«Nehmt Mousqueton.«
«Nehmt Bazin.«
«Nehmt Planchet. Planchet ist ehrlich und gewandt, das sind schon zwei von den vier Eigenschaften.«
«Meine Herren, «sprach Aramis,»die Hauptsache ist nicht zu ermessen, welcher von unsern vier Bedienten der verschwiegenste, der stärkste, der gewandteste und der muthigste ist; die Hauptsache ist, daß wir ermessen, welcher das Geld am meisten liebt.«
«Was Aramis sagt, ist sehr vernünftig, «versetzte Athos,»man muß auf die Fehler der Menschen spekulieren, und nicht auf ihre Tugenden. Mein Herr Abbé, Ihr seid ein großer Moralist.«
«Allerdings, «erwiederte Aramis,»denn wir bedürfen guter Bedienung, nicht nur damit unser Plan gelingt, sondern daß wir nicht scheitern, weil es sonst um unsre Köpfe geht, nicht um die der Lakaien…«
«Leiser, Aramis, «sagte Athos.
«Das ist wahr, «sprach Aramis,»nicht um die der Lakaien, sondern um die der Herren. Sind uns unsere Bedienten so sehr ergeben, daß sie das Leben für uns wagen? Nein.«
«Meiner Treu, «entgegnete d'Artagnan,»ich wollte beinahe für Planchet stehen.«
«Gut! mein lieber Freund, so fügt seiner natürlichen Ergebenheit eine schöne Summe bei, wodurch er zu einiger Wohlhabenheit gelangt, und steht dann zweimal für ihn.«
«Eh! guter Gott, Ihr werdet gleichfalls betrogen werden, «sagte Athos, der Optimist war, wenn es sich um Dinge, und Pessimist, wenn es sich um Menschen handelte;»sie werden Alles versprechen, um Geld zu bekommen, und unterwegs wird sie die Furcht abhalten zu handeln. Sind sie einmal gefangen, so bindet man sie; sind sie gebunden, so gestehen sie. Was Teufels, wir sind keine Kinder! Um nach England zu gehen (Athos dämpfte seine Stimme), muß man ganz Frankreich durchreisen, während das Land von Spionen und Kreaturen des Kardinals wimmelt; man muß einen Paß haben, um sich einzuschiffen; man muß Englisch verstehen, um den Weg nach London zu erfragen. Mir kommt die Sache sehr schwierig vor.«
«Keineswegs, «entgegnete d'Artagnan, dem Alles daran lag, die Sache durchzusetzen;»mir kommt sie im Gegentheil ganz leicht vor. Es versteht sich, bei Gott! von selbst, daß, wenn man an Lord Winter von niederträchtigen Dingen, von Abscheulichkeiten des Kardinals…«
«Leiser, «ermahnte Athos.
«Von Intriguen und Staatsgeheimnissen schriebe, «fuhr d'Artagnan sich der Ermahnung fügend fort,»es versteht sich, sage ich, dann von selbst, daß wir bei lebendigem Leibe gerädert würden, aber vergeßt doch um Gottes willen nicht, daß wir ihm, wie Ihr selbst gesagt habt, Athos, in Familienangelegenheiten schreiben, daß wir uns einzig und allein an ihn wenden, damit er Mylady bei ihrer Ankunft in London außer Stand setzt, uns zu schaden. Ich werde ihm einen Brief ungefähr in folgenden Ausdrücken schreiben.«
«Laßt hören, «sagte Aramis und nahm zum Voraus das Gesicht eines Kritikers an.
«Mein Herr und theuer Freund…«
«Ah! ja, theurer Freund, an einen Engländer!«unterbrach ihn Athos.»Gut angefangen, d'Artagnan, schon wegen dieses einzigen Wortes würdet Ihr geviertheilt, statt gerädert.«
«Wohl, es sei, ich werde also ganz kurz»»Mein Herr««sagen.«
«Ihr könnt sogar Mylord sagen, «erwiederte Athos, der große Stücke auf derartige Äußerlichkeiten hielt.
«Mylord, erinnert Ihr Euch des kleinen Ziegengeheges beim Luxemburg?«
«Gut! jetzt kommt der Luxemburg, man wird glauben, es sei eine Anspielung auf die Königin Mutter! das ist geistreich!«sprach Athos.
«Wohl, setzen wir ganz einfach: Mylord, erinnert Ihr Euch eines gewissen kleinen Geheges, wo man Euch das Leben gerettet hat?«
«Mein lieber d'Artagnan, «sprach Athos,»Ihr werdet stets ein sehr schlechter Briefsteller sein. Wo man Euch das Leben rettete! pfui! das ist nicht würdig; einen anständigen Mann erinnert man nicht an dergleichen Dienste; eine Wohlthat vorwerfen heißt beleidigen.«
«Ah! mein Lieber, «erwiederte d'Artagnan,»Ihr seid unerträglich, und wenn ich unter Eurer Censur schreiben muß, so verzichte ich darauf.«
«Und daran thut Ihr wohl. Handhabt die Muskete und den Degen, mein Freund, bei solchen Uebungen benehmt Ihr Euch vortrefflich; aber überlaßt die Feder dem Herrn Abbé, das ist seine Sache.«
«Ja gewiß, «sprach Porthos,»überlaßt die Feder Aramis, der Thesen in lateinischer Sprache schreibt.«
«Nun wohl, es sei, «sagte d'Artagnan,»entwerft Ihr diesen Brief, Aramis; aber im Namen des heiligen Vaters! nehmt Euch wohl in Acht, ich hechle Euch ebenfalls durch, das sage ich Euch zum Voraus.«
«Das ist mir äußerst angenehm, «antwortete Aramis mit dem naiven Selbstvertrauen, das jeder Dichter besitzt;»aber man theile mir die betreffenden Umstände mit. Ich habe wohl beiläufig gehört, diese Schwägerin sei eine schurkische Person, ich habe sogar selbst den Beweis hiefür erhalten, als ich ihre Unterredung mit dem Kardinal hörte…«
«Leiser, Donner und Teufel!«sprach Athos.
«Aber, «fuhr Aramis fort,»die Einzelheiten sind mir nicht bekannt.«
«Mir auch nicht, «sagte Porthos.
D'Artagnan und Athos schauten sich einige Zeit stillschweigend an. Endlich, als sich Athos etwas gesammelt hatte, machte er, noch bleicher als gewöhnlich, ein Zeichen der Einwilligung. D'Artagnan begriff, daß er sprechen konnte.
«Wohl, so hört, was zu schreiben ist, «versetzte d'Artagnan,»Mylord, Eure Schwägerin ist eine Schändliche, die Euch tödten lassen wollte, um Euch zu beerben; aber sie konnte Euern Bruder nicht heirathen, da sie schon in Frankreich verheirathet war und…«d'Artagnan hielt inne, als ob er nach dem Worte suchte, und schaute Athos an. — »Von ihrem Gatten fortgejagt wurde, «sagte Athos. — »Weil sie gebrandmarkt war, «fuhr d'Artagnan fort. — »Bah!«rief Porthos,»unmöglich! Sie wollte ihren Schwager tödten lassen?«—»Ja.«—»Sie war verheirathet?«fragte Aramis. — »Ja.«—»Und ihr Gatte bemerkte, daß sie eine Lilie auf der Schulter hatte?«rief Porthos. — »Ja.«
Diese drei Ja wurden von Athos, jedes mit düsterer Betonung ausgesprochen.
«Und wer hat die Lilie gesehen?«fragte Aramis. — »D'Artagnan und ich, oder vielmehr, um die chronologische Ordnung zu beobachten, ich und d'Artagnan, «antwortete Athos. — »Und der Gatte dieses abscheulichen Geschöpfes lebt noch?«sprach Aramis. — »Er lebt noch.«—»Ihr wißt es gewiß?«—»Ich weiß es gewiß.«
Es herrschte ein kurzes Stillschweigen, während dessen jeder die Eindrücke nach seiner eigentümlichen Natur in sich verarbeitete.
«Diesmal, «sagte Athos, das Stillschweigen zuerst unterbrechend,»diesmal hat uns d'Artagnan ein vortreffliches Programm gegeben, und das muß man vor Allem schreiben.«
«Teufel, Ihr habt Recht, Athos, «versetzte Aramis,»und der Entwurf ist kitzelig. Der Herr Kanzler käme selbst in Verlegenheit, wenn er einen Brief von dieser Wichtigkeit abfassen müßte, und der Herr Kanzler faßt doch ein Protokoll sehr gut ab. Doch gleich viel, schweigt, ich schreibe.«
Aramis nahm eine Feder, dachte einen Augenblick nach, schrieb acht bis zehn Zeilen mit einer zierlichen Frauenhandschrift, und las sodann mit weicher Stimme, als ob jedes Wort ängstlich von ihm erwogen worden wäre, wie folgt:
«Mylord,
«Die Person, welche Euch diese Zeilen schreibt, hat die Ehre gehabt, den Degen in einem kleinen Gehege der Rue d'Enfer mit Euch zu kreuzen. Da Ihr seitdem wiederholt die Güte hattet. Euch den Freund dieser Person zu nennen, so glaubt sie Euch für diese Freundschaft durch einen guten Rath danken zu müssen. Zweimal wäret Ihr beinahe das Opfer einer nahen Verwandten geworden, die Ihr für Eure Erbin haltet, weil Ihr nicht wißt, daß sie, ehe sie in England eine Ehe eingegangen hatte, bereits in Frankreich verheirathet war; aber das dritte Mal, das Euch jetzt bevorsteht, könntet Ihr unterliegen. Eure Verwandte ist von La Rochelle nach England abgereist. Ueberwacht ihre Ankunft, denn sie hat große, furchtbare Pläne. Wenn ihr durchaus wissen wollt, was sie zu thun fähig ist, so lest ihre Vergangenheit auf ihrer linken Schulter.«