»Und sie ermorden ihn!« Plötzlich stand es mir glasklar vor Augen.
»Oh, ich bin sicher, sie haben versucht, vernünftig mit ihm zu reden. Sie gaben ihm ein Glas Sherry, und erst als er vollkommen uneinsichtig war – vermutlich haben sie ihm auch gedroht –, hat Mr Abernetty seinen Revolver herausgezogen und ihn erschossen. Snowden ließ den Sherry fallen und verschüttete ihn auf seinem Hemd, aber der Fleck wurde dann weitgehend von seinem eigenen Blut überdeckt.«
Jones hatte alledem mit einer Verzweiflung zugehört, die sich immer schärfer in seine Züge brannte. »Die Sache scheint ziemlich klar, Mr Holmes«, sagte er. »Aber ich weiß immer noch nicht, wie Sie das rausgekriegt haben.«
»Die drei Königinnen haben es mir verraten, Inspektor. Mr Abernetty brauchte einen Grund, um einen jungen Mann umzubringen, der ihm bis zu diesem Abend vollkommen fremd gewesen war. Also behauptete er einfach, er wäre ein Einbrecher gewesen. Aber warum sollte ein Einbrecher ein Haus ausgesucht haben, das so renovierungsbedürftig war und offensichtlich keinerlei Wertgegenstände enthielt? Das war Mr Abernettys Problem. Und er fand dafür eine geniale Lösung. Er würde in zwei Häuser in der Nachbarschaft einbrechen und die Polizei auf diese Art überzeugen, dass der junge Mann ein Einbrecher war. Und warum hat er Haus Nummer eins und Haus Nummer fünf ausgesucht? Er wusste, dass die Dunstables in Torquay waren … das hat uns Mrs Abernetty selbst mitgeteilt. Und er wusste auch, dass Mrs Webster mit ihrem Laudanum und ihrem Kamelhaarkissen fest schlafen und keinesfalls aufwachen würde.«
»Aber wieso dann die drei Porzellanfiguren?«
»Er hatte keine andere Wahl. In seinem eigenen Haus gab es nichts Stehlenswertes, und um Mrs Websters Stahlfach zu öffnen, fehlten ihm die nötigen Fähigkeiten. Andererseits wusste er, dass es in allen drei Häusern diese Erinnerungen an das Thronjubiläum gab, und das verschaffte ihm die Gelegenheit zu einem perfekten Ablenkungsmanöver. Sie erinnern sich vielleicht, dass meine Haushälterin, Mrs Hudson, die Vorbereitung des Nachmittagstees unterbrach, weil sie so fasziniert von einem tanzenden Hund war. Dasselbe Prinzip war auch hier wirksam. Mr Abernetty nahm zu Recht an, dass Sie sich über diese völlig harmlosen Gegenstände so viele Gedanken machen würden, dass Sie sich gar nicht fragen würden, ob Sie es tatsächlich mit einem echten Einbruch zu tun hatten. Er hatte nur insofern Pech, als Sie beschlossen haben, mit der Sache zu mir zu kommen.«
»Die Fußspuren hat er vermutlich ganz bewusst hinterlassen, nehme ich an.«
»In der Tat. Ich habe mich gleich gefragt, warum dieser Einbrecher so erpicht darauf war, uns zu zeigen, wie er ins Haus gekommen war. Es war natürlich Mr Abernetty, der sich Michael Snowdens Schuhe übergestreift hatte. Er hat sich große Mühe gegeben, in die Blumenbeete zu treten. Allerdings machte er einen Fehler, als er beim Abstreifen der Schuhe eine böse Falte im linken Socken des Toten hinterließ. Sie erinnern sich, dass ich Sie im Leichenschauhaus darauf hinwies?«
»Mr Holmes, ich … bin vollkommen sprachlos.« Jones stand auf, und ich hatte den Eindruck, dass es ihm einige Mühe machte. Ich erinnerte mich daran, dass er diese Schwäche schon in Primrose Hill gezeigt hatte. »Sie entschuldigen mich. Ich muss eine Verhaftung vornehmen.«
»Besser zwei, Herr Inspektor. Denn Mrs Abernetty war eindeutig Mitwisserin und Komplizin bei diesem Verbrechen.«
»In der Tat.« Jones musterte Holmes noch ein letztes Mal. »Ihre Methoden sind wirklich ganz außergewöhnlich«, murmelte er. »Ich werde von Ihnen lernen. Ich muss sogar von Ihnen lernen. So viel übersehen und so wenig begriffen zu haben … Das darf einfach nicht wieder vorkommen.«
Kurze Zeit darauf erfuhr ich, dass Athelney Jones krank geworden war und sich vom Polizeidienst hatte beurlauben lassen. Holmes war überzeugt, dass der scheußliche Fall Abernetty bei seinem Niedergang eine Rolle gespielt hatte, und aus Respekt vor dem armen Mann entschloss ich mich, auf eine Veröffentlichung meines Berichts zu verzichten und ihn stattdessen zusammen mit gewissen anderen Papieren in einem Schließfach in den Tresoren von Cox & Co. in Charing Cross zu deponieren, wo er dieselbe Vertraulichkeit genießt wie meine Patientenakten. Von mir aus kann er irgendwann in der Zukunft veröffentlicht werden, wenn die beschriebenen Ereignisse vergessen sind und der gute Ruf des Inspektors keinen Schaden mehr nehmen kann.