Выбрать главу

Für die Vernichtung Suramars musste Archimonde einen erheblichen Teil der Legion abgezogen haben, doch die Streitmacht, von der die Nachtelfen verfolgt wurden, schien nicht kleiner geworden zu sein. Der lange Rückzug hatte Ravencrest bisher nur einen einzigen Vorteil verschafft: Die Luftangriffe hatten abgenommen. Die Eredar warfen zwar noch immer ihre Zauber auf die Nachtelfen, aber die ständigen Angriffe hatten sie ausgezehrt. Die Luftangriffe der Teufelskreaturen waren ebenfalls zurückgegangen. Allerdings liefen sie immer noch vor den anderen Dämonen her und griffen die Verteidiger bei jeder sich bietenden Gelegenheit an.

Aus Tag wurde Nacht und aus Nacht wurde Tag, aber Ravencrests Streitmacht kam nicht zur Ruhe. Einige Nachtsäbler-Reiter lagen bereits schlafend auf ihren Tieren und zogen sich den Neid der Infanteristen zu. Die Stärkeren halfen den Schwachen. Doch schlimmer als die Erschöpfung waren die stündlich länger werdenden Flüchtlingskarawanen, die sich vor der Streitmacht bildeten. Den Zivilisten fehlte die Disziplin und die Kondition der Soldaten. Seit Generationen lebten sie friedlich auf ihrem Land. Auf eine Katastrophe waren sie nicht vorbereitet. Bereits nach kurzer Zeit prallten Soldaten und erschöpfte Zivilisten aufeinander.

„Bewegt euch!“, rief Jarod Shadowsong einigen Bauern zu, die langsam vor ihm hertrotteten. „Ihr könnt hier nicht einfach stehen bleiben. Geht weiter!“

Krasus runzelte die Stirn. „Das wird noch schlimmer werden. Ravencrest wird die Disziplin seiner Soldaten nicht aufrecht erhalten können, wenn sie sich noch weiter unter die Flüchtlinge mischen. Genau das beabsichtigt Archimonde.“

„Aber was können wir dagegen tun?“ Dunkle Ringe hatten sich um Rhonins Augen gebildet. Er und die anderen hatten seit Beginn der Schlacht nicht mehr gerastet. Nur Brox wirkte immer noch erholt. Der Orc war in Kriegszeiten aufgewachsen und daran gewöhnt, tagelang ohne Schlaf auszukommen. Aber auch er sehnte sich nach ein paar Stunden der Ruhe.

Es war dann auch Brox, der Rhonins Frage beantwortete, allerdings nicht mit Worten. Dem Orc war aufgefallen, dass der Teil der Streitmacht, in dem er und seine Begleiter marschierten, von den Flüchtlingen blockiert wurde. Also unternahm er etwas dagegen. Er drängte sich an Jarod und der Leibwache vorbei, schrie die Flüchtlinge an und begann, seine Axt über dem Kopf zu schwingen. Er bot einen so furchteinflößenden Anblick, dass die Nachtelfen ihm sofort Platz machten.

„Nein“, knurrte er, „weiter nach vorne! Nicht zurück. Nur nach vorne. Helft anderen.“

Der Orc begann, die Flüchtlinge vor sich herzutreiben wie Kühe oder Schafe. Die Nachtelfen hatten solche Angst vor ihm, dass sie all seine Anordnungen befolgten.

Jarod folgte seinem Beispiel, verteilte seine Wachen und benutzte sie, um die Zivilisten anzuspornen. Nach kurzer Zeit hatten sie Ordnung hergestellt. Einige andere Offiziere bemerkten, was in diesem Teil der Streitmacht geschah und begannen, ebenfalls Befehle zu erteilen, bis eine lange Reihe entstand. Die Geschwindigkeit der Nachtelfen nahm zu.

Doch die Brennende Legion folgte ihnen immer noch. Krasus betrachtete einen Berg in einiger Entfernung, der ihm bekannt vorkam. Er sah Jarod an und fragte: „Captain Shadowsong, trägt dieser düstere Berg einen Namen?“

„Ja, Meister Krasus. Das ist Mount Hyjal.“

„Mount Hyjal…“ Der Magier spitzte die Lippen. „Hat man uns so weit zurückgetrieben?“

Rhonin bemerkte seinen Gesichtsausdruck. Leise, sodass nur Krasus ihn hören konnte, fragte er: „Erinnerst du dich an diesen Namen?“

„Ja… und was ich damit verbinde, bedeutet nichts Gutes für die Nachtelfen.“

Der Mensch schnaufte abfällig. „Kann es noch schlimmer werden?“

Krasus’ Miene verfinsterte sich. „Dieser Rückzug darf nicht weitergehen. Die Streitmacht muss sich dem Feind stellen. Wenn wir uns hinter Mount Hyjal zurückziehen, ist alles verloren.“

„Erinnerst du dich an etwas?“

„Vielleicht denke ich auch nur logisch. Wie dem auch sei, ich bleibe dabei. Wir dürfen nicht weiter als bis zu diesem Berg ziehen. Wenn wir uns dem Gegner nicht stellen, weiß ich nicht, wie die Nachtelfen einen Sieg erringen sollen – auch wenn die Geschichte behauptet, das sei geschehen.“

„Aber Lord Ravencrest tut bereits, was er kann, und die Soldaten sind am Rand der Erschöpfung.“

„Trotzdem müssen wir mehr tun.“ Der Drachenmagier streckte sich auf seinem Nachtsäbler. „Ich frage mich, wo Malfurion ist. Seine Fähigkeiten könnten wir jetzt gebrauchen.“

„Ich habe ihn zuletzt bei der Priesterin Tyrande gesehen. Für einen Nachtelfen war er sehr blass. Er hat da draußen gegen etwas gekämpft, das ihn beinahe vernichtet hätte.“

„Ja, ich glaube, es war Archimonde.“

„Dann wäre Malfurion jetzt tot.“

Krasus schüttelte den Kopf. „Nein… und deshalb wünschte ich, er wäre hier. Aber mit oder ohne ihn müssen wir den Angriff wagen.“

„Den was wagen?!“

Rhonins ehemaliger Lehrer blickte in die Richtung der Dämonen. „Du hast richtig verstanden, wir müssen in die Offensive gehen.“

Die Mächtigsten aller Drachen hatten sich in der Kammer der Aspekte versammelt. Alexstrasza und Neltharion hatten sie dort zusammengerufen. Die vier anwesenden Aspekte leiteten die Versammlung. Außer ihnen hielten sich nur ihre Gefährten und die des abwesenden Nozdormu in der Kammer auf. Alle anderen Drachen hatten bereits etwas von sich gegeben, aber bei so mächtigen Wesen, wie sie sich hier versammelt hatten, benötigte man ein etwas schwierigeres Ritual.

Die drei Gefährtinnen des Erdwächters waren kaum hinter seiner massigen Gestalt zu sehen. Sie waren größer als Korialstrasz, wirkten neben dem schwarzen Drachen jedoch wie Zwerge. Alexstraszas jüngster Gefährte betrachtete sie und bemerkte, dass sie Schatten des Erdwächters zu sein schienen. Ihre Bewegungen hingen von Neltharions Worten und Taten ab. Den roten Drachen verstörte das, aber außer ihm schien niemand darauf zu achten.

Die Smaragddrachen, die Ysera halfen, waren hager und wirkten neben den anderen geflügelten Riesen wie Geister. Noch irritierender war, dass sie sich ebenso wie ihre Herrin nur mit geschlossenen Augen bewegten. Doch unter den Lidern sah man, dass sich ihre Augen ständig bewegten. Die Grünen existierten gleichzeitig auf der weltlichen Ebene und der des smaragdgrünen Traums. Sie waren stumm und reglos, aber Korialstrasz spürte, dass sie die Situation mit ihren magischen Sinnen sehr konzentriert überwachten.

Malygos und seine Gefährten boten einen interessanten Kontrast zu den Grünen. Sie bewegten sich ununterbrochen, stießen einander an und sahen sich überall um. Auf ihren blauweißen Schuppen sah man fröhliche magische Muster und winzige Details, die sie je nach Laune änderten. Korialstrasz fand sie erfrischender als die Schwarzen und Grünen.

Die vier Gefährtinnen von Nozdormu wirkten beinahe so ernsthaft wie Ysera. Sie hatten die gleiche sandbraune Farbe wie der Monarch der Zeit, wirkten aber fester als ihr beinahe flüssiger Herr. Korialstrasz fragte sich, wo sich Nozdormu aufhielt, dass er dieses Ereignis versäumte. Seine Königin hatte angedeutet, dass selbst die Gefährtinnen des Aspekts nicht genau wussten, was geschehen war.

Doch der Zeitlose war in seiner Essenz anwesend, und etwas anderes zählte nicht. Die älteste Gefährtin hielt ein Stundenglas in den Tatzen, das aus goldenem Sonnenlicht zu bestehen schien. Der bronzefarbene Sand darin floss nicht etwa nach unten, sondern nach oben. Wenn sich die obere Hälfte gefüllt hatte, schwebten die Körner nach unten und begannen erneut ihren Weg hinauf.

Der Sand war ein Teil Nozdormus, wurde aber getrennt aufbewahrt, für den Fall, dass sein Clan ihn dringend benötigte. Angeblich hatten alle Aspekte einen Teil ihrer Essenz abgespalten, schließlich waren sie mehr als gewaltige Reptilien. Sie repräsentierten die größten Mächte der Welt, das Fundament allen Lebens. Sie waren erschaffen worden von denen, die einst die Welt geformt hatten. Zwar waren sie an die Gesetze dieser Welt gebunden, aber sie standen so weit über den anderen Drachen, wie die Drachen über den niederen Völkern standen.