Malfurion suchte nach Wesen oder Pflanzen, die er um Hilfe bitten konnte, aber er fand nur Käfer. Eine leichte Brise wehte eines der Krabbeltiere umher. Der Druide hatte eine Idee. Er sprach durch den Käfer mit dem Wind, erklärte, wie sehr er seine kraftvollen Brisen bewunderte und brachte ihm dazu, mehr von seiner Kunst zu offenbaren.
Der Wind fühlte sich geschmeichelt und erschuf einen kleinen Wirbel. Malfurion spornte ihn weiter an, bis aus dem Wirbel ein gewaltiger und mächtiger Orkan wurde.
Als der Druide spürte, dass die Zerstörungskraft des Sturms ihren Höhepunkt erreicht hatte, lenkte er ihn gegen die Dämonen in den ersten Reihen.
Die Brennende Legion ignorierte den Wind zuerst, doch dann wurden die ersten Dämonen emporgeschleudert und getötet. Die Umstehenden wichen zurück, doch der Tornado folgte ihnen. Malfurion empfand kein Mitleid für die Dämonen. Er hoffte, dass ihnen noch viele weitere folgen würden.
„Fühle dich nicht zu sicher“, warnte Krasus. „Unsere Taktik hat der Armee Zeit verschafft, nicht mehr.“
Der Druide wusste das, schwieg jedoch. Die Nachtelfen konnten die Niederlage nicht in einen Sieg verwandeln. Malfurion und die anderen Magier hatten ihnen nur das Leben erkauft.
Malfurion war noch nicht zufrieden mit seiner Leistung. Durch die Augen des Käfers suchte er nach etwas, das sich gegen die Legion einsetzen ließ. Die Insekten kreisten mutig über den Dämonen und verschafften ihm fünf verschiedene Blickwinkel. Es musste doch etwas dort geben, das er tun konnte…
Der Druide schrie auf, als etwas nach dem Käfer griff und das Leben aus ihm herauspresste. Die anderen Insekten wichen zurück, nur zwei drehten sich um, damit der Druide sehen konnte, was den Käfer getötet hatte.
Inmitten der Dämonen stand eine dunkelhäutige Gestalt, die den Rest der Brennenden Legion überragte. Der Dämon bewegte sich wie ein Riese unter Kindern und lenkte die furchtbaren Krieger. Er erinnerte Malfurion ein wenig an die Eredar, war ihnen jedoch weit überlegen. Seine Schultern waren gepanzert, und er betrachtete das Schlachtfeld mit kalter Logik. In seiner rechten Hand hielt der Dämon einige Stücke des Chitinpanzers, der einmal den Käfer umgeben hatte. Dann hob er den Kopf und starrte durch die beiden ausharrenden Käfer direkt in den Geist des Druiden.
Du bist es also…
Ein gewaltiger Druck lastete plötzlich auf Malfurions Kopf. Er meinte, sein Gehirn würde sich ausdehnen und gegen seinen Schädelknochen drücken.
Malfurion versuchte, um Hilfe zu rufen, aber sein Mund verweigerte ihm den Dienst. Verzweifelt suchte er nach etwas, mit dem er den Dämonen ablenken konnte, bevor es zu spät war.
Etwas bewegte sich in den Tiefen der Erde. Die Felsen – die ältesten und härtesten Lebensformen – erwachten aus ihrem ewigen Schlummer. Zuerst berührten sie Malfurion ärgerlich, denn kaum etwas war ihnen wichtiger als der Schlaf. Doch der Druide lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die zerstörte Landschaft, die hinter den Dämonen lag.
Nur wenige wussten, dass Felsen lebten und an den Geschehnissen der Welt teilnahmen. Die, die Malfurion geweckt hatte, erfuhren Furchtbares über die Dämonen, denn selbst die Erde war unter ihnen dem Tode geweiht. Die verdorbene Magie, die den Dämonen innewohnte, tötete alles, egal, wie tief es auch vergraben sein mochte.
Dazu gehörten auch die Steine. Die, die in der zerstörten Landschaft lagen, existierten nicht mehr. Ihre Lebenskraft war von den Dämonen vernichtet worden.
Malfurion brach in die Knie, als der Dämon seinen Kopf noch stärker malträtierte. Er konnte nicht mehr denken und verlor langsam das Bewusstsein.
Der Boden erbebte. Malfurion sackte weiter in sich zusammen, aber der Druck auf seinen Kopf ließ nach.
Durch die Augen der Käfer beobachtete er, wie sich rund um den riesigen Dämon die Erde öffnete. Ein kleinerer Dämon stürzte in eine der Spalten, die sich sofort schloss, als habe sie ihn verschlungen. Die anderen Ungeheuer wichen zurück und überließen den Riesen seinem Schicksal.
Der Blick von Malfurions Feind war immer noch voller Gleichgültigkeit, aber er musste um sein Gleichgewicht kämpfen. Zunehmend größere Spalten öffneten sich vor und neben ihm. Der Koloss griff nach einem der beiden Käfer, aber Malfurion ließ sie rechtzeitig fliehen.
Als sie sich zurückzogen, sah der Druide, dass der Dämon begonnen hatte, einen Kreis um sich zu ziehen. Eine große, grün leuchtende Blase entstand und schützte ihn vor den schweren Erdstößen. Sie stieg mit ihm auf, während unter ihr niedere Dämonen in die Felsklüfte stürzten.
Aus tief liegenden Augen starrte der Dämon Malfurion an.
Ich werde mich an dich erinnern, Insekt…
Dann zog er sich zurück, und dem Druiden wurde klar, dass auch er den Dämon bei ihrem nächsten Treffen wiedererkennen würde. Doch schon jetzt ahnte Malfurion, welchen Namen er trug. Es konnte nur einer sein, der solche Macht ausstrahlte.
Archimonde.
Etwas griff nach seinen Schultern und unterbrach seine Verbindung zu den Käfern. Malfurion rechnete damit, von Teufelsbestien auseinander gerissen zu werden, aber die Hände waren sanft und die Stimme, die zu ihm sprach, besorgt.
„Ich halte dich“, flüsterte Tyrande ihm ins Ohr.
Er nickte stumm, erkannte benommen, dass er nicht mehr auf seinem Nachtsäbler saß und fragte sich, was mit dem Tier geschehen war. Tyrande zog ihn vorsichtig auf ihr eigenes Reittier. Mit überraschender Stärke richtete sie ihn vor sich auf, dann setzte sie die große Raubkatze in Bewegung.
Malfurions Herz raste, als er vom Rücken des Nachtsäblers auf die Katastrophe blickte, die sich um ihn herum abspielte. Hunderte Soldaten trotteten über das hügelige Land, wurden weit im Hintergrund von Dämonen verfolgt. Immer wieder stiegen Flammen zwischen den Streitmächten auf, und hier und da hörte man eine magische Explosion und laute Schreie. Er wusste nicht, ob sie von Nachtelfen oder Dämonen stammten. Malfurion sah auch Lord Ravencrests persönliches Banner im Wind flattern. Den Adeligen selbst entdeckte er nicht.
Gesichter strichen an ihm vorbei, während der Nachtsäbler ihn und Tyrande in Sicherheit brachte. Die Soldaten blickten nicht mehr siegessicher zum Horizont, sondern geschockt und ernüchtert. Sie hatten erkannt, dass sie ihren Kampf vielleicht verlieren würden.
Er musste bei dem Anblick gestöhnt haben, denn Tyrande beugte sich vor und flüsterte: „Hab keine Angst, Malfurion. Ich werde mich um deine Wunden kümmern, sobald wir Zeit dafür haben.“
Der Druide drehte sich und betrachtete ihr Gesicht, das von ihrem Kriegshelm fast vollständig verdeckt wurde. Der Rest war dreckverschmiert – und blutig. Doch Tyrande bewegte sich mit solcher Entschlossenheit, dass das Blut nicht von ihr stammen konnte. Ihm wurde klar, dass sie vermutlich näher an der Front gewesen war als er. Dabei war sie ihm stets so sanft erschienen, selbst in eine Rüstung gehüllt.
„Tyrande!“, stieß er schließlich hervor. „Die anderen?“
„Ich habe Broxigar, die Magier und deinen Bruder gesehen, ebenso den ernsthaften Captain Shadowsong, der sie wie ein Hirte bewacht.“ Sie lächelte bei dem Gedanken.
„Ravencrest?“
„Er ist immer noch Herr über Black Rook.“
Also hatten die stärksten Teile der Streitmacht trotz sonst herber Verluste überlebt. Allerdings hatten weder Ravencrest, noch die Zauberer die Katastrophe verhindern können.
„Tyrande-“
„Sei still, Malfurion. Es ist bemerkenswert, dass du überhaupt sprechen kannst, nach allem, was dir zugestoßen ist.“
Er wusste, dass Archimonde ihn auf geistiger Ebene schwer getroffen hatte, aber er verstand nicht, wieso sie das wusste.
Die Priesterin schloss ihn in ihre Arme. Er genoss die Berührung, aber nicht die Sorge, die er darin spürte.