

Der Riese bewegte sich auf vier Beinen vorwärts. Die untere Hälfte seines Körpers war die eines Hirsches. Darüber befand sich der Oberkörper eines äußerst muskulösen Nachtelfen, der aus goldenen Augen auf die beiden Reiter herabblickte. Seine violette Haut leuchtete, und seine Finger endeten in knorrigen Zweigen aus dunklem, alten Holz.

Der Neuankömmling schüttelte seine dichte moosgrüne Mähne. Blätter und Zweige schienen darin und in seinem langen Bart zu wachsen. Ein gewaltiges Hirschgeweih ragte aus seiner Stirn.

Malfurion neigte respektvoll den Kopf. „Mein shan’do. Mein verehrter Lehrer.“ Er sah auf. „Ich bin froh, Euch zu sehen, Cenarius.“

Obwohl die beiden Nachtelfen rund zwei Meter groß waren, überragte Cenarius sie und ihre Reittiere. Er war fast drei Meter groß, hinzu kam ein Geweih von mehr als einem Meter Höhe. Er wirkte so beeindruckend, dass der Captain, der immerhin einmal mit einem Drachen gesprochen hatte, ihn nur stumm anstarrte.

Cenarius lachte leise, worauf alle Vögel in seiner Umgebung zu singen begannen. Dann sagte er: „Du bist hier willkommen, Jarod Shadowsong. Dein Großvater war ein wahrer Freund des Waldes.“

Jarod schloss den Mund, öffnete… und schloss ihn wieder. Dann nickte er. Wie alle Nachtelfen war er mit Geschichten über den Halbgott aufgewachsen, aber wie die meisten hatte auch er geglaubt, es seien nur Legenden.

Der Waldgott betrachtete seinen Schüler. „Deine Gedanken sind voller Sorge. Das spüre ich sogar im smaragdgrünen Traum.“

Der smaragdgrüne Traum. Malfurion war schon lange nicht mehr in ihm gewandelt. Im smaragdgrünen Traum sah man die Welt, wie sie vielleicht zu Beginn der Schöpfung ausgesehen hatte – es gab keine Tiere, keine Elfen, keine Zivilisationen. Der Traum strahlte eine Ruhe aus, die beinahe gefährlich war. Man konnte sich darin so verlieren, dass man vergaß, in die sterbliche Welt zurückzukehren. Wer sich im Traum bewegte, konnte eine Ewigkeit dort zubringen, während sein Körper verfiel.

Malfurion hatte von Cenarius gelernt, durch den Traum zu wandeln. Er hatte ihn benutzt, um kurz vor seinem Kampf gegen Lord Xavius in den Palast einzudringen. Seitdem war der junge Nachtelf jedoch aus Angst nicht zurückgekehrt, denn die Erinnerungen an seine Erlebnisse verfolgten ihn immer noch. Ohne seinen Lehrer wäre er bis in alle Ewigkeit im smaragdgrünen Traum gefangen gewesen.

Cenarius bemerkte seine Furcht. „Du musst keine Angst vor dem Traum haben, mein Sohn, auch wenn jetzt nicht die Zeit ist, dort hinzugehen. Allerdings gibt es andere Aspekte deiner Ausbildung, die ich vernachlässigt habe, deshalb möchte ich diese Pause nutzen, um dich aufzusuchen.“

„Diese Pause? Was soll das heißen?“

„Die anderen wissen noch nicht, wie sie mit den Dämonen verfahren sollen. Wir werden gegen sie kämpfen, aber da wir Wesen mit unterschiedlichen Machtbereichen sind, fällt es uns schwer, zusammenzuarbeiten. Jeder von uns glaubt, am besten zu wissen, was zu tun ist.“

Diese Neuigkeiten milderten Malfurions Sorge nicht. Zuerst hatten die Drachen sich geweigert, gegen die Brennende Legion anzutreten, und nun konnten sich sogar die Halbgötter, die Wächter der natürlichen Welt, nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Jetzt hing alles an den Nachtelfen… vor allem an Malfurion und seinen Begleitern.

„Wir werden nicht viel Zeit zusammen verbringen. Es gibt einige Dinge, die ich dir rasch beibringen muss. Wir werden den ganzen Tag brauchen…“

„Das kommt nicht in Frage!“, stieß Captain Shadowsong zu seiner eigenen Überraschung hervor. „Meine Befehle lauten – “

Freundlich lächelnd trottete der Waldgott auf den Soldaten zu. Jarod wurde bleich, als Cenarius’ Schatten auf ihn fiel, und verstummte abrupt.

„Er steht unter meinem Schutz, während er bei mir ist, und er wird zurück sein, wenn dein Kommandant ihn braucht. Du wirst deine Pflichten nicht verletzen.“

Der Offizier schloss den Mund. Er schien nicht glauben zu können, dass er gewagt hatte, den Waldgott zu unterbrechen.

„Kehre zu deinen anderen Aufgaben zurück. Ich werde dafür sorgen, dass Malfurion gesund zurückkehrt.“

Der Druide fühlte sich wie ein Kind, über das die Erwachsenen entscheiden, aber Jarod schien genau auf diese Worte gewartet zu haben. Er nickte Cenarius zu und verbeugte sich. „Wie Ihr wünscht, Mylord.“

„Ich bin nicht dein Herrscher, Nachtelf. Ich bin Cenarius. Geh mit meinem Segen.“

Nach einem letzten Blick auf Malfurion und seinen Lehrer wendete der Captain seinen Nachtsäbler und ritt zurück zu den Streitkräften.

Cenarius wandte sich an seinen Schüler: „Wir sollten beginnen, mein thero’shan.“ Die Gelassenheit verschwand aus der Miene des Halbgottes. „Ich fürchte, wir werden all unser Wissen benötigen, um unsere Welt vor den Dämonen zu retten…“

Im gleichen Augenblick flog jemand, der ebenfalls glaubte, dass alle verfügbaren Mittel nötig sein würden, um die Brennende Legion zu schlagen, über das Reich der Drachen hinweg. Er suchte nach dem Berggipfel, unter dem sein Volk sein Zuhause errichtet hatte.

Korialstrasz hatte während seines langen Flugs über vieles nachgedacht. Unter anderem über das Schweigen seiner Geschwister. Drachen lebten zwar zurückgezogen, doch eine solche Stille wie hier hatte er noch nie nahe ihres Domizils erlebt. Niemand antwortete auf seine Rufe; sogar seine geliebte Alexstrasza schwieg.

Dieser Gedanke brachte ihn zu den Dämonen. Er glaubte zwar nicht, dass sie die Drachen vernichtet hatten, doch das Schweigen nährte solche Furcht. Er wünschte beinahe, Krasus hätte ihn begleitet. Dann hätte er über diese düsteren Befürchtungen mit einem anderen roten Drachen sprechen können.

Auch mit Krasus beschäftigten sich also seine Gedanken. Korialstrasz hatte bereits die meisten Theorien über diesen rätselhaften Drachen, dessen Worten selbst Alexstrasza Aufmerksamkeit schenkte, verworfen. Sie verhielt sich, als sei Krasus auf der gleichen Stufe wie ihre Gefährten, als sei er selbst einer von ihnen. Doch das konnte nicht sein… außer…

Nein, das ist unmöglich, dachte der Drache. Das wäre zu gewagt!

Aber es hätte auch sehr vieles erklärt…

Er würde Alexstrasza von diesen Ideen berichten, wenn er sie fand. Korialstrasz hielt Kurs auf den vertrauten, Nebel bedeckten Berg. Er sah keine Wachen auf den Vorsprüngen – ein weiteres schlechtes Zeichen.

Der große rote Drache flog durch den Höhleneingang ins Innere des Bergs. Er drehte seinen massigen Kopf von einer Seite zur anderen, konnte jedoch keine anderen Drachen entdecken. Es war totenstill in den Gängen.

Doch als er die Flügel zusammenfaltete und weitergehen wollte, stieß er gegen ein Hindernis, das er mit keinem seiner anderen Sinne wahrgenommen hatte. Es fühlte sich an, als sei die Luft so schwer wie Honig. Mit großer Entschlossenheit warf sich Korialstrasz dem Widerstand entgegen, als wäre es ein rivalisierender Drache.

Langsam tauchte er darin ein. Er spürte, wie die Luft gegen seinen Körper drückte. Das Atmen fiel ihm schwer, und er sah die Welt wie durch Wasser. Trotzdem gab Korialstrasz nicht auf.

Und plötzlich, ohne jede Vorwarnung, war er hindurch.

Stimmen drangen an sein Ohr. Da das Hemmnis so unerwartet verschwunden war, fiel der Drache nach vorne. Er wäre im Staub gelandet, aber große Tatzen griffen nach ihm und verhinderten es.

„Ich freue mich, dich zu sehen“, knurrte eine tiefe Stimme. „Wir haben uns um dich gesorgt, mein Junge.“

Tyranastrasz stützte ihn. Das Reptiliengesicht von Alexstraszas ältestem Gefährten wirkte besorgt. Hinter ihm gingen andere Drachen durch die Gänge. Korialstrasz war überrascht, als er zwischen ihnen auch Drachen anderer Farben entdeckte. Es herrschte große Geschäftigkeit und Nervosität unter ihnen.