«Das ist gut. Porthos, diesmal habt Ihr einen Gedanken.«
«Ganz gewiß, «sprach Porthos, sich bei dem Komplimente von Athos brüstend,»da er einen Diamant hat, so wollen wir ihn verkaufen.«
«Aber es ist der Diamant der Königin, «entgegnete d'Artagnan.
«Ein Grund mehr, «versetzte Athos.»Die Königin rettet Herrn von Buckingham, ihren Liebhaber, nichts ist billiger; die Königin rettet uns, ihre Freunde, nichts ist moralischer. Verkaufen wir den Diamant. Was denkt der Herr Abbé hierüber? Ich frage Porthos nicht um seine Meinung; er hat sie bereits ausgesprochen.«
«Ich denke, «antwortete Aramis erröthend,»daß d'Artagnan, da sein Ring nicht von einer Geliebten kommt und folglich kein Liebespfand ist, denselben verkaufen kann.«
«Mein Lieber, Ihr sprecht wie die leibhaftige Theologie. Es ist also Euer Rath?…«
«Den Diamant zu verkaufen, «erwiderte Aramis.
«Gut!«rief d'Artagnan heiter.»Verkaufen wir den Diamant und sprechen wir nicht mehr davon.«
Das Gewehrfeuer dauerte fort, aber die Freunde befanden sich außerhalb der Schußweite und die Rocheller schossen nur, um ihr Gewissen zu entlasten.
«Meiner Treu, es war Zeit, daß Porthos auf diese Idee kam: wir sind im Lager. Also, meine Herren, kein Wort mehr von der ganzen Geschichte. Man bemerkt uns, man kommt uns entgegen; man wird uns im Triumphe hineintragen!«
In der That war, wie wir bemerkt haben, das ganze Lager in Bewegung. Mehr als zweitausend Personen hatten die glückliche Prahlerei der vier Freunde, deren wahre Ursache man nicht im entferntesten errieth, wie ein Schauspiel betrachtet. Man hörte nichts als den Ruf:»Es leben die Garden! Es leben die Musketiere!«Herr von Busigny war der erste, der herbei kam, um Athos die Hand zu drücken und die Wette für verloren zu erklären. Der Schweizer und der Dragoner ahmten ihm nach und alle Kameraden folgten dem Schweizer und dem Dragoner. Das Händedrücken, Glückwünschen, Umarmen wollte kein Ende nehmen, es entstand ein unauslöschliches Gelächter über die Rocheller und der Tumult nahm dermaßen zu, daß der Herr Kardinal, in der Meinung, es sei ein Aufruhr ausgebrochen, La Houdinière, den Kapitän seiner Leibwachen, abschickte, um sich zu erkundigen, was vorging.
Man erzählte ihm die Sache mit dem ganzen Feuer der Begeisterung.
«Nun?«fragte der Kardinal, als er La Houdinière zurückkommen sah.
«Monseigneur, «erwiderte dieser,»drei Musketiere und ein Garde haben mit Herrn von Busigny gewettet, in der Bastei Saint Gervais zu frühstücken; sie hielten zwei Stunden gegen den Feind aus und tödteten, ich weiß nicht wie viele Rocheller.«
«Habt Ihr nach den Namen der drei Musketiere gefragt?«
«Ja, Monseigneur.«
«Wie heißen sie?«
«Es sind die Herren Athos, Porthos und Aramis.«
«Immer meine drei Braven, «murmelte der Kardinal.»Und der Garde?«
«Herr d'Artagnan.«
«Immer mein junger Tollkopf! Diese vier Menschen müssen um jeden Preis mein werden.«
Am Abend desselben Tages sprach der Kardinal mit Herrn von Treville über die That vom Morgen, welche das Gespräch des ganzen Lagers bildete; Herr von Treville, der die Begebenheit aus dem Munde des Helden selbst erfahren hatte, erzählte sie Seiner Eminenz in allen ihren Einzelheiten, ohne die Episode der Serviette zu vergessen.
«Das ist schön, Herr von Treville, «sagte der Kardinal,»ich bitte Euch, verschafft mir diese Serviette, ich lasse drei goldene Lilien darauf sticken und gebe sie Eurer Kompagnie als Standarte.«
«Monseigneur, «erwiederte Herr von Treville,»das wäre eine Ungerechtigkeit gegen die Garden, Herr d'Artagnan gehört nicht mir an, sondern Herrn des Essarts.«
«Gut, so nehmt ihn, «sprach der Kardinal,»es ist nicht mehr als billig, daß die vier braven Militärs, die sich so sehr lieben, in einer Kompagnie dienen.«
An demselben Abend theilte Herr von Treville diese gute Botschaft den drei Musketieren und d'Artagnan mit, und lud alle vier auf den andern Tag zum Frühstück ein.
D'Artagnan gerieth außer sich vor Freude. Musketier zu sein war, wie man weiß, der Traum seines ganzen Lebens.
Auch die drei Freunde waren sehr erfreut.
«Meiner Treu, «sprach d'Artagnan zu Athos,»Da hast einen glorreichen Gedanken gehabt, und wir erlangten dabei Ruhm, wie Du sagtest, und konnten eine höchst wichtige Unterredung halten.«
«Die wir jetzt wieder aufnehmen können, wann es uns beliebt, denn mit Gottes Hülfe werden wir von nun an für Kardinalisten gelten.«
An demselben Abend machte d'Artagnan Herrn des Essarts seine Aufwartung, um ihm sein Avancement mitzutheilen.
Herr des Essarts, der d'Artagnan sehr gewogen war, bot diesem seine Dienste an, denn die Korps-Veränderung hatte bedeutende Equipirungskosten zur Folge.
D'Artagnan schlug das Anerbieten aus, aber er wollte die gute Gelegenheit benützen und bat ihn, den Diamant schätzen zu lassen, den er ihm zustellte und den er zu Geld zu machen wünschte.
Am andern Morgen um acht Uhr trat der Bediente des Herrn des Essarts bei d'Artagnan ein und übergab ihm einen Sack mit siebentausend Franken. Dies war der Preis für den Diamant der Königin.
XX. Familien-Angelegenheit
Athos hatte das rechte Wort gefunden: man mußte aus der Angelegenheit Buckinghams eine Familien-Angelegenheit machen. Eine Familien-Angelegenheit war nicht der Nachforschung des Kardinals unterworfen. Eine Familien-Angelegenheit ging Niemand etwas an. Man konnte sich vor der ganzen Welt mit einer Familien-Angelegenheit beschäftigen.
Aramis hatte den Gedanken gefunden: die Lakaien.
Porthos hatte das Mittel gefunden: den Diamant.
D'Artagnan allein hatte nichts gefunden, obschon er sonst der erfindungsreichste unter den vier Freunden war, aber man muß auch bemerken, daß schon der Name Mylady ihn lähmte. Doch wir täuschen uns, er hatte einen Käufer für seinen Diamant gefunden.
Bei dem Frühstück des Herrn von Treville herrschte die ungezwungenste Heiterkeit. D'Artagnan hatte bereits seine Uniform. Da er beinahe von demselben Wuchse war, wie Aramis, und da Aramis in Folge des reichlichen Honorars von dem Buchhändler, der ihm sein Gedicht abgekauft hatte, wie er behauptet hatte, Alles doppelt besaß, so trat er d'Artagnan eine vollständige Equipirung ab.
D'Artagnan wäre auf dem Höhepunkt seiner Wünsche gestanden, wenn er nicht Mylady wie eine düstere Wolke am Horizont hätte hervortreten sehen.
Nach dem Frühstück kam man überein, sich am Abend in der Wohnung von Athos zu versammeln und dort die Angelegenheit zu Ende zu führen.
D'Artagnan brachte den Tag damit zu, seine Musketier-Uniform in allen Straßen des Lagers zu zeigen.
Am Abend versammelten sich die Freunde zur bestimmten Stunde; es blieben nur noch drei Dinge zu entscheiden:
Was man dem Bruder von Mylady schreiben sollte; Was man der geschickten Person in Tours schreiben sollte; Und welche Bedienten die Briefe besorgen sollten.
Jeder bot den seinigen an. Athos rühmte die Verschwiegenheit Grimauds, der nur sprach, wenn ihm sein Herr den Mund auftrennte; Porthos pries die Kraft Mousquetons, der vier Männer von gewöhnlicher Leibesbeschaffenheit durchprügeln konnte. Aramis vertraute auf die Gewandtheit Bazin's und sprach mit pomphaften Lobeserhebungen von seinem Kandidaten; d'Artagnan endlich hatte ein vollkommenes Zutrauen zu dem Muth Planchets und erinnerte daran, wie er sich in der so kitzeligen Angelegenheit von Boulogne benommen hatte. Diese vier Tugenden stritten lang um den Preis und gaben zu glänzenden Reden Anlaß, die wir in Betracht ihrer Ausdehnung nicht anführen.
«Leider, «sprach Athos,»müßte der, welchen man abschickt, die vier Tugenden vereinigt besitzen.«
«Aber wo ließe sich ein solcher Bediente finden?«
«Nicht zu finden; ich weiß wohl, «antwortete Athos;»nehmt also Grimaud.«