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Man kann sich leicht denken, daß sein Verlangen, etwas von dem Gespräch zu hören, sich durch diese Entdeckung nur noch vermehrte. Seine Augen nahmen einen seltsamen Ausdruck an und er näherte sich der Hecke mit dem Tritt einer Tigerkatze; aber er hatte noch nicht mehr als einige unbestimmte Sylben ohne einen richtigen Sinn aufzufassen vermocht, als ein kurzer kräftiger Ruf ihn beben machte und die Aufmerksamkeit der Musketiere erregte.

«Offizier!«rief Grimaud.

«Ihr sprecht, glaube ich, Bursche, «sagte Athos, sich auf einem Ellbogen erhebend und Grimaud mit seinem flammenden Blick anblitzend.

Grimaud fügte auch kein Wort mehr bei, er begnügte sich, den Zeigefinger in der Richtung der Hecke auszustrecken, und deutete durch Geberde den Kardinal und seine Escorte an.

Mit einem Sprung waren die vier Musketiere auf den Beinen und grüßten ehrfurchtsvoll.

Der Kardinal schien wüthend.

«Es scheint, daß man sich bei den Herren Musketieren bewachen läßt, «sagte er.»Kommt der Engländer zu Lande oder sollten sich die Musketiere für hohe Offiziere halten?«

«Monseigneur, «antwortete Athos, denn er allein hatte mitten unter dem allgemeinen Schrecken die Ruhe und Kaltblütigkeit des vornehmen Mannes behalten, die ihn nie verließ.»Monseigneur, wenn die Musketiere nicht im Dienste sind oder wenn ihr Dienst zu Ende ist, so trinken und würfeln sie und sind für ihre Lakaien sehr hohe Offiziere.«

«Lakaien!«brummte der Kardinal,»Lakaien, welche Befehl haben, ihre Herren zu benachrichtigen, wenn Jemand vorüber kommt, das sind keine Lakaien, sondern Wachen.«

«Seine Eminenz sieht jedoch, daß wir, wenn wir diese Vorsichtsmaßregel nicht getroffen hätten, uns der Unannehmlichkeit ausgesetzt haben würden, sie vorübergehen zu lassen, ohne ihr unsere Ehrfurcht zu bezeigen und unsern Dank für die Gnade ihres Besuches, abzustatten. D'Artagnan, «fuhr Athos fort,»Ihr, der Ihr Euch so eben nach einer Gelegenheit sehntet, Monseigneur Eure Dankbarkeit auszudrücken, habt sie nun gefunden und werdet sie benützen.«

Diese Worte wurden mit dem unstörbaren Phlegma, das Athos in den Stunden der Gefahr bezeichnete, und mit der außerordentlichen Höflichkeit gesprochen, die ihm in gewissen Augenblicken etwas Königliches gab, so daß er ein majestätischeres Ansehen hatte, als geborene Könige.

D'Artagnan näherte sich und sprach einige Worte des Dankes, welche bald unter dem düsteren Blicke des Kardinals erloschen.

«Gleich viel, meine Herren, «fuhr der Kardinal fort, der sich, wie es schien, durch den von Athos benützten Zwischenfall nicht im Geringsten von seiner ersten Ansicht abbringen ließ,»gleichviel, ich liebe es nicht, daß einfache Soldaten weil sie den Vorzug haben, in einem privilegirten Corps zu dienen, auf diese Art die großen Herren spielen, und die Disciplin ist für sie dieselbe, wie für die ganze Welt.«

Athos ließ den Kardinal ganz aussprechen, verbeugte sich sodann zum Zeichen der Beipflichtung und versetzte:

«Die Disciplin, Monseigneur, ist, wie ich hoffe, von uns in keiner Beziehung vergessen worden, wir sind nicht im Dienste und glaubten, da nur nicht im Dienste sind, über unsere Zeit nach unserem Gutdünken verfügen zu können. Sollte uns Eure Eminenz durch einige besondere Befehle beglücken wollen, so sind wir bereit zu gehorchen. Monseigneur sieht, «fuhr Athos die Stirne runzelnd fort, denn dieses Verhör fing an, ihn ungeduldig zu machen,»daß wir, um auf den ersten Trommelschlag bereit zu sein, mit unsern Waffen ausgezogen sind.«

Und er deutete mit dem Finger auf die vier Musketen, welche in der Nähe der Trommel, auf der die Würfel und Karten lagen, aufgepflanzt waren.

«Eure Eminenz wolle überzeugt sein, «fügte d'Artagnan bei,»daß wir ihr entgegengekommen wären, wenn wir hätten vermuthen können, daß sie sich uns in so kleiner Gesellschaft näherte.«

Der Kardinal biß sich in den Schnurrbart und auch etwas in die Lippen.

«Wißt Ihr, wie Ihr ausseht, wenn Ihr, wie in diesem Augenblick, stets beisammen, stets bewaffnet und von Euren Bedienten bewacht seid?«sprach der Kardinal.»Ihr seht aus, wie Verschwörer.«

«Oh! was das betrifft, Monseigneur, das ist wahr, «sprach Athos.»Wir conspiriren allerdings, wie Seine Eminenz an jenem Morgen sehen konnte, aber nur gegen die Rocheller.«

«Ei, meine Herren Politiker, «entgegnete der Kardinal, ebenfalls die Stirne faltend,»man würde vielleicht in Eurem Gehirn das Geheimniß von allerlei Dingen finden, wenn man darin lesen könnte, wie Ihr in dem Briefe gelesen habt, den Ihr bei meiner Ankunft verbarget.«

Athos stieg das Blut ins Gesicht, er machte einen Schritt gegen Seine Eminenz.

«Man sollte glauben, Ihr hegtet wirklich einen Argwohn gegen uns, Monseigneur, und wir hätten ein wahres Verhör zu bestehen.«

«Und wenn es nun wirklich ein Verhör wäre?«fragte der Kardinal.

«Monseigneur, ich habe Eurer Eminenz gesagt, daß sie nur zu fragen habe und daß wir zu antworten bereit seien.«

«Was für ein Brief war das, den Ihr vorhin gelesen habt, Herr Aramis, und was verbargt Ihr?«

«Einen Brief von einer Frau, Monseigneur.«

«Oh ich begreife, «sprach der Kardinal,»man muß bei solchen Briefen discret sein; aber man kann sie doch einem Beichtiger zeigen, und Ihr wißt, ich gehöre dem geistlichen Stande an.«

«Monseigneur, «sagte Athos mit einer um so furchtbareren Ruhe, als er bei dieser Antwort um seinen Kopf spielte,»Monseigneur, der Brief ist von einer Frau, aber weder Marion Delorme, noch Frau von Combalot, noch Frau von Chaulnes unterzeichnet.

Der Kardinal wurde bleich wie der Tod. Ein wilder Blitz guckte aus seinen Augen. Er wandte sich um, als wollte er Cahusac und La Houdinière einen Befehl geben. Athos sah diese Bewegung und machte einen Schritt gegen die Musketen, auf welche die drei Freunde ihre Augen wie Männer gerichtet hielten, die sehr wenig Lust hatten, sich verhaften zu lassen. Der Kardinal war zu drei, die Musketiere, ihre Bedienten mit einbegriffen, zu sieben. Er dachte, die Partie wäre um so weniger gleich, wenn Athos und seine Gefährten wirklich conspiriren, und vermöge einer der raschen Wendungen, über die er stets zu verfügen im Stande war, verwandelte sich sein ganzer Zorn in ein lächeln.

«Gut, gut, «sprach er,»Ihr seid wackre junge Leute, stolz in der Sonne, getreu in der Dunkelheit, und es ist kein Fehler, über sich selbst zu wachen, wenn man so gut über Andere wacht. Meine Herren, ich habe die Nacht durchaus nicht vergessen, wo Ihr mir als Escorte bei meinem Ritt nach dem rothen Taubenschlag dientet. Wenn irgend eine Gefahr auf der Route, die ich zu machen habe, zu befürchten wäre, so würde ich Euch bitten, mich zu begleiten. Da aber dies nicht der Fall ist, so bleibt, wo Ihr seid, endiget Eure Flaschen, Eure Partie und Euern Brief. Gott befohlen, meine Herren!«

Hierauf bestieg er wieder sein Pferd, das ihm Cahusac entgegen brachte, grüßte sie mit der Hand und entfernte sich.

Die vier jungen Leute standen unbeweglich und folgten ihm mit den Blicken, ohne ein einziges Wort zu sprechen, bis er verschwunden war.

Dann schauten sie sich an.

Alle sahen bestürzt aus, denn trotz des freundschaftlichen Abschiedes des Kardinals begriffen sie, daß Seine Eminenz mit Wuth im Herzen wegging.

Athos allein lächelte verächtlich.

Als der Kardinal außer Hör- und Sehweite war, rief Porthos, welcher große Lust hatte, seine üble Laune auf einen Andern fallen zu lassen:

«Dieser Grimaud hat sehr spät geschrieen!«

Grimaud war im Begriff zu antworten, um sich zu entschuldigen. Athos hob den Finger auf und Grimaud schwieg.

«Würdet Ihr den Brief abgegeben haben, Aramis?«sagte d'Artagnan.

«Ich, «erwiderte Aramis mit seiner flötendsten Stimme,»ich war entschieden. Wenn er die Auslieferung verlangt hätte, so würde ich ihm mit einer Hand den Brief übergeben und mit der andern den Degen durch den Leib gerannt haben.«