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Krasus richtete seine Aufmerksamkeit auf den Kampf, der sich vor ihm abspielte, nicht auf den Himmel. Nach Neltharions Auftritt nahm er nicht an, dass dort oben noch Gefahren lauerten.

Doch als er ein hohes Kreischen hörte und einen rasch größer werdenden Schatten bemerkte, blickte er dann doch in die Höhe – und hatte gerade noch Zeit, seinen Leichtsinn zu verfluchen.

Dann schlugen die beiden Höllenbestien in der Nähe ein.

Chaos brach aus.

Der Einschlag der Dämonen hatte schreckliche Konsequenzen. Das Erdbeben riss alle von den Beinen. Soldaten schrien, als sie von Felsen getroffen und von Drecklawinen verschüttet wurden. Tyrandes Reittier wurde von einem großen Stein getroffen und stürzte. Die Priesterin brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit, landete jedoch inmitten der Dämonen. Die zweite Schwester wollte nach ihr greifen, aber eine Flammenklinge durchbohrte ihr Herz. Malfurion streckte ebenfalls die Hand aus. Im gleichen Moment stürmte einer der Dämonen aus dem Krater, den er selbst erschaffen hatte, und warf sich gegen den Nachtsäbler des Druiden.

Krasus konnte ihm nicht helfen. Der Drachenmagier hing halb bewusstlos im Sattel. Er war von einem Stein am Kopf getroffen worden. Sein Nachtsäbler war durch das Erdbeben in Panik geraten und galoppierte davon.

Malfurion sprang von seinem Tier. Die Höllenbestie lief an ihm vorbei. Ein Opfer reichte ihr nicht. Sie strebte ein größeres Blutvergießen an.

Der Druide kämpfte sich durch die desillusionierten Soldaten, bis er Tyrande entdeckte. Sie kniete am Boden, hatte eine Hand auf ihren Kopf gelegt. Ihr Helm lag neben ihr, eine Seite war stark eingedrückt. Wie durch ein Wunder hatte die Priesterin überlebt.

„Tyrande!“, rief er und streckte ihr seine Hand entgegen. Einen Moment starrte sie verwirrt darauf, dann legte sie ihre Hand in seine. Malfurion zog sie hoch und fort aus dem schlimmsten Schlachtgetümmel.

Tyrande stützte sich schwer auf ihn, während er nach einem Platz suchte, an dem sie wenigstens vorübergehend in Sicherheit waren. Malfurion fühlte sich schuldig, weil sie verletzt worden war, auch wenn er wusste, dass dies zu jedem anderen Zeitpunkt der Schlacht hätte passieren können.

Er lenkte sie den Hügel hinauf. Auch hier war es nicht sicher, denn am Fuß der Erhebung kämpften Nachtelfen und Dämonen bereits gegeneinander. Im Moment gab es jedoch keinen besseren Ort.

Einige Grünpflanzen klammerten sich in den Hügeln noch an ihr Leben. Der Druide berührte eine und bat sie um ihre Feuchtigkeit. Er legte die grünen Blätter an Tyrandes Lippen und flößte ihr ein wenig Wasser ein.

Sie stöhnte. Er bettete sie sanft auf den Boden und stützte ihren Kopf mit seiner Armbeuge. „Ganz ruhig, Tyrande.“

„Malfurion… was ist mit den anderen?“

„Alles in Ordnung“, log er. „Ruhe dich ein wenig aus. Du hast dir den Kopf gestoßen.“

„Hel’jara! Sie… die Klinge hat sie durchbohrt!“

Malfurion fluchte leise. Wenn sie sich jetzt schon an den Tod der Schwester erinnern konnte, würde ihr der Rest auch bald wieder einfallen. „Versuche dich zu entspannen.“

Er selbst spannte sich jedoch an. Er spürte, dass ihn jemand beobachtete.

Der Druide drehte sich um. Er glaubte, einen Schatten zu erkennen und ballte die Hand zur Faust. War ihnen ein Angreifer gefolgt?

„Tyrande“, flüsterte er. „Ich muss mit Krasus reden. Er ist nicht weit entfernt. Ruhe du dich noch aus.“

Sie schien zu merken, dass etwas nicht stimmte, konnte es aber nicht einordnen. Er hoffte, dass sie nicht allzu bald wieder zu sich fand und sich daran erinnerte, dass der Magier von ihnen getrennt worden war. Malfurion legte ihren Kopf sanft auf einige Blätter, dann schlich er sich davon.

Vorsichtig ging er auf die Stelle zu, wo er den Schatten wahrgenommen hatte. Er konzentrierte sich auf die Zauber, die er in seiner Umwelt fand. Das Land half ihm sicherlich gern gegen eine Teufelswache oder einen anderen Dämon.

Irgendjemand oder irgendetwas war hier gewesen. Er sah einen Abdruck im Gras, der jedoch kleiner als erwartet war. Der Abdruck gehörte entweder einem sehr zierlichen Dämon oder einem unbekannten Tier. Es schien sich um mehr als ein Wesen zu handeln.

Hinter einem Baum hielt er inne. Vor sich hörte er, wie etwas über den Fels schabte. Malfurion ging auf das Geräusch zu und bereitete sich auf den Angriff vor.

Doch als er hinter einen anderen Baum blickte, fand er keinen Dämon, sondern eine Nachtelfe.

Sie wich ihm aus und lief so schnell davon, dass er ihr nicht folgte. Er wollte sich nicht zu weit von Tyrande entfernen. Das junge Mädchen hatte weder Rüstung noch ein Tempelgewand getragen, sondern die schlichten Straßenkleider, die man bei vielen Flüchtlingen sah. In einer Hand hatte die junge Frau etwas Langes aus Holz getragen, aber er hatte nicht genau erkennen können, worum es sich bei dem Gegenstand handelte.

Es überraschte ihn nicht, dass er auf einen Flüchtling getroffen war. Die einfachen Leute rannten vermutlich gerade voller Panik um ihr Leben. Die Streitmacht, der sie gefolgt waren, wurde zurückgeschlagen. Eine Rettung lag in weiter Ferne.

Malfurion wandte sich ab und ging zurück zu Tyrande. Nur sie interessierte ihn jetzt noch. Er konnte dem jungen Mädchen, das sich so weit von allen anderen entfernt hatte, nicht helfen.

Der Druide ging an einigen Bäumen vorbei. Er hatte bereits zu viel Zeit verschwendet. Sie mussten fliehen, bevor sich die Schlacht auf die Hügel ausdehnte.

Malfurion ließ den letzten Baum hinter sich und atmete erleichtert auf. Der Schlachtenlärm drang aus einiger Entfernung zu ihnen herauf. Tyrande war also noch in Sicherheit.

Er blieb abrupt stehen, als er die reglose Priesterin sah… und die dunkle Gestalt, die sich über sie beugte.

Die Kreatur hätte Malfurion eigentlich nicht hören dürfen, aber sie drehte sich trotzdem zu ihm um. Ihre Hufe wühlten den Boden auf. Der Oberkörper war der eines Nachtelfen, wenn man einmal von den geschwungenen Hörnern absah. Das elfische Gesicht lächelte den Druiden triumphierend an. Seine Klauen streckten sich erwartungsvoll nach ihm aus. Malfurion blickte sprachlos und entsetzt in dieses Gesicht.

Er kannte es. Niemand wusste, dass es ihn in seinen Alpträumen verfolgte. Es hatte sich zwar verändert, aber diese Augen würde er niemals vergessen… diese schwarzroten Augen aus Kristall.

Lord Xavius war von den Toten auferstanden.

22

Die Linien der Nachtelfen verliefen so fließend, dass sich die Positionen aller Einheiten ständig änderten. Trotzdem versuchte Lord Ravencrest, so viel Ordnung wie irgend möglich aufrecht zu erhalten. Rhonin hatte sich zwar oft mit dem Adligen gestritten, doch jetzt war er froh, dass der Herr von Black Rook seine Soldaten so gut unter Kontrolle hatte. Jemandem wie Desdel Stareye wäre das nicht gelungen.

Ravencrest entdeckte den Menschen und ritt auf ihn zu. „Zauberer, ich brauche dich da vorne, nicht hier hinten.“

„Einer von uns sollte in Eurer Nähe bleiben, Mylord.“ Hauptsächlich ging es Rhonin zwar darum, die Berichte der Kundschafter und Läufer zu hören, aber der Schutz des Kommandanten war ebenfalls wichtig.

„Mir wäre es lieber, wenn du die Mondgarde und Illidan unterstützen würdest.“ Zum ersten Mal gab Ravencrest ein Geheimnis preis. „Du solltest die Leitung übernehmen. Der Junge ist gut, aber wir brauchen Ordnung, nicht noch mehr Chaos. Würdest du das übernehmen?“

Rhonin konnte seinen Argumenten nicht widersprechen. Er spürte, dass Illidan immer unkontrollierter auf die Zauberer und den Brunnen Zugriff. Rhonin hatte den Wahnsinn des schwarzen Drachen erlebt. Jetzt fragte er sich, ob Illidan den gleichen Weg beschreiten würde, wenn er sich vollständig in seiner Magie verlor.

„Wie Ihr es wünscht, Mylord.“ Der Zauberer bewegte sein Reittier und begann nach Illidan zu suchen. Das war nicht sonderlich schwer. Er stach aus den Reihen heraus wie ein Leuchtturm. Seine silberne Aura war so blendend hell, dass sie die Kämpfer in seiner Umgebung blendete. Aber Illidan war so auf seinen eigenen Ruhm fixiert, dass er sich nicht um andere kümmerte.