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Der Krieg hatte kurz darauf geendet und Brox damit des einzigen Mittels beraubt, mit dem er das, was er als Verfehlung sah, wieder hätte gutmachen können. Als der Kriegshäuptling Thrall ihn bat, die Anomalie zu untersuchen, hatte Brox es als ein Zeichen der Geister gewertet und auf ein Ende seines Leids gehofft.

Doch der Einzige, der bei dieser Mission ums Leben kam, war sein junger Begleiter, was zusätzlich auf Brox lastete. Dann, als deutlich wurde, dass die Brennende Legion in Kalimdor einfallen würde, hatte er ein weiteres Mal seine Chance auf ein Ende gesehen. Er hatte sich in den Kampf geworfen und so hart gekämpft wie nie zuvor. Er hatte sich nur an der Front aufgehalten und jeden Feind herausgefordert. Doch leider hatte er zu gut gekämpft, denn während seine Feinde gleich dutzendweise fielen, trug er kaum einen Kratzer davon.

Als die Streitmacht in Suramar aufbrach, war der ältere Orc schließlich auf die Idee gekommen, dass er eine ganz andere Sünde begangen hatte. Er begriff, dass es falsch gewesen war, sich seines Überlebens zu schämen. Jetzt fühlte er neue Scham, denn alle um ihn herum kämpften ums Überleben, während er bereit war, sein Leben wegzuwerfen. Ihre Gründe für den Kampf gegen die Brennende Legion waren nicht die seinen.

„Es stört mich nicht, in der Schlacht zu sterben. Das ist ein ruhmreiches Schicksal für einen Orc, Schamanin. Aber es entehrt mich, dass ich den Tod herbeisehne und damit diejenigen gefährde, die gegen das Böse kämpfen, um zu überleben.“

Tyrande sah dem Orc in die Augen. Die anderen hielten ihn für ein Monster, doch er hatte erneut bewiesen, dass seine Gedanken komplex und bedeutungsvoll waren. Sie berührte seine raue Wange und lächelte leicht. Wie arrogant war ihr Volk, dass es sich weigerte, am Aussehen vorbei in die Seele und den Geist zu schauen.

„Du musst mir kein Geständnis machen, Broxigar. Du hast es deinem Herzen und deiner Seele längst gestanden. Das bedeutet, dass Elune und die Geister deine Reue gespürt haben. Sie wissen, dass du die Wahrheit erkannt hast und deine früheren Gedanken bedauerst.“

Er grunzte und küsste ihre Handfläche, was sie überraschte. „Ich danke dir trotzdem, Schamanin.“

Im gleichen Moment ertönten die Hörner. Tyrande berührte den Orc kurz an der Stirn und murmelte ein leises Gebet. „Mutter Mond wird über deinen Geist wachen, egal, welches Schicksal die Schlacht für dich bereithält.“

„Ich danke dir für deine Worte, Schamanin. Ich werde dich nicht länger belästigen.“

Brox hob seine Axt zum Zeichen des Respekts, dann trottete er von dannen. Tyrande beobachtete ihn, bis er zwischen den anderen Kämpfern verschwand. Erst als ein lautes Signal der Priesterinnen sie an ihren eigenen Aufbruch erinnerte, wandte sie sich ab. Sie musste ihre Gruppe anführen, wenn sich die Streitmacht in Bewegung setzte. Sie musste sich dem Schicksal stellen, das Elune für sie auserkoren hatte.

Und dazu, das wusste sie, gehörte mehr als die kommende Schlacht.

„Es sind Soldaten aus zwei Siedlungen im Nordwesten zu uns gestoßen“, sagte Rhonin, der neben Krasus ritt. „Es sollen fünfhundert sein.“

„Die Brennende Legion kann solche Zahlen in nur wenigen Stunden mobilisieren.“

Der rothaarige Zauberer sah seinen ehemaligen Lehrmeister verärgert an. „Wenn das alles egal ist, warum bemühen wir uns dann noch? Wieso setzen wir uns nicht einfach ins Gras und warten, bis uns die Dämonen die Kehle durchtrennen?“

Er verzog das Gesicht in gespielter Verblüffung. „Aber Moment mal, das ist ja gar nicht passiert. Die Nachtelfen haben ja gekämpft – und sie haben gesiegt!“

„Schon gut!“, zischte Krasus und sah Rhonin ebenso verärgert an. „Ich spiele die Verstärkung nicht herunter, ich weise nur auf die Fakten hin. Wir sollten außerdem nicht vergessen, was unsere Anwesenheit hier und die Anomalie, die sich durch alle Zeiten zieht, bedeuten. Was einst geschehen ist, muss sich nicht wiederholen. Es ist sehr, sehr wahrscheinlich, dass die Brennende Legion dieses Mal triumphiert… und alles, was wir kennen, verloren sein wird.“

„Das werde ich nicht zulassen! Das kann ich nicht!“

„Die Ewigkeit interessiert es nicht, welches Schicksal du, deine Gefährtin Vereesa und die ungeborenen Zwillinge erleiden werden, Rhonin… aber ich werde für sie ebenso hart kämpfen wie für die Zukunft meines eigenen Clans, ganz gleich, wie monströs sie sich gestalten wird.“

Rhonin schwieg. Er wusste genau so gut wie der Drachenmagier, welches Schicksal der rote Clan schließlich erleiden würde. Auch wenn die Brennende Legion in dieser Zeitebene geschlagen wurde, würde das Leid der Drachen schrecklich sein. Deathwing, der Zerstörer würde dafür sorgen, dass die Orcs die Leviathane unterwarfen und sie als Kriegsbestien einsetzten. Viele Drachen würden sinnlos sterben.

„Dabei schien es wieder Hoffnung für uns zu geben“, sagte Krasus. Sein Blick schweifte in die Ferne. „Und das ist Grund genug, dafür zu sorgen, dass die Geschichte sich nicht verändert.“

„Ich kenne die Geschichte nur aus den Schriften, die die Zauberer von Dalaran aufbewahrt haben, Krasus, aber du warst dabei.“

Die hagere Gestalt zischte erneut. „Die Erinnerungen, die dir aus den Schriften geblieben sind, dürften genauer als die meines eigenen, verwirrten Geistes sein. Ich glaube, das liegt daran, dass Nozdormu in meine Gedanken eingedrungen ist. Das war vielleicht nötig, um die Grundlage unserer Mission zu schaffen, aber ich konnte nicht alles in mich aufnehmen, ohne andere Erinnerungen zu verlieren.“

Nozdormu, der Aspekt der Zeit, hatte sich an Krasus gewandt und ihn vor einer Krise gewarnt. Man konnte den gewaltigen sandfarbenen Drachen auch in dieser Zeitperiode nicht aufsuchen, und Krasus befürchtete, dass er und all seine Inkarnationen in der Anomalie gefangen waren.

„Ich befürchte, dass ich mich nie wieder vollständig an diese Zeitperiode erinnern werde. Mir fehlt so viel, dass ich nicht mehr sicher über den Ausgang der Ereignisse bin.“

„Also werden wir kämpfen und das Beste hoffen.“

„Wie es jeder in allen Schlachten der Geschichte getan hat.“

Der bärtige Mensch nickte grimmig. „Das kommt mir gelegen.“

Die Streitmacht der Nachtelfen marschierte ohne Pause und ohne Verzögerungen weiter. Sie legten viele Meilen zurück. Die meisten Soldaten waren guter Dinge, denn es schien, als sei der Feind nicht gerade versessen darauf, die Klingen mit ihnen zu kreuzen. Krasus, dessen Gehör besser war als das der Wesen in seiner Umgebung, hörte, wie die Soldaten sich unterhielten. Die meisten Toten, so sagten sie, habe es unter den Unschuldigen und den Unvorbereiteten gegeben, doch als die Dämonen einer geordneten Streitmacht gegenüber gestanden hätten, wären sie selbst vernichtet worden. Einige behaupteten sogar, der Krieg wäre schon längst gewonnen, wenn man den Dämonen nach der ersten Schlacht bis Zin-Azshari gefolgt wäre, anstatt sich zurückzuziehen und auf Verstärkung zu warten.

Solche Behauptungen bereiteten Krasus Sorge. Es war richtig, zuversichtlich in eine Schlacht zu ziehen, aber es war falsch, den Gegner zu unterschätzen. Die Nachtelfen mussten begreifen, dass die Brennende Legion tödlich war.

Sein Blick fiel auf den einen Nachtelfen, der sich dessen bewusst zu sein schien. Krasus wusste, dass Malfurion eine wichtige Rolle in diesem Kampf spielen würde, aber er erinnerte sich nicht mehr an die genauen Umstände. Dazu gehörte sicherlich, dass er der erste Druide war, aber es gab noch andere Umstände, die dazu führen sollten. Der Drachenmagier hatte längst entschieden, dass er um jeden Preis beschützt werden musste.

Die Nacht war beinahe vorüber, als plötzlich Späher aus dem Südosten auftauchten. Ravencrest hatte zahlreiche Reiter ausgesandt, um stets auf dem neuesten Stand zu sein.

Die drei Nachtelfen wirkten erschöpft. Anscheinend hatten sie ihre schwer atmenden Nachtsäbler mit großer Geschwindigkeit geritten. Ihre Gesichter waren schweißbedeckt, ihre Kleidung voller Staub. Sie tranken etwas Wasser, bevor sie von ihrer Erkundung berichteten.