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Malfurion ließ sein Tier im gleichen Moment so steil in den Himmel aufsteigen, dass er beinahe vom Rücken gerutscht wäre. Weder Krasus’ noch Malfurions Verfolger konnten dem überraschenden Richtungswechsel folgen. Sie waren so sehr in ihre Jagd vertieft, dass sie ihren Schwung nicht mehr bremsen konnten.

Mit einem gewaltigen Knall prallten die Drachen zusammen.

Sie schrien in einer Mischung aus Schmerz und Schock. Ineinander verkeilt rollten sie zur Seite und krachten gegen den Berggipfel, den Krasus ausgesucht hatte.

Die ganze Region erbebte. Krasus glaubte, das Bersten von Knochen zu hören, aber er kümmerte sich nicht weiter darum. Als die beiden Drachen hinter ihm verschwanden, winkte er Malfurion zu. Der Druide und er würden bereits weit weg sein, bis sich die Leviathane erholt hatten.

Krasus betrachtete die Berge, die sich vor ihnen auftürmten. Er stand kurz vor seinem Ziel… und mehr als je zuvor fragte er sich, was im Reich der Drachen eigentlich vorging.

12

Illidan hätte eigentlich seine Strategie mit der Mondgarde absprechen sollen, aber im Augenblick interessierte ihn der Krieg nicht. Er konnte an nichts anderes denken, als daran, dass er sich vor Tyrande zum Narren gemacht hatte. Er hatte ihr sein Innerstes offenbart und herausfinden müssen, dass sein Bruder bereits sein Territorium abgesteckt hatte. Tyrande hatte sich für Malfurion entschieden.

Das Schlimmste daran war, dass sein Bruder wahrscheinlich so sehr in seine Magie vertieft war, dass er dies nicht einmal bemerkt hatte.

Lord Ravencrests Leibzauberer ging an einem Wachposten vorbei. Der Elf, der dort stand, hob seine Waffe und sagte mit leicht schwankender Stimme: „Alle müssen im Lager bleiben, Meister Illidan. Das ist ein Befehl von – “

„Ich weiß, wer das befohlen hat.“

„Aber – “

Illidan sah ihn drohend an. Der Soldat schluckte und trat zur Seite.

Die Landschaft war noch spärlich bewaldet, ein Zeichen dafür, dass die Brennende Legion keine Zeit gefunden hatte, bei ihrem Rückzug alles zu zerstören. Viele waren darüber erleichtert, aber Illidan hätte es nicht gestört, wenn alles zu Asche zerfallen wäre. Er hob seine Hand und dachte darüber nach, selbst einen Waldbrand auszulösen, verwarf die Idee dann jedoch.

Malfurion war im Süden von Dämonen angegriffen worden, aber Illidan glaubte nicht, dass er ebenfalls in Gefahr war. Zum einen hielt er sich noch in Sichtweite des Lagers auf. Zum anderen war er so wütend, dass er jeden Dämon, der es gewagt hätte, ihn anzugreifen, mit einem Augenblinzeln vernichtet hätte. Er sehnte sich danach, gegen irgendwen, irgendetwas zu kämpfen, um die Eifersucht loszuwerden, die er gegenüber Malfurion verspürte.

Aber keine Teufelsbestie stürzte sich auf ihn, keine Höllenbestie griff ihn an. Kein Eredar, keine Verdammniswache, noch nicht einmal die lächerlichen Teufelswachen wagten sich an ihn heran. Niemand von der Brennenden Legion suchte den Kampf gegen Illidan, denn sie wussten, dass er unbesiegbar war.

Außer wenn es um die Liebe einer bestimmten Person ging.

Illidan setzte sich auf einen großen Felsen und dachte über seine Pläne nach. Lord Ravencrest hatte ihn zu einem seiner Vertrauten erwählt und ihm damit ermöglicht, zum ersten Mal über etwas nachzudenken, was bereits seit längerem vor seinem geistigen Auge stand. Er sah in Tyrande seit geraumer Zeit nicht mehr die Kindheitsfreundin, sondern die anmutige Frau. Während Malfurion mit den Vögeln sprach, hatte er darüber nachgedacht, wie er Tyrande bitten sollte, seine Gefährtin zu werden.

In seiner Phantasie passte alles zusammen. Er befand sich in einer beneidenswerten Position, und er wusste, dass viele andere Frauen an ihm interessiert waren. In kürzester Zeit war Illidan zum Anführer der Mondgarde aufgestiegen und hatte mit seinen Zaubern unzählige Nachtelfen vor dem Tod bewahrt. Er war ein mächtiger, gut aussehender Held. Tyrande hätte sich Hals über Kopf in ihn verlieben müssen…

Und das hätte sie auch getan, wenn es Malfurion nicht gegeben hätte.

Der Zauberer knurrte und zeigte auf einen Felsen, der augenblicklich die Gesichtszüge seines Bruders annahm.

Illidan ballte die Faust.

Das Gesicht zerplatzte. Der Felsen fiel in sich zusammen.

„Sie hätte mir gehören sollen!“

Seine Worte hallten durch den Wald. Illidan knurrte seine eigene Stimme an, die nur wiederholte, was er verloren hatte.

„Sie hätte mir gehört“, seufzte er dann voller Selbstmitleid. „Ohne dich, Bruder Malfurion, hätte sie mir gehört.“

Er nimmt dir alles weg, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Alles, was eigentlich dein sein sollte.

„Mir? Weil ich diese Augen habe?“ Illidan lachte in sich hinein. „Meine wundervollen Bernsteinaugen?“

Ein Zeichen der Größe… das Omen einer Legende

„Ein Scherz, den sich die Götter mit mir erlauben.“ Der Zauberer erhob sich und ging tiefer in den Wald hinein. Doch die Stimme, diese Gedanken, blieben bei ihm… und ein Teil von ihm wollte das auch.

Malfurion weiß noch nicht einmal, dass sie ihn begehrt. Was wäre, wenn er es niemals erfahren würde?

„Was soll ich tun, sie voneinander trennen? Ebenso könnte ich versuchen, den Mondaufgang zu verhindern.“

Aber wenn Malfurion in diesem Krieg ums Leben kommt, bevor er die Wahrheit erfährt? Wäre das nicht so, als hätte sie ihre Wahl niemals getroffen? Sie würde sich dir zuwenden, wenn es Malfurion nicht mehr gäbe

Der Zauberer blieb stehen. Er legte die Handflächen aneinander und erschuf darauf das Bild einer tanzenden Tyrande. Sie war ein wenig jünger und trug einen geblümten Rock. Das Bild stammte aus Illidans Erinnerungen an ein Fest vor einigen Jahren. An diesem Abend hatte er zum ersten Mal mehr als eine Kindheitsfreundin in ihr gesehen.

Wenn es Malfurion nicht gäbe

Illidan holte aus und schlug die Hände zusammen. Das Bild löste sich auf. „Nein! Das wäre barbarisch!“

Doch der Gedanke übte eine kranke Faszination auf ihn aus.

In der Schlacht kann vieles geschehen. Nicht nur der Tod könnte ihn ereilen. Sicherlich haben die Dämonen ein Interesse an Malfurion. Er hat das erste Portal zerstört, den Berater der Königin ermordet und einen der Legionskommandanten… sie möchten ihn bestimmt sehr gerne lebend fassen

„Ihn ausliefern? An sie? Ich – “

Schlachten sind chaotisch. Manche werden zurückgelassen. Niemand trüge daran Schuld

„Niemand trüge daran Schuld“, murmelte Illidan. Er öffnete die Hände wieder und ließ Tyrandes Bild für sich tanzen. Nachdenklich betrachtete er es.

Doch auch dieses Mal schlug er nach einer Weile die Hände zusammen. Angewidert von seinen eigenen dunklen Gedanken wischte er sich die Handflächen an der Kleidung ab und eilte zurück ins Lager. „Niemals“, murmelte er leise. „Nicht meinen Bruder. Niemals.“

Der Zauberer sprach den ganzen Weg über leise vor sich hin. Deshalb entging ihm die Gestalt, die zwischen den Bäumen hervortat und ihn aus der Entfernung musterte.

„Das Fundament ist gelegt“, flüsterte sie amüsiert. „Und du selbst wirst darauf aufbauen, Zwilling des Druiden.“

Mit diesen Worten wandte sich die Gestalt in die andere Richtung… und trabte auf zwei Hufen davon.

Lord Ravencrest konnte nicht mehr länger auf den Druiden und den Magier warten, deshalb befahl er den Nachtelfen am nächsten Morgen den Abmarsch. Die meisten Angehörigen der Streitmacht wären lieber nachts marschiert, aber der Adlige wollte nicht so vorhersehbar agieren. Seine Kämpfer gewöhnten sich langsam an die Sonne, auch wenn sie während des Tages nicht auf dem Höhepunkt ihrer Kräfte waren. Ravencrest verließ sich stattdessen auf ihre Entschlossenheit und die Erkenntnis, dass ihre Welt enden würde, sollten sie diesen Krieg verlieren.

Die Brennende Legion erwartete sie in nicht allzu großer Entfernung. Die Nachtelfen wussten, dass sie einem gewaltigen Blutvergießen entgegenmarschierten, aber sie marschierten dennoch.