Mylady hörte mit einer Aufmerksamkeit, wobei sich ihre entflammten Augen immer mehr erweiterten.
«Ja, aber vorläufig, «fuhr Lord Winter fort,»bleibt Ihr in diesem Schlosse. Die Mauern desselben sind dick, die Thüren stark, die Gitter fest und überdies geht Euer Fenster gerade auf die See hinab. Die Leute von meiner Schiffsmannschaft, welche mir auf Leben und Tod ergeben sind, werden um diese Wohnung her aufgestellt und bewachen alle Zugänge, welche zu dem Hof führen. Wäret Ihr auch im Hof, so müßtet Ihr noch durch drei Gitter gelangen. Der Befehl ist genau. Ein Schritt, eine Geberde, ein Wort, woraus sich auf einen Entweichungsversuch schließen ließe, und man gibt Feuer auf Euch. Tödtet man Euch, so hat die englische Justiz mir Dank zu sagen, daß ich ihr ein Geschäft erspart habe. Ah, Eure Züge nehmen ihre Ruhe wieder an. Euer Antlitz gewinnt wieder seine Sicherheit. Zehn Tage, vierzehn Tage, sagt Ihr? bah! bis dahin wird mir ein Gedanke kommen: ich habe einen erfindungsreichen, einen höllischen Geist, und werde schon irgend ein Opfer treffen. In vierzehn Tagen von heute an, sagt Ihr Euch, werde ich ferne von hier sein. Versucht es einmal!«
Als sich Mylady verrathen sah, preßte sie sich die Nägel in das Fleisch, um jede Bewegung zu bewältigen, welche ihrer Physiognomie irgend einen andern Ausdruck, als den des Schreckens hätte geben können.
Lord Winter fuhr fort.
«Den Officier, welcher allein hier in meinem Namen kommandirt, habt Ihr gesehen und kennt ihn also bereits. Ihr konntet wahrnehmen, daß er einem Befehle zu gehorchen weiß: denn Ihr seid nicht von Portsmouth hierher gekommen, ohne den Versuch zu machen, ihn zum Sprechen zu bringen. Was sagt Ihr von ihm? Hätte eine Marmorstatue unempfindlicher, stummer sein können? Ihr habt die Macht Eurer Verführungsmittel schon an vielen Männern versucht und leider ist es Euch stets gelungen. Versucht sie auch bei diesem, und wenn Ihr zu Eurem Ziele kommt, so erkläre ich Euch für den Teufel selbst.«
Er ging nach der Thüre und öffnete sie heftig.
«Man rufe mir Herrn Felton!«sagte er.»Wartet noch ein wenig und ich werde Euch ihm empfehlen.«
Es herrschte einen Augenblick ein seltsames Stillschweigen zwischen diesen zwei Personen, und inzwischen hörte man das Getöne eines langsamen regelmäßigen Schrittes, der sich dem Zimmer näherte.
Bald sah man im Schatten der Hausflur eine menschliche Gestalt, und der junge Lieutenant, mit dem wir bereits Bekanntschaft gemacht Haben, erschien, die Befehle des Barons erwartend, auf der Schwelle.
«Tretet ein, mein lieber John, «sprach Lord Winter,»tretet ein und schließt die Thüre.«
Der junge Offizier trat ein.
«Schaut nun diese Frau an, «sagte der Baron,»sie ist jung, sie ist schön, alle Verführungsmittel der Welt stehen ihr zu Gebot. Hört wohl, sie ist ein Ungeheuer, das sich mit fünfundzwanzig Jahren so vieler Verbrechen schuldig gemacht hat, als Ihr in einem Jahre in den Archiven unserer Tribunale lesen könnt. Ihre Stimme nimmt zu ihren Gunsten ein, ihre Schönheit dient als Köder für ihre Opfer. Sie wird Euch zu verführen, vielleicht sogar zu tödten versuchen. Ich habe Euch aus dem Elend gezogen, Felton, ich habe Euch zum Lieutenant ernennen lassen, ich habe Euch einmal das Leben gerettet, Ihr wißt, bei welcher Gelegenheit. Ich bin Euch nicht nur ein Beschützer, sondern ein Freund, nicht nur ein Wohlthäter, sondern ein Vater. Diese Frau ist nach England gekommen, um gegen mein Leben zu conspiriren. Ich halte diese Schlange in meinen Händen; ich habe Euch rufen lassen und sage Euch: Freund Felton, John, mein Junge, hüte Dich und mich vor dieser Frau. Schwöre mir bei Deinem Seelenheil, sie für die verdiente Strafe aufzubewahren. Felton, ich baue auf Dein Wort, John Felton, ich glaube an Deine Rechtschaffenheit.«
«Mylord, «erwiderte der junge Offizier, sein reines Auge mit allem Hasse füllend, den er in seinem Herzen finden konnte;»Mylord, ich schwöre Euch, daß ich thun werde, wie Ihr wünscht.«
Mylady nahm diesen Blick wie ein in ihr Schicksal ergebenes Opfer auf. Man könnte unmöglich einen unterwürfigeren und sanfteren Ausdruck sehen, als den, welcher jetzt auf ihrem schönen Antlitz herrschte.
Kaum erkannte Lord Winter in ihr die Tigerin, die er einen Augenblick vorher zu bekämpfen sich anschickte.
«Sie wird dieses Zimmer nie verlassen, hört Ihr wohl, John, «fuhr der Baron fort,»sie wird mit Niemand Briefe wechseln, sie wird nur mit Euch sprechen, wenn Ihr überhaupt Euch herablassen wollt, ein Wort an sie zu richten.«
«Es ist genug, Mylord, ich habe geschworen.«
«Und nun, Madame, «sprach der Baron,»und nun versucht es. Euren Frieden mit Gott zu machen, denn von den Menschen seid Ihr gerichtet.«
Mylady ließ das Haupt sinken, als ob sie durch dieses Urtheil zu Boden getreten wäre. Lord Winter entfernte sich mit einer Geberde gegen Felton, der ihm folgte und die Thüre schloß.
Einen Augenblick nachher hörte man in der Flur den schweren Gang eines Marinesoldaten, der mit seiner Axt in der Hand Wache stand.
Mylady verharrte einige Minuten in derselben Stellung, denn sie meinte, man könne sie durch das Schlüsselloch beobachten. Dann hob sie sachte das Haupt, das einen furchtbar drohenden, trotzigen Ausdruck angenommen hatte. Sie lief an die Thüre, um zu horchen, schaute durch das Fenster und begrub sich wieder in einen weiten Lehnstuhl.
Sie überlegte.
XXIII. Offizier!
Richelieu erwartete mittlerweile Kunde aus England.
Aber es kam keine Nachricht, außer unangenehmen, bedrohlichen. So gut La Rochelle eingeschlossen war, so sicher der Erfolg durch die Maßregeln, die man ergriffen, und besonders durch den Damm erscheinen durfte, der keine Barke mehr in die belagerte Stadt eindringen ließ, so konnte die Blokade doch noch lange Zeit dauern, und das war eine große Schmach für die Waffen des Königs und eine große Last für den Herrn Kardinal, der allerdings nicht mehr Ludwig XIII. mit Anna von Oesterreich zu veruneinigen hatte, was bereits abgemacht war, wohl aber Herrn von Bassompierre versöhnen sollte, der sich mit dem Herzog von Angoulème entzweit hatte.
Die Stadt hatte trotz der unglaublichen Beharrlichkeit ihres Bürgermeisters eine Meuterei versucht, um sich zu ergeben. Der Bürgermeister ließ die Meuterer hängen. Die Strafe brachte die schlimmsten Köpfe zur Ruhe, und sie ergaben sich jetzt in die Aussicht auf den Hungertod, der immerhin langsamer und auch nicht so schrecklich gewiß war, als die Erdrosselung.
Von Zeit zu Zeit erwischten die Belagerer Boten, welche die Rocheller an Buckingham schickten, oder Spione, welche Buckingham an die Rocheller absandte.
Im einen wie im andern Fall war der Proceß schnell abgemacht. Der Kardinal sprach das einzige Wort: Gehenkt! Man lud den König ein, das Hängen mit anzusehen; der König kam kraftlos herbei und wählte sich einen guten Platz, um die Operation in allen ihren Einzelnheiten anschauen zu können. Dies gewährte ihm stets einige Zerstreuung, aber er langweilte sich dessenungeachtet und sprach alle Augenblicke von einer Rückkehr nach Paris, so daß Seine Eminenz wenn es an Boten und Spionen gefehlt hätte, trotz ihrer Einbildungskraft in große Verlegenheit gerathen wäre.
Nichtsdestoweniger ging die Zeit vorüber, und die Rocheller ergaben sich nicht. Der letzte Spion, den man auffing, war der Ueberbringer eines Briefes. Dieser Brief sagte allerdings Buckingham, daß die Stadt jetzt in der äußersten Noth sei, aber statt des Beisatzes:»Wenn Eure Hülfe nicht vor vierzehn Tagen eintrifft, werden wir uns ergeben, «war ganz einfach beigefügt:»Wenn Eure Hülfe nicht vor vierzehn Tagen eintrifft, werden wir bei Eurer Erscheinung sammt und sonders verhungert sein. «Die Rocheller setzten ihre Hoffnung also auf Buckingham. Buckingham war ihr Messias. Hätten sie eines Tages auf eine sichere Weise erfahren, daß sie nicht mehr auf Buckingham rechnen dürften, so wäre offenbar ihr Muth mit der Hoffnung gesunken.