Выбрать главу

Tyrande lauschte der Geschichte mit wachsender Besorgnis. Karius hatte großes Glück gehabt, die Begegnung mit der Teufelsbestie zu überleben. Sie fragte sich jedoch, was diese Kreatur vor den feindlichen Linien gesucht hatte. Eine solche Bestie stellte kein Problem für Malfurion und die Zauberer dar… aber was war, wenn sie nicht allein war?

Dieser Gedanke führte sie zu ihrer nächsten Frage. „Du hast von einem Geräusch gesprochen, das die Bestie weglockte? Was war das für ein Ton?“

Karius dachte einen Moment nach. „Es war ein scharfes, krachendes Geräusch.“

„Wie Donner?“

„Nein, es erinnerte mich an den Knall einer Peitsche.“

Die Priesterin erhob sich. „Ich danke dir für deine Geduld. Bitte entschuldigt mich. Ich muss weiter.“

„Nein“, entgegnete die Nachtelfe, „wir sind es, die dir zu danken haben. Ich dachte bereits, er sei verloren.“

Tyrande hatte keine Zeit, sich mit ihnen zu streiten, wem sie Dank schuldeten. Sie gab beiden den Segen des Tempels, dann kehrte sie zu dem Nachtsäbler zurück, auf dem Shandris sie aus geweiteten Augen ansah.

„Du hast ihn vollständig geheilt. Ich – ich dachte, er würde sterben, bevor du anfingst.“

„Das dachte ich auch“, antwortete Tyrande und stieg hinter ihr auf das Reittier. „Mutter Mond war sehr großzügig zu mir.“

„Ich habe noch nie gesehen, dass eine Priesterin eine so schreckliche Wunde heilte… und das Monster, das sie gerissen hat – “

„Leise, Shandris, ich muss nachdenken.“ Die Priesterin lenkte den Nachtsäbler in die Richtung, wo sie die Zauberer zuletzt gesehen hatte. Durch ihre Position erfuhr sie häufig Dinge, die selbst Lord Ravencrests Strategen verborgen blieben. Auch jetzt hatte sie wieder etwas gehört, das Malfurion und Krasus erfahren mussten.

Die Meuchelmörder der Legion waren näher als gehofft.

Die schwarzen Drachen kehrten im Schutz der Nacht in ihr gewaltiges Nest zurück. Neltharion hatte auf eine rasche Rückkehr bestanden, denn es gab viel zu tun. Sein Plan war fast vollendet. Er konnte den baldigen Triumph förmlich spüren.

Ein kleinerer Drache, der auf einer Bergspitze saß, neigte respektvoll den Kopf, aber der Erdwächter ignorierte ihn. Seine Gedanken beschäftigten sich mit anderen Dingen. Er landete vor der Haupthöhle seines Clans und wandte sich an seine Gefährtinnen, die hinter ihm aufsetzten. Tief aus dem Inneren der Höhle hörte man das Brüllen anderer Drachen.

„Ich gehe nach unten und will nicht gestört werden.“

Die Gefährtinnen nickten. Einen solchen Befehl hatten sie schon oft erhalten. Sie fragten nicht, was der Aspekt dort unten beabsichtigte. Der gesamte schwarze Clan existierte einzig, um zu gehorchen. Jedes Wesen, das in dem Berg lebte, teilte den Wahnsinn, der Neltharion aber am stärksten ergriffen hatte.

Der große Schwarze ging durch Gänge, die fast zu schmal für ihn waren. Als er tiefer in den Berg vordrang, verebbte der Lärm der anderen Drachen. An seine Stelle trat ein neues, seltsames Geräusch. Es klang, als würde ein Schmied mit einem Hammer Metall bearbeiten. Das Hämmern endete jedoch nicht irgendwann, sondern wurde im Gegenteil immer schneller. Neltharion grinste bösartig und zufrieden. Ja, alles verlief nach Plan.

Doch der Drache näherte sich nicht der Quelle des Klopfgeräuschs. Stattdessen trat er in einen Seitengang und ging noch tiefer in den Berg hinein. Nach einiger Zeit war das Hämmern nicht mehr zu hören. Nur Neltharions schwerer Atem hallte noch durch die Gänge. Niemand außer ihm durfte diese Bereiche betreten.

Schließlich erreichte der Erdwächter die gewaltige Kammer, in der er seinen Zauber über die Eredar geworfen hatte. Als er eintrat, hob er überrascht den Kopf, denn er spürte, dass er nicht allein war.

Die Stimmen in seinem Kopf hatten während seiner Begegnung mit den anderen Drachen nur gemurmelt, jetzt wurden sie lauter, erregter.

Bald

Bald

Die Welt wird zurecht gerückt

Alle, die dich betrogen haben, werden auf ihren Platz verwiesen

Die Ordnung wird wieder hergestellt

Du wirst deine rechtmäßige Herrschaft antreten

Immer und immer wieder lauschte der Erdwächter den Stimmen. Seine Brust schwoll vor Stolz, und seine Augen leuchteten erwartungsvoll. Schon bald würde die Welt so sein, wie er sie sich wünschte.

„Sie haben alle etwas von sich gegeben“, sagte er in den leeren Raum hinein. „Sogar der abwesende Nozdormu.“

Die Stimmen antworteten nicht, aber der Drache schien zu wissen, dass sie zufrieden waren. Er nickte, schloss die Augen und konzentrierte sich.

Auf seinen Befehl erschien die Drachenseele.

„Seht ihre Schönheit“, donnerte er, als sie vor seinen Augen schwebte. „Seht ihre Vollkommenheit und ihre Macht!“

Die goldene Aura, die seine Schöpfung umgab, leuchtete so hell wie nie zuvor. Neltharion griff mit seinem Willen nach ihr, und die Drachenseele begann leicht zu vibrieren. Die Stalaktiten und Stalagmiten in der Kammer erzitterten, als seien sie lebendig geworden.

Die Vibrationen der Scheibe wurden mit jedem Atemzug des Erdwächters stärker. Jetzt erbebte bereits die ganze Kammer. Felsstücke brachen aus der Decke. Einige große Stalaktiten knirschten.

„Ja…“, zischte der Drache erwartungsvoll. Neltharions Augen brannten voller Sehnsucht. „Ja…“

Der gewaltige Berg erzitterte wie ein ausbrechender Vulkan. Die Decke begann auseinander zu brechen. Felsstücke regneten herab und zerplatzten mit lautem Knall auf dem Steinboden. Einige prallten von der Haut des Drachen ab, doch das bemerkte er nicht.

Dann stiegen rauchartige Schemen aus der Scheibe auf. Es waren Schatten, die aus Licht zu bestehen schienen und ruhelos durch die Kammer wehten. Die meisten hatten Flügel. Ihre Umrisse erinnerten an Neltharion. Einige waren schwarz, einige bräunlich, andere blau oder rot. Sie schwärmten um die Scheibe herum. Es wurden immer mehr.

Es gab auch andere Schemen, kleiner und grotesker. Sie leuchteten in einem kränklichen Grün, und viele trugen Hörner und hatten tiefe Löcher anstelle von Augen. Nur wenige sahen so aus, aber sie hatten eine solch bösartige Ausstrahlung, dass sie sofort zwischen den anderen Geistern auffielen.

Sie stellten die Essenz all deren dar, die sich freiwillig oder unfreiwillig an der Schöpfung der Drachenseele beteiligt hatten. Sie waren an die Scheibe gebunden. Gemeinsam bildeten sie eine Macht, die selbst ein Aspekt wie Neltharion nicht brechen konnte. Ihre Anwesenheit allein reichte aus, um den Berg wie bei einem Erdbeben zu erschüttern.

Einer der gewaltigen Stalaktiten löste sich plötzlich. Der Erdwächter bemerkte die Gefahr erst, als es bereits zu spät war.

Ein Stalaktit von dieser Größe konnte sogar den schwarzen Drachen verletzen. Er traf Neltharion an der linken Seite des Kiefers und riss das harte Fleisch auf. Eine Drachenschuppe zerbrach. Ein Splitter davon traf die Drachenseele in der Mitte.

Neltharion schrie entsetzt auf, nicht wegen seiner Verletzung, sondern aus Sorge um seine Schöpfung.

Die Schuppe riss die Scheibe auf und beschädigte ihre Vollkommenheit. Die Schemen über und unter ihr gerieten außer Kontrolle.

Der Drache handelte sofort und unterbrach seinen Zauber. Die geisterhaften Schemen sanken zurück in die Scheibe, allerdings langsamer und zögerlicher, als es ihm gefiel. Als sie verschwunden waren, endeten die Erdstöße. Nur der langsam niedersinkende Staub blieb als Zeuge des Ereignisses zurück.

Neltharion griff nach der Drachenseele und betrachtete sie eindringlich. Der Riss war nicht so tief wie befürchtet. Trotzdem zitterte der Aspekt vor Wut und Trauer. Er hätte niemals geglaubt, dass ausgerechnet er zu einer Gefahr für die Scheibe werden würde.

„Du wirst geheilt werden“, flüsterte er und wiegte die Scheibe in seiner Tatze wie eine Mutter das Kind. „Du wirst wieder vollkommen sein…“