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Ich habe beschlossen, dich zu begnadigen.

Die Stimme seines Gottes erfüllte ihn gleichermaßen mit Hoffnung und Angst. Er wollte sich verbeugen, auf Knien rutschen, doch ohne Körper war ihm das – oder irgendetwas anderes – nicht möglich.

Ich habe entschieden, dass es einen Platz für dich gibt. Ich habe die Schwärze in dir erblickt und gefunden, was mich einst erfreute. Das wird der Kern deines neuen Ichs sein. Du wirst ein weit besserer Diener werden als zuvor.

Er war unendlich dankbar für dieses Geschenk, konnte dies jedoch ebenfalls nicht zeigen.

Du musst neu geformt werden, aber so, dass andere in dir den Ruhm sehen, den ich gebe und die Strafen, die ich austeile. Ich werde dir etwas zurückgeben, durch das sie dich erkennen werden.

Ein Energieblitz durchfuhr ihn. Winzige Materieflocken flogen ins Innere des Energiesturms, verbanden sich miteinander und schenkten ihm Substanz. Viele hatten vor seiner Zerstörung zu ihm gehört und waren ihm, wie seine Seele, im Augenblick seines Todes von seinem Gott genommen worden.

Langsam und verschwommen bildete sich ein Körper um ihn. Er konnte sich nicht bewegen, konnte nicht atmen. Dunkelheit umgab ihn, und er erkannte, dass er sein Augenlicht zurückerhalten hatte.

Und dann begann er zum ersten Mal nach seinem Tode wirklich zu sehen. Er bemerkte, dass seine Arme und Beine anders waren als zuvor. Die Beine bogen sich an den Knien nach hinten und endeten in Hufen. Alle Gliedmaßen waren von dichtem Fell bedeckt, die Hände endeten in langen Klauen.

Sein Gesicht fühlte sich fremd an. Er spürte, dass gekrümmte Hörner aus seiner Stirn ragten. Nichts erinnerte an seinen letzten Körper, und er fragte sich, wie andere ihn erkennen sollten.

Zögernd hob er die Hand und berührte seine Augen… und plötzlich wusste er, woran man ihn erkennen würde. Er spürte, wie die Kräfte darin mit jeder Sekunde größer wurden. Er erkannte die Stränge magischer Energie, die ihn umgaben, sah, wie die unsichtbare Hand seines Gottes seinen Körper erschuf und ihm mehr Macht verlieh als je zuvor.

Er beobachtete die Arbeit seines Gottes und bewunderte ihre Perfektion. Hier entstand eine neue Art von Diener, einer, den alle anderen Jünger seines Herrn beneiden würden.

All dies sah er durch künstliche Augen aus schwarzem Metall, die von rubinroten Schlieren durchzogen waren.

Diese Augen würden all jene zu deuten wissen, die ihn einmal gekannt hatten – und sie würden lernen, ihn aufs Neue zu fürchten.

Lord Kur’talos Ravencrest stand vor dem hohen steinernen Stuhl, von dem aus er normalerweise seine Audienzen hielt, und betrachtete die vor ihm versammelten Kommandanten. Selbst für einen Nachtelf war er außergewöhnlich groß. Sein Gesicht war lang und schmal. Es erinnerte ein wenig an den schwarzen Vogel, dessen Namen er trug. Sogar seine Nase war gebogen wie ein Schnabel. Sein gestutzter Bart und die streng blickenden Augen verliehen ihm eine Aura der Weisheit und Macht. Er trug die graugrüne Rüstung seiner Soldaten, betonte seinen hohen Status jedoch durch einen goldfarbenen Umhang und einen großen, rot eingefassten Helm, auf dem der stilisierte Kopf eines Raben prangte.

Hinter dem Stuhl hingen die Banner seines Hauses, rechteckige, purpurne Fahnen, die die schwarze Silhouette eines Vogels in ihrer Mitte trugen. Das Banner des Hauses Ravencrest war zum Symbol der Verteidiger geworden, und manche sprachen mit der gleichen Ehrfurcht über den Adligen, mit der sie einst von der Königin gesprochen hatten.

Lord Ravencrest selbst schätzte die Königin immer noch, und als Malfurion ihm zuhörte und begriff, in welche Richtung der Gegenangriff gehen sollte, wuchsen seine Bedenken.

„Es ist klar“, betonte der bärtige Nachtelf, „dass wir uns auf Zin-Azshari konzentrieren müssen. Von dort kommen diese Ungeheuer, dort müssen wir sie angreifen!“

Die versammelten Nachtelfen nickten und murmelten Zustimmung. Der Feind musste von seinem Nachschub abgeschnitten werden. Ohne die Verstärkung aus Zin-Azshari würden die Dämonen, die sich bereits im Land aufhielten, sicher bald vernichtet werden.

Ravencrest beugte sich seinem Publikum entgegen. „Doch wir werden uns nicht nur den Ungeheuern aus einer anderen Welt stellen. In Zin-Azshari lauern die Verräter aus unserem eigenen Volk!“

„Tod den Hochwohlgeborenen!“, schrie ein Nachtelf.

„Ja! Die Hochwohlgeborenen! Sie und ihr Anführer Lord Xavius haben dieses Unglück über uns gebracht. Ihnen müssen wir mit erhobenen Schwertern und Lanzen entgegentreten, um sie für ihre Verbrechen zu bestrafen!“

Der Gesichtsausdruck des Adligen wurde noch grimmiger. „Schließlich halten sie unsere geliebte Azshara gefangen.“

Wütende Rufe antworteten ihm. Einige schrien: „Gelobt sei Azshara, das Licht der Lichter!“

Jemand neben Malfurion murmelte: „Sie sind noch immer verblendet.“

Er drehte den Kopf und entdeckte Rhonin, den rothaarigen Zauberer. Er war einen Kopf kleiner als ein Nachtelf, aber breiter gebaut, sodass er nicht nur wie ein Zauberer, sondern ebenfalls wie ein Krieger wirkte. Rhonin war der einzige Mensch unter ihnen – der einzige Mensch der Welt, so weit Malfurion wusste –, und seine bloße Anwesenheit löste Aufregung aus. Die Nachtelfen neigten zur Arroganz und zu Vorurteilen, wenn es um andere Völker ging. Rhonin behandelten sie mit Respekt, weil er mächtig war, doch nur wenige hätten ihn wohl in ihr Heim eingeladen.

Noch weiter entfernt von einer Einladung war die groteske, tierhafte Gestalt neben ihm, die fast so groß wie Malfurion und beinahe so breit wie ein Bär war. Auf dem Rücken trug der Orc eine gewaltige, doppelt geschliffene Streitaxt, die aus Holz zu sein schien, aber wie Stahl glänzte.

„Wer die Wahrheit in der Schlacht nicht erkennt, stürmt der Niederlage entgegen“, grunzte der grünhäutige Krieger, und die philosophischen Worte passten nicht zu seinem primitiven Aussehen.

Broxigar – oder Brox, wie er sich meist nannte – schüttelte den Kopf über die unverminderte Hingabe der Nachtelfen. Rhonin antwortete dem Orc mit einem zynisch traurigen Lächeln, was Malfurion zu der Frage führte, wie sein Volk in den Augen dieser Fremden wirken musste. Im Gegensatz zu den meisten Nachtelfen hatten sie die Wahrheit längst erkannt: Azshara wusste, was in ihrem Palast vorging.

„Wenn ihr wüsstet, was sie einst für uns darstellte“, flüsterte Malfurion, „dann würdet ihr verstehen, weshalb ihr Verrat so schwer zu akzeptieren ist.“

„Es ist egal, was sie denken“, mischte sich Illidan in die Unterhaltung ein. „Sie werden Zin-Azshari ohnehin angreifen. Das Ergebnis wird das Gleiche sein: Das Ende der Dämonen.“

„Und wenn Azshara vor sie tritt und erklärt, sie habe den Hochwohlgeborenen die Kontrolle über die Dämonen abgerungen und alles sei wieder in Ordnung?“, fragte Rhonin spitz. „Wenn sie ihren Leuten befiehlt, die Waffen niederzulegen, weil die Schlacht vorüber ist? Und wenn die Brennende Legion Ravencrest und die anderen angreift, während die Königin über deren Dummheit lacht?“

Illidan wusste nichts darauf zu erwidern, Brox hingegen schon. Er legte eine Pranke auf den Griff seines Dolches und murmelte leise: „Wir wissen um ihren Verrat. Wir werden dafür sorgen, dass diese Königin niemanden mehr täuscht…“

Rhonin neigte unter seiner Kapuze den Kopf zur Seite, als wolle er über diesen Vorschlag nachdenken. Illidan verbarg seine Gefühle hinter einem starren Gesichtsausdruck. Malfurion zog die Augenbrauen zusammen, war hin- und hergerissen zwischen den Überbleibseln seiner eigenen königlichen Verehrung und der Erkenntnis, dass man irgendwann gegen die Königin vorgehen musste. Weil sonst die Welt die Invasion der Monstrositäten nicht überstehen würde.

„Sollte die Zeit kommen, werden wir tun, was getan werden muss“, antwortete er schließlich.

„Und diese Zeit wird bald kommen.“

Krasus betrat leise den Saal, worauf sie verstummten. Der blasse, rätselhafte Zauberer bewegte sich sicherer, erholter, aber der Drache, vom dem er seine Stärke zu beziehen schien, war natürlich nicht im Saal zu sehen.