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Malfurion erinnerte sich an die bösartigen Leviathane, die ihn und Krasus verfolgt hatten und ahnte, welchen Bestien sich der Rote gestellt hatte. Er nahm an, dass Korialstrasz es tatsächlich geschafft hatte, sie zu töten. In diesem Fall grenzte es an ein Wunder, dass er so lange überlebt hatte. Was für ein mächtiger und mutiger Drache musste er gewesen sein…

Nein! Er durfte nicht an Korialstrasz denken, als wäre er bereits tot! Damit verriet er nicht nur den Drachen, sondern auch Krasus. Malfurion musste damit aufhören, sonst waren sie verloren.

Eine der ersten Lektionen, die der Druide von Cenarius erhalten hatte, war gewesen, wie man Waldtiere heilte. Dank dieser Fähigkeit hatte er Füchse, Kaninchen, Vögel und anderes Getier gerettet. Dieses Wissen konnte er jetzt einsetzen. Er musste den Effekt nur verstärken.

Zumindest hoffte der Druide dies.

Malfurion wandte sich an seine Umgebung. Er brauchte ihr Opfer. Nur Leben konnte Leben hervorbringen. Die Erde und die Pflanzen konnten sich in einer Weise regenerieren, die den Tieren fremd war. Trotzdem war es eine große Bitte, die der Nachtelf an sie richtete, schließlich ging es um einen Drachen. Er würde es ihnen nicht verübeln, wenn sie seinen Wunsch ablehnten.

Malfurion versuchte seiner Umgebung zu vermitteln, wie wichtig es war, Korialstrasz und Krasus zu retten. Dann wandte er sich an die Bäume und das Gras, an alles, was ihm etwas geben konnte. In seinem Geist spürte er, wie die Lebenskraft des Drachen nachließ. Die Zeit lief ihm davon.

Da endlich spürte er zu seiner Erleichterung, wie das Land etwas von sich aufgab. Seine Lebensenergie floss in den Körper des Nachtelfen und durchströmte ihn mit solcher Kraft, dass er beinahe vergessen hatte, wofür er sie benötigte. Er riss sich zusammen, legte seine Fingerspitzen auf die Schuppe und ließ die Kraft hineinströmen.

Krasus’ Körper zuckte einmal kurz, dann lag er wieder still. Durch die Verbindung spürte Malfurion, wie die Lebenskraft in den Drachen floss. Das Herz des Nachtelfen raste. Schweiß lief über seine Stirn. Es fiel ihm schwer, die Verbindung aufrecht zu erhalten.

Trotz des beständigen Stroms aus Lebensenergie spürte Malfurion keine Veränderung bei Korialstrasz. Das Leben des Drachen hing weiter am seidenen Faden. Der Druide biss die Zähne zusammen und leitete mehr und mehr Energie in den sterbenden Riesen.

Dann endlich bemerkte er eine leichte Veränderung. Korialstrasz’ Seele zog sich vom Abgrund zurück. Seine Verbindung zum Leben erstarkte.

„Bitte…“, stieß der erschöpfte Nachtelf hervor. „Mehr…“

Und es kam mehr. Das Land schenkte ihm, was er benötigte. Es verstand, dass es nicht nur um die Heilung zweier Verletzter ging, sondern um sehr viel mehr.

Langsam neigte sich die Waagschale zugunsten des Lebens. Korialstrasz wurde stärker. Der Druide spürte, wie das Bewusstsein des Drachen zurückkehrte und wusste, dass der sich über diese Wandlung wunderte.

Krasus’ Körper zuckte erneut. Der ältere Magier stöhnte. Seine Augen öffneten sich.

Jetzt endlich wusste Malfurion, dass er genug getan hatte. Er löste seine Finger von der Schuppe, lehnte sich zurück und atmete tief durch.

Erst jetzt bemerkte er, dass sich das Gras sich meterweit um ihn herum schwarz geerbt hatte.

Alles Leben war aus der Erde verschwunden. So weit das Auge reichte, war die Ebene schwarz und verdorrt. Am Horizont sah er zwei blattlose Bäume.

Im ersten Moment erschütterte das Entsetzen über seine Tat den Druiden, doch dann spürte er, wie sich das Leben unter ihm zu regen begann. Die Wurzeln der Gräser hatten überlebt, und mit Hilfe der Erde würden sie schon bald neue Triebe hervorbringen. Auch die Bäume lebten noch und würden frische Blätter austreiben.

Der Nachtelf atmete erleichtert auf. Einen schrecklichen Augenblick lang hatte er befürchtet, nicht besser als die Brennende Legion zu sein.

„Was… was hast du getan?“, stieß Krasus hervor.

„Ich musste Euch retten. Etwas anderes ist mir nicht eingefallen.“

Der Magier schüttelte den Kopf und setzte sich auf. „Das habe ich nicht gemeint, Malfurion… Weißt du überhaupt, was du hier gerade geleistet hast? Verstehst du das Ausmaß deiner Tat?“

„Ich habe getan, was getan werden musste“, erklärte Malfurion.

„Es tut mir Leid, dass ich dem Land so viel abverlangt habe, aber es hat alles freiwillig gegeben.“

Krasus bemerkte erst jetzt das geschwärzte Gras. Er kniff die Augen zusammen, während er den Beweis dessen betrachtete, was sich hier abgespielt hatte. „Malfurion, das ist unmöglich.“

„Das alles fußte auf den Lehren meines shan’do. Ich habe den Zauber nur der Situation angepasst.“

„Dabei ist dir etwas gelungen, das weit jenseits deiner Fähigkeiten hätte sein sollen – weit jenseits der Fähigkeiten fast aller Zauberer.“ Schwerfällig erhob sich der Drachenmagier. Er runzelte die Stirn, als er das wahre Ausmaß der Schäden erkannte. „Unglaublich.“

Malfurion verstand immer noch nicht, weshalb Krasus so verstört auf seine Tat reagierte, deshalb fragte er: „Könnt Ihr Korialstrasz spüren? Geht es ihm gut?“

Krasus konzentrierte sich. „Die Verbindung wird langsam wieder so schwach wie sie vor deinem Zauber war… aber ja, ich spüre ihn noch. Er ist… gesund… wenngleich verwirrt. Er erinnert sich an einen Teil des Kampfes und weiß, dass er mich finden soll, aber er hat Erinnerungslücken.“

Aus irgendeinem Grund rief das Erheiterung bei Krasus hervor. „Jetzt sind er und ich uns noch ähnlicher. Das Schicksal verhöhnt mich wahrlich.“

„Warten wir auf ihn?“

„Ja, aber nicht aus dem Grund, aus dem er mich wahrscheinlich sucht. Ich kenne ihn ja, deshalb gehe ich davon aus, dass er mich zu Alexstrasza zurückbringen will. Dazu aber reicht die Zeit nicht mehr. Ich glaube, dass wir so schnell wie möglich zur Streitmacht zurückkehren sollten. Vielleicht ist es pure Ahnung, vielleicht auch das Ergebnis meiner reichen Erfahrung. Wie dem auch sei, wir werden aufbrechen, sobald Korialstrasz hier eintrifft.“

Malfurion dachte sofort an Tyrande… und dann etwas verspätet auch an seinen Bruder. „Wie lange wird er brauchen?“

„Er ist ein Drache… und zwar ein sehr gesunder“, sagte Krasus zufrieden lächelnd. „Also wohl nicht sehr lange…“

Tyrande war einzigartig unter den Schwestern, denn sie war die einzige, die zwei Schatten besaß. Der zweite hatte sogar einen Namen.

Er lautete Shandris Feathermoon.

Egal, wohin die Priesterin auch ging, das Waisenkind folgte ihr. Shandris beobachtete alles, was ihre Retterin tat, mit Blicken, die ihren verzweifelten Wunsch nach Wissen widerspiegelten. Wenn Tyrande über einem verletzten Nachtelf betete, wiederholte das Mädchen ihre Worte und ahmte ihre Gesten nach.

Tyrande betrachtete Shandris mit gemischten Gefühlen. Das Mädchen hatte keine Eltern mehr und niemanden, der sich um es kümmerte. Natürlich gab es viele, die in einer ähnlichen Notlage waren, aber die Priesterin nahm etwas Besonderes in Shandris wahr. Sie beobachtete Tyrandes Arbeit so hingebungsvoll, dass sie sich vielleicht als Novizin eignen würde. Der Tempel hieß neue Schwestern stets willkommen. Wie hätte sie das Mädchen also zurück zu den Flüchtlingen schicken und es vergessen sollen? Die Priesterin vermochte dies nicht und hatte stattdessen beschlossen, Shandris in ihrer Nähe zu behalten.

Leider gab es Situationen, in denen ein Kind nicht sicher war. Die Schwestern wechselten sich im Kampf an der Front ab. Die Hohepriesterin bestimmte den Rhythmus. Tyrande hatte Sorge, dass Shandris in die Nähe der Dämonen gelangen könnte. Diese Bestien hätten sie ohne Skrupel getötet. Das Mädchen hatte Tyrande schon einmal fast zu Tode erschreckt, denn als die Schwestern zu Malfurions und Krasus’ Rettung ausgezogen waren, hatte es sich ihnen heimlich angeschlossen. Die Priesterin hatte davon erst später erfahren, als die Waise eine unvorsichtige Bemerkung gemacht hatte.