Mylady bebte am ganzen Leibe. Diese Worte liefen wie Eis durch alle ihre Adern.
«Diese schönen Haare, «versetzte Lord Winter lächelnd,»diese schönen, so geschickt ausgebreiteten Haare, diese weiße Haut, dieser schmachtende Blick haben Dich also nicht verführt, Marmorherz?«
«Nein, Mylord, «antwortete der unempfindliche junge Mann,»glaubt mir, es bedarf mehr, als der Frauen-Kunstgriffe und Koketterien, um mich zu bestechen.«
«Wenn dem so ist, mein braver Lieutenant, so mag Mylady etwas Anderes ersinnen, und wir wollen zu Nacht speisen. Oh! sei ruhig, sie hat eine furchtbare Phantasie, und der zweite Akt der Komödie wird bald dem ersten folgen.«
Nach diesen Worten nahm Lord Winter Felton beim Arme, und ging lachend mit ihm weg.
«Oh! ich werde schon finden, was Du brauchst, «murmelte Mylady zwischen den Zähnen; armer, verunglückter Mönch, umgekehrter Soldat, der Du Dir Deine Uniform aus einer Kutte geschnitten hast.«
«Doch, was ich noch bemerken wollte, «versetzte Lord Winter, auf der Schwelle stehen bleibend,»dieses Scheitern braucht Euch den Appetit nicht zu benehmen. Kostet das Huhn und die Fische, die ich bei meinem Ehrenwort nicht habe vergiften lassen. Ich bin ziemlich wohl mit meinem Koche zufrieden, und da er nichts von mir zu erben hat, so setze ich volles Vertrauen in ihn. Macht es wie ich. Gott befohlen, liebe Schwester. Bei Eurer nächsten Ohnmacht sehen wir uns wieder.«
Das war Alles, was Mylady zu ertragen vermochte. Ihre Hände zogen sich krampfhaft auf dem Lehnstuhl zusammen. Ihre Zähne knirrschten dumpf, ihre Augen folgten der Bewegung der Thüre, welche sich hinter Lord Winter und Felton schloß, und als sie sich allein sah, fühlte sie sich von einer neuen Krisis der Verzweiflung befallen. Sie schaute nach dem Tische, gewahrte ein Messer, stürzte darauf los und ergriff es. Aber es trat sogleich eine grausame Enttäuschung ein, die Klinge war rund, und von biegsamem Silber.
Ein schallendes Gelächter wurde an der Thüre hörbar, und diese öffnete sich wieder.
«Ah! ah!«rief Lord Winter,»ah, ah! siehst Du wohl, mein braver Felton, was ich Dir gesagt habe? Dieses Messer war für Dich bestimmt, mein Kind, sie hätte Dich umgebracht. Siehst Du, das ist eine ihrer Verkehrtheiten, daß sie sich der Leute, welche sie geniren, auf die eine oder die andere Weise entledigt. Wenn ich auf Dich gehört hätte, so wäre das Messer spitzig und von Stahl gewesen, dann gäbe es keinen Felton mehr; sie hätte Dich erstochen und nach Dir die ganze Welt. Siehst Du, John, wie sie das Messer so gut zu halten weiß!«
Mylady hielt in der That noch die unschädliche Waffe in ihrer Hand. Die letzte Beleidigung löste ihre Hände, ihre Kräfte und sogar ihren Willen auf. Das Messer fiel zu Boden.
«Ihr habt Recht, Mylord, «sprach Felton mit einem Ausdruck des tiefsten Ekels, der in dem Herzen Myladys wiederhallte,»Ihr habt Recht und ich hatte Unrecht.«
Hierauf entfernten sich Beide abermals.
Aber diesmal horchte Mylady aufmerksamer, als das erste Mal, und sie hörte, wie ihre Tritte nach und nach im Hintergrunde der Flur erstarben.
«Ich bin verloren, «murmelte sie,»ich befinde mich in der Gewalt von Leuten, auf die ich nicht mehr Einfluß ausüben werde, als auf Bildsäulen von Erz oder Granit. Sie kennen mich auswendig und sind gegen alle meine Waffen gepanzert.«
«Doch diese Sache kann unmöglich, «sprach sie nach einem Augenblick,»so endigen, wie sie es beschlossen haben.«
Die Furcht und das Gefühl der Schwäche schwammen, wie dies die letztere Betrachtung, die instinktmäßige Rückkehr zur Hoffnung, andeutete, nicht lange oben in dieser tiefen Seele.
Mylady setzte sich zu Tische, aß von mehreren Gerichten, trank ein wenig spanischen Wein und fühlte ihre ganze Entschlossenheit wieder erwachen.
Ehe sie sich schlafen legte, hatte sie bereits die Worte, die Schritte, die Geberden, die Zeichen und sogar das Stillschweigen ihrer Kerkermeister erklärt, analysirt, von allen Seiten betrachtet, in allen Punkten geprüft, und aus diesem geschickten, geistreichen Studium hatte sie entnommen, daß Felton jedenfalls der weniger unverwundbare von Beiden war.
Ein Wort besonders tauchte immer wieder im Geiste der Gefangenen auf.
«Wenn ich auf Dich gehört hätte, «hatte Lord Winter zu Felton gesagt.
Felton hatte also zu ihren Gunsten gesprochen, da ihn Lord Winter nicht hören wollte.
«Dieser Mensch, «wiederholte Mylady,»hat also jedenfalls einen mehr oder minder starken Anflug von Mitleid in seinem Herzen. Diesen Schimmer werde ich zu einem Brande anfachen, der ihn verzehren soll. Der andere kennt mich, er fürchtet mich und weiß, was er von mir zu erwarten hat, wenn ich je seinen Händen entkomme. Es ist also vergeblich, etwas gegen ihn zu versuchen. Aber bei Felton ist es etwas Anderes. Er ist ein unschuldiger reiner junger Mann, ein tugendhafter Mensch, wie es scheint. Bei ihm gibt es ein Mittel, ihn zu verderben.«
Und Mylady legte sich nieder und entschlummerte mit einem Lächeln auf den Lippen. Wer sie schlafend sah, hätte glauben können, ein junges Mädchen liege vor ihm und träume von dem Blumenkranz, den es beim nächsten Fest auf seiner Stirne tragen solle.
XXV. Zweiter Tag der Gefangenschaft
Mylady träumte, sie habe d'Artagnan endlich erwischt und wohne seiner Hinrichtung bei; der Anblick seines unter dem Henkerbeil entströmenden verhaßten Blutes brachte dieses reizende Lächeln auf ihre Lippen. Sie schlief, wie ein Gefangener schläft, der durch seine erste Hoffnung eingewiegt wird.
Als man am andern Morgen in ihr Zimmer trat, lag sie noch im Bette. Felton verweilte in der Flur. Er brachte die Frau, von der er am Abend zuvor gesprochen hatte. Diese Frau trat ein, näherte sich dem Bette Mylady's und bot ihr ihre Dienste an.
Mylady war gewöhnlich bleich, ihre Gesichtsfarbe konnte also diejenige täuschen, die sie zum erstenmale sah.
«Ich habe das Fieber, «sprach sie,»und konnte die ganze Nacht kein Auge zuthun. Ich leide furchtbar. Werdet Ihr menschlicher sein, als man gestern gegen mich gewesen ist? Ich verlange nichts Anderes, als liegen bleiben zu dürfen.«
«Wollt Ihr, daß man einen Arzt rufe?«sprach die Frau.
Felton hörte diesen Dialog an, ohne ein Wort zu sagen. Mylady überlegte, daß sie, je mehr man sie mit Menschen umgebe, desto mehr Leute hätte, die sie zum Mitleid bewegen könnte, und daß sich sodann die Wachsamkeit Lord Winters verdoppeln müßte. Ueberdies konnte der Arzt erklären, die Krankheit sei nur geheuchelt, und Mylady wollte, nachdem sie die erste Partie verloren hatte, die zweite nicht ebenfalls verlieren.
«Einen Arzt holen, «sagte sie,»wozu soll dies nützen? Diese Herren haben gestern erklärt, mein Uebel sei eine Komödie. Heute würde wohl dasselbe der Fall sein. Denn seit gestern Abend hat man Zeit genug gehabt, den Arzt zu benachrichtigen.«
«Nun, so sagt selbst, «sprach Felton ungeduldig,»welche Kur Ihr wünscht.«
«Ei, mein Gott, weiß ich es denn? ich fühle, daß ich leide; das ist Alles. Man gebe mir, was man will, es ist mir ganz gleichgültig!«
«Holt Lord Winter, «sagte Felton, der ewigen Klagen müde.
«Oh! nein, nein!«rief Mylady,»nicht, mein Herr, ruft ihn nicht! Ich beschwöre Euch, ich befinde mich wohl! ich brauche nichts; ruft ihn nicht!«
Sie sprach diese Worte mit einer so natürlichen Heftigkeit, daß Felton, davon hingerissen, einige Schritte in das Zimmer that.
«Er ist bewegt, «dachte Mylady.
«Wenn Ihr jedoch wirklich leidet, Madame, «sagte Felton,»so wird man einen Arzt holen, und täuscht Ihr uns, nun, um so schlimmer für Euch; wir haben uns wenigstens nichts vorzuwerfen.«
Mylady antwortete nicht, sondern sie warf ihren schönen Kopf auf das Kissen zurück und fing an zu weinen und zu schluchzen.