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«Weil sie uns nicht gesehen haben, «entgegnete Athos.

«Meiner Treu, «sagte Aramis,»es wiederstrebt mir, auf diese armen Teufel von Bürgersleuten zu schießen.«

«Ein schlechter Priester, «rief Porthos,»der mit Ketzern Mitleid hat.«

«In der That, «sagte Athos,»Aramis hat Recht, und ich will sie warnen.«

«Was Teufels macht Ihr denn?«entgegnete d'Artagnan,»Ihr wollt Euch, scheint es, niederschießen lassen, mein Lieber.«

Aber Athos hörte nicht auf diesen Rath, sondern stieg auf die Bresche, wandte sich, sein Gewehr in der einen, den Hut in der andern Hand, höflich grüßend an die Soldaten und Arbeiter, welche erstaunt über diese Erscheinung ungefähr fünfzig Schritte vor der Bastei stehen blieben, und rief:

«Meine Herren, einige Freunde und ich sitzen hier in dieser Bastei beim Frühstück. Ihr wißt aber wohl, wie unangenehm es ist, gestört zu werden, wenn man frühstückt: wir bitten Euch also, wenn Ihr unerläßliche Geschäfte hier habt, entweder zu warten bis wir unser Mahl vollendet haben oder später wieder zu kommen, wenn Ihr nicht, was das Heilsamste wäre, Lust habt, die Partei der Rebellen zu verlassen und mit uns auf die Gesundheit des Königs von Frankreich zu trinken.«

«Nimm Dich in Acht, Athos, «jagte d'Artagnan,»siehst Du nicht, daß sie auf Dich anlegen?«

«Allerdings, «erwiederte Athos,»aber es sind Bürger, die sehr schlecht schießen und mich gewiß nicht treffen werden.«

Es wurden in der That in demselben Augenblick vier Flintenschüsse abgefeuert und die Kugeln schlugen um Athos her an die Mauern, aber keine traf ihn.

Vier Schüsse antworteten ihnen beinahe in derselben Sekunde, aber unsere Freunde hatten besser gezielt, als die Angreifenden: drei Soldaten stürzten maustodt nieder und ein Arbeiter war verwundet.

«Grimaud, eine andere Muskete, «sagte Athos, immer noch auf der Bresche stehend.

Grimaud gehorchte sogleich. Die drei Freunde hatten ihre Gewehre selbst wieder geladen, der Brigadier und zwei Pionniere wurden todt zu Boden gestreckt, der Rest der Truppe ergriff die Flucht.

«Auf! meine Herren, einen Ausfall, «rief Athos.

Und die vier Freunde stürzten aus dem Fort hervor, gelangten bis zum Schlachtfeld, rafften die vier Musketen der Soldaten und die Halbpike des Brigadiers auf, und zogen sich, überzeugt, daß die Fliehenden erst in der Stadt anhalten werden, mit ihren Siegestrophäen in die Bastei zurück.

«Lade unsere Gewehre wieder, Grimaud, «sprach Athos,»und wir, meine Herren, wollen zu unserem Frühstück zurückkehren und unser Gespräch fortsetzen. Wo waren wir?«

«Ich erinnere mich, «antwortete d'Artagnan,»Du sagtest Mylady habe Frankreich verlassen, nachdem sie meinen Kopf von dem Kardinal verlangt habe.«

«Und wohin geht sie?«fügte d'Artagnan bei, den Myladys Reiseplan sehr in Anspruch zu nehmen schien.

«Sie geht nach England, «erwiederte Athos.

«In welcher Absicht?«

«In der Absicht, Buckingham zu ermorden oder ermorden zu lassen.«

«Ei das ist ja ganz heillos, «rief d'Artagnan voll Staunen und Entrüstung.

«Oh! was das betrifft, «entgegnete Athos,»darum kümmere ich mich nicht viel. Nun, da Du fertig bist, Grimaud, «fuhr Athos fort,»nimm die Halbpike unseres Brigadier, binde eine Serviette daran und pflanze sie dann auf unserer Bastei auf, damit diese rebellischen Rocheller sehen, daß sie es mit braven und loyalen Soldaten des Königs zu thun haben.«

Grimaud gehorchte, ohne zu antworten, und einen Augenblick nachher wehte eine weiße Fahne über dem Haupte der vier Freunde. Freudengeschrei und donnernder Beifall begrüßten ihre Erscheinung. Die Hälfte des Lagers war an den Barrieren.

«Wie, «versetzte d'Artagnan,»Du kümmerst Dich wenig darum, ob sie Buckingham ermordet, oder ermorden läßt? Der Herzog ist unser Freund.«

«Der Herzog ist ein Engländer, der Herzog kämpft gegen uns, sie mag also mit ihm machen, was sie will, ich kümmere mich so wenig darum, als um eine leere Flasche.«

Und bei diesen Worten schleuderte Athos eine Flasche, deren Inhalt er bis auf den letzten Blutstropfen in sein Glas gegossen hatte, zwanzig Schritte von sich.

«Einen Augenblick — «sagte d'Artagnan,»ich gebe den Herzog nicht so rasch auf, er schenkte uns sehr schöne Pferde.«

«Und besonders sehr schöne Sättel, «sprach Porthos, der die Galone des seinigen an seinem Mantel trug.

«Auch will Gott die Bekehrung und nicht den Tod des Sünders, «sagte Aramis.

«Amen!«sprach Athos,»und wir werden später hierauf zurückkommen, wenn es Euch beliebt. Doch ich war am meisten daraus bedacht — und Du wirst das wohl begreifen, d'Artagnan — dieser Frau eine Art von Vollmacht abzunehmen, welche sie Richelieu abgepreßt hatte, und mit deren Hülfe sie sich ungestraft Deiner und vielleicht unserer Personen entledigen könnte.«

«Aber das ist doch ein wahrer Teufel, dieses Geschöpf!«sprach Porthos und reichte Aramis, welcher Geflügel zerlegte, seine Serviette.

«Und diese Vollmacht, «fragte d'Artagnan,»diese Vollmacht blieb in Ihren Händen?«

«Nein, sie ging in die meinigen über. Wenn ich sagen würde, dies sei ohne Mühe geschehen, so müßte ich lügen.«

«Mein lieber Athos, «sprach d'Artagnan,»ich zähle nicht mehr, wie oft Ihr mir das Leben gerettet habt.«

«Also um zu ihr zurückzukehren, hast Du uns verlassen?«fragte Aramis.

«Allerdings.«

«Und Du besitzest den Brief des Kardinals?«fragte d'Artagnan.

«Hier ist er, «antwortete Athos.

Und er zog das kostbare Papier aus der Tasche seiner Kasake hervor.

D'Artagnan entfaltete es mit einer Hand, deren Zittern er nicht einmal zu verbergen suchte und las:

«Auf meinen Befehl und zum Wohle des Staates hat der Inhaber gethan, was er gethan hat.

Den 3. August 1628. Richelieu

«In der That, «sprach Aramis,»das ist eine Absolution nach allen Regeln.«

«Man muß dieses Papier vernichten, «sprach d'Artagnan, der sein Todesurtheil zu lesen meinte.

«Ganz im Gegentheil, «erwiederte Athos,»man muß es sorgfältig aufbewahren, und ich würde dieses Papier nicht hergeben, wenn man es mit Goldstücken bedecken wollte.«

«Und was wird sie nun wohl thun?«fragte der junge Mann.

«Wahrscheinlich, «antwortete Athos,»wahrscheinlich wird sie dem Kardinal schreiben, ein verdammter Musketier, Namens Athos, habe ihr mit Gewalt ihren Geleitsbrief entrissen. Sie wird ihm in demselben Brief den Rath geben, sich zu gleicher Zeit seiner, so wie seiner zwei Freunde, Porthos und Aramis, zu entledigen. Der Kardinal wird sich erinnern, daß es dieselben Menschen sind. denen er immer auf seinen Wegen begegnet. Dann wird er an einem schönen Morgen d'Artagnan verhaften lassen und, damit er sich ganz allein nicht zu sehr langweilt, auch uns in die Bastille schicken, um ihm Gesellschaft zu leisten.«

«Ei, den Teufel!«rief Porthos,»es scheint mir, Du machst da sehr schlechte Spässe, mein Lieber?«

«Ich spasse nicht, «sagte Athos.

«Weißt Du, «versetzte Porthos,»daß es eine geringere Sünde wäre, dieser verdammten Mylady den Hals umzudrehen, als diesen armen Teufeln von Hugenotten, welche nie ein anderes Verbrechen begangen haben, als daß sie die Psalmen französisch singen, die wir lateinisch singen.«

«Was sagt der Abbé dazu?«fragte Athos ruhig.

«Ich sage, daß ich der Meinung von Porthos bin, «antwortete Aramis.

«Und ich ebenfalls, «sprach d'Artagnan.

«Zum Glück ist sie ferne von hier, «versetzte Porthos,»denn ich gestehe, sie würde mich hier sehr genieren.«

«Sie geniert mich in England eben so sehr, als in Frankreich, «sagte Athos.

«Sie geniert mich überall, «sprach d'Artagnan.

«Aber da Du sie in Deinen Händen hattest, «rief Porthos,»warum hast Du sie nicht ertränkt, erdrosselt, aufgehenkt?… Nur die Todten kommen nicht wieder.«