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„Wir haben es geschafft“, sagte Rhonin heiser. „Sie haben uns nicht bis zum Mount Hyjal zurückgetrieben.“

„Ja“, antwortete Krasus. Sein Blick ruhte nicht auf den Dämonen, sondern auf den erschöpften Verteidigern. „Ja, wir haben es geschafft, aber die schwierigste Aufgabe liegt noch immer vor uns.“

9

Mannoroth kniete mit gebeugtem Rücken und gefalteten Flügeln vor dem schwarzen Portal. Der Dämon versuchte, sich so klein wie möglich zu machen, denn er sprach mit Sargeras, der in keiner guten Stimmung zu sein schien.

Der Weg steht mir noch nicht offen… Ich hatte mehr erwartet

„Wir bemühen uns“, antwortete Mannoroth, „aber die Aufgabe ist schwer. Es scheint, als sträube sich die Welt selbst gegen Euer Kommen, Großmächtiger.“

Sie wird mir nicht widerstehen

„N-nein, Großmächtiger.“

Eine Weile herrschte Stille, dann sagte die Stimme in Mannoroths Kopf: Es gibt eine Störung, etwas Seltsames. Es gibt welche, die nicht sein dürften, aber sind, und solche, die das erwecken wollen, was nicht erweckt werden darf.

Der riesige Dämon wusste nicht, was das bedeuten sollte, dennoch entgegnete er: „Ja, Sargeras.“

Sie sind der Schlüssel Sie müssen gejagt werden.

„Archimonde ist im Feld, und der Hundemeister ist schon lange auf ihrer Spur. Die Übeltäter werden uns nicht entkommen.“

Der Riss in der Welt pulsierte und wand sich, als sei er lebendig. Mannoroth spürte, wie sehr sich der Herr der Legion danach sehnte, diesen reichen Ort hier zu betreten. Die Frustration, die von Sargeras ausging, ängstigte selbst seinen abgestumpften Diener.

Einer soll mir unverletzt gebracht werden. Damit ich in den Genuss komme, ihn langsam zu zerreißen.

Ein Bild tauchte in Mannoroths Geist auf. Es zeigte eine niedere Kreatur, die zum gleichen Volk wie die Hochwohlgeborenen gehörte. Dieses Wesen war jedoch jünger und trug gedeckte grünbraune Kleidung. Die Vision, die Mannoroth hatte, zeigte ihm diesen Nachtelf im Inneren des Palasts. Er hielt sich in dem Raum auf, in dem das ursprüngliche Portal entstanden war und von dem nur noch Ruinen übrig geblieben waren.

Merke ihn dir gut.

„Das habe ich bereits, Großmächtiger. Archimonde, Hakkar und ich suchen nach ihm. Einer von uns wird ihn fangen.“

Lebend, befahl der Herr der Legion aus seiner Dimension. In Mannoroths Kopf wurde die Stimme leiser. Lebend, damit ich mich mit seiner Folter vergnügen kann

Sargeras verschwand, und Mannoroth schüttelte sich. Er wusste genau, welches Schicksal Malfurion blühte, wenn er in die Klauen des Großmächtigen geriet.

Die zahlreichen Flüchtlinge, die sich unter die Soldaten gemischt hatten, machten es beinahe unmöglich, die Streitmacht zu sammeln. Aber Lord Ravencrest tat, was er konnte. Er machte eine Aufstellung sämtlicher Vorräte, vor allem Nahrungsmittel und Wasser, und verteilte sie entsprechend. Einige hochrangige Flüchtlinge beschwerten sich, weil sie nicht mehr bekamen als die anderen, aber ein Blick des bärtigen Kommandanten genügte, um sie zum Schweigen zu bringen.

Tyrande und die Schwestern halfen den Soldaten und Zivilisten, wo sie konnten. Die Priesterin von Elune hatte ihren Helm abgelegt und sich einen Nachtsäbler geborgt, mit dem sie von einer Person zur nächsten ritt. Alle, ob jung oder alt, von hohem oder von niedrigem Stand, hießen sie willkommen. Vielleicht lag es an den Umständen, dass jeder von ihnen zufrieden war, wenn sie mit ihm gesprochen hatte. Tyrande hielt das für keine besondere Gabe, vielmehr glaubte sie, dass ihr sanftes Auftreten im krassen Gegensatz zu all den Gräueln standen, die die Nachtelfen in letzter Zeit gesehen hatten.

Eine kleine Gestalt, die allein am Boden kauerte, zog die Aufmerksamkeit der Priesterin auf sich. Es war ein junges Mädchen, vielleicht zwei, drei Jahre jünger als eine Novizin der Elune. Das Mädchen starrte düster und missmutig ins Nichts.

Tyrande ging neben ihm in die Knie und berührte es an der Schulter. Das Mädchen fuhr erschrocken herum und starrte sie an, als wäre sie eine Bestie.

„Ganz ruhig…“, sagte Tyrande sanft und reichte dem Mädchen einen Wasserschlauch. Nachdem es getrunken hatte, fragte sie: „Ich komme aus dem Tempel. Wie ist dein Name?“

Das Kind zögerte einen Moment, dann sagte es: „Sh-Shandris Feathermoon.“

„Wo ist deine Familie?“

„Ich weiß es nicht.“

„Kommst du aus Suramar?“ Die Priesterin hatte das Kind noch nie gesehen, trotzdem konnten sie aus der gleichen Stadt stammen.

„Nein… Ara-Hinam.“

Tyrande versuchte ihre Sorge zu verbergen. Shandris gehörte zu den Flüchtlingen, die von den Dämonen verfolgt worden waren, bevor die Falle zuschnappte. Die Priesterin hatte von anderen Überlebenden erfahren, dass viele gestorben waren, bevor die Brennende Legion von ihnen abgelassen hatte. Vielleicht lebte die Familie des Kindes noch… vielleicht auch nicht.

„Wann hast du sie zuletzt gesehen?“

Shandris’ Augen wurden groß. „Ich war bei einer Freundin… als die Monster kamen. Ich wollte nach Hause laufen, aber jemand griff nach mir… sagte, ich müsste in die andere Richtung rennen. Das habe ich gemacht.“ Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Tränen rannen zwischen ihren Fingern hervor. „Ich hätte nach Hause gehen sollen. Ich hätte nach Hause gehen sollen.“

Diese tragische Geschichte war nicht das, was Tyrande zu hören erhofft hatte. Die Priesterin würde natürlich Nachforschungen über die Familie des Kindes anstellen, aber sie war schon jetzt fast sicher, dass außer dem kleinen Mädchen kein Familienmitglied überlebt hatte. Es war jetzt wohl ganz allein auf der Welt.

„Hat sich jemand seit der Flucht um dich gekümmert?“

„Nein.“

Die Bewohner der kleinen Siedlung Ara-Hinam waren bereits zwei Tage auf der Flucht gewesen, bevor sie der Streitmacht begegneten. Es war bemerkenswert, dass Shandris so lange allein überlebt hatte. Viele ältere Nachtelfen hatten das nicht geschafft. Das Volk der Priesterin kannte solche Entbehrungen nicht. Nachtelfen waren zwar nicht schwach, hatten jedoch nie außerhalb ihrer behüteten Welt leben müssen – ein Umstand, der sich jetzt als fatal erwies. Tyrande dankte Elune, dass sie, Malfurion und Illidan anders aufgewachsen waren. Allerdings waren sie in der Minderheit.

Es gab viele, die in der gleichen schlimmen Lage wie Shandris waren, aber ihr Schicksal berührte die Priesterin. Vielleicht lag es daran, dass das Mädchens ihr ein wenig ähnlich sah. Jedenfalls bat sie es, aufzustehen.

„Bitte steig auf den Nachtsäbler da hinten. Du kommst mit mir.“ Damit widersetzte sie sich zwar den Anordnungen, die sie erhalten hatte, doch das war ihr egal. Sie konnte natürlich nicht jeden retten, aber sie würde zumindest versuchen, Shandris zu retten.

Das Gesicht des Mädchens war angespannt, aber seine Blicke waren zum ersten Mal aufmerksam, als es auf die Katze kletterte. Tyrande ergriff die Zügel des Nachtsäblers und führte ihn durch die Menge.

„Wohin gehen wir?“, fragte das Mädchen.

„Ich muss noch etwas erledigen. In der linken Satteltasche sind ein paar getrocknete Früchte.“

Shandris öffnete eifrig die Tasche und wühlte darin herum, bis sie die Früchte fand. Tyrande erwähnte nicht, dass es sich um ihre eigene Ration handelte. Die Schwesternschaft bildete ihre Mitglieder so aus, dass sie auch mit geringen Nahrungsmengen lange auskamen. Es gab sogar vier rituelle Fastzeiten in jedem Jahr. So zeigten die Priesterinnen ihre Hingabe zur Mondgöttin. In diesen Kriegszeiten zahlte sich das aus.

Tyrande setzte ihre Gespräche bei den nächsten Flüchtlingen fort. Die meisten waren nur zu Tode erschöpft, aber einige hatten auch Verletzungen davongetragen. Ihnen versuchte sie so gut wie möglich zu helfen. Sie betete zu Mutter Mond, um Rat zu erhalten und Stärke zu finden. Zu ihrer Freude hatte die Göttin an diesem Tag beschlossen, ihr nur Erfolge zu bescheren.