Mylady faltete die Hände und schlug ihre schönen Augen zum Himmel auf.
«Herr, Herr, «sprach sie mit englischer Weichheit der Geberde und Betonung,»vergib diesem Manne, wie ich ihm selber vergebe!«
«Ja bete. Verdammte!«rief der Baron,»Dein Gebet ist um so edelmüthiger, als Du Dich, ich schwöre es Dir, in der Gewalt eines Menschen befindest, der Dir nicht vergeben wird.«
Und er entfernte sich.
Im Moment wo er hinausging, glitt ein scharfer Blick durch die halbgeöffnete Thür, und sie gewahrte Felton, der sich rasch auf die Seite drückte, um nicht gesehen zu werden.
Dann warf sie sich auf die Kniee und fing an zu beten.
«Mein Gott! mein Gott!«sagte sie,»Du weißt, für was für eine heilige Sache ich leide. Gib mir die Kraft, das Leiden zu ertragen.«
Die Thüre wurde sachte geöffnet, die schöne Beterin gab sich den Anschein, als hätte sie es nicht einmal gehört, und fuhr mit einer thränenreichen Stimme fort:
«Rächender Gott! Gott der Güte! wirst Du die schändlichen Pläne dieses Mannes in Erfüllung gehen lassen?«
Jetzt erst stellte sie sich, als hörte sie das Geräusch der Tritte Feltons; sie sprang rasch wie ein Gedanke aus und erröthete, als schämte sie sich, auf den Knieen getroffen worden zu sein.
«Ich störe Betende nicht gerne, Madame, «sprach Felton mit ernstem Tone.»Laßt Euch also nicht durch mich unterbrechen, ich beschwöre Euch darum.«
«Woher wißt Ihr, daß ich betete?«sagte Mylady mit einer von Schluchzen erstickten Stimme.»Ihr täuschet Euch, mein Herr, ich betete nicht.«
«Glaubt Ihr denn, Madame, «antwortete Felton, mit demselben Ernst, doch mit etwas weicherem Ausdruck,»glaubt Ihr, ich halte mich für berechtigt, ein Geschöpf, das sich vor seinem Schöpfer niederwerfen will, daran zu verhindern? das wolle Gott verhüten! Ueberdies steht den Schuldigen die Reue wohl an, welches Verbrechen sie auch begangen haben mögen, ein Schuldiger ist mir heilig zu den Füßen Gottes.«
«Schuldig ich?«entgegnete Mylady mit einem Lächeln, das einen Engel des jüngsten Gerichts entwaffnet haben würde.»Schuldig, o mein Gott! Du weißt, ob ich es bin? Sagt, ich sei verdammt, mein Herr! Aber Ihr wißt, Gott, der die Märtyrer liebt, läßt es oft zu, daß die Unschuldigen auf dieser Erde verdammt werden.«
«Mögt Ihr verdammt, mögt Ihr unschuldig, mögt Ihr eine Märtyrin sein, «antwortete Felton,»Ihr habt um so mehr Grund zu beten, und ich werde Euch mit meinem Gebet unterstützen.«
«Oh! Ihr seid ein Gerechter, «rief Mylady ihm zu Füßen fallend,»hört, ich kann es nicht länger in mir verschließen, denn ich fürchte, es könnte mir in dem Augenblick, wo ich den Kampf bestehen und meinen Glauben bekennen soll, an Kraft mangeln; hört das Flehen einer Frau, welche von der Verzweiflung erfaßt ist. Man täuscht Euch, mein Herr, aber hievon soll nicht die Rede sein. Ich bitte Euch nur um eine Gnade, und wenn Ihr sie mir gewährt, werde ich Euch dafür in dieser und in der andern Welt segnen.«
«Sprecht mit dem Herrn, Madame, «sagte Felton,»ich habe zum Glück nicht den Auftrag, zu vergeben oder zu strafen. Gott hat diese Verantwortlichkeit einem Höheren übertragen.«
«Mit Euch, nein, mit Euch allein. Hört mich und tragt zu meinem Untergange, zu meiner Schmach bei.«
«Wenn Ihr diese Schmach verdient habt, Madame, wenn Ihr die Schande Euch selbst zuzuschreiben habt, so müßt Ihr Euch geduldig unterwerfen und in Gottes Willen fügen.«
«Was sagt Ihr? Oh! Ihr versteht mich nicht. Wenn ich von Schande spreche, so meint Ihr, ich spreche von einer Bestrafung, von Gefängnis oder vom Tod? Möchte es dem Himmel so gefallen! Was liegt mir an Tod oder Gefängniß?«
«Nun begreife ich Euch nicht, Madame, «sagte Felton.
«Oder Ihr stellt Euch, als ob Ihr mich nicht begriffet, mein Herr, «erwiderte die Gefangene mit einem zweifelhaften Lächeln.
«Nein, Madame, bei der Ehre eines Soldaten, bei dem Glauben eines Christen.«
«Wie! Ihr kennt die Absichten Lord Winters in Beziehung auf meine Person nicht?«
«Ich kenne sie nicht.«
«Unmöglich! Ihr, sein Vertrauter!«
«Ich lüge nie, Madame.«
«Doch er verstellt sich zu wenig, als daß man ihn nicht errathen sollte.«
«Ich suche nichts zu errathen, ich warte, bis man mir etwas anvertraut, und außer dem, was er mir in Eurer Gegenwart gesagt hat, ist mir von Lord Winter nichts anvertraut worden.«
«Wie!«rief Mylady mit einem unglaublichen Gepräge von Wahrheit,»Ihr seid also nicht sein Mitschuldiger! Ihr wißt nicht, daß er mir eine Schmach anzuthun gedenkt, der alle Strafen der Erde an Abscheulichkeit nicht gleichkommen?«
«Ihr täuscht Euch, Madame, «entgegnete Felton erröthend.»Lord Winter ist keines solchen Verbrechens fähig.«
«Gut!«sagte Mylady zu sich selbst,»er nennt das ein Verbrechen, ohne zu wissen, was es ist.«
Dann sprach sie laut:
«Der Freund des Schändlichen ist zu Allem fähig.«
«Wen nennt Ihr den Schändlichen?«fragte Felton.
«Gibt es in England zwei Menschen, denen ein solcher Name gebührt?«
«Ihr sprecht von George Villiers, «sagte Felton, dessen Blicke flammten.
«Den die Heiden, die Ungläubigen und die Gottlosen Herzog von Buckingham nennen, «versetzte Mylady;»ich hätte nicht geglaubt, daß in ganz England ein Mensch leben könnte, der einer so langen Erläuterung bedürfte, um denjenigen zu erkennen, von welchem ich sprechen wollte.«
«Die Hand des Herrn ist über ihm ausgestreckt, er wird der verdienten Strafe nicht entgehen.«
Felton sprach in Beziehung auf den Herzog nur das Gefühl der Verwünschung aus, das alle Engländer gegen den Mann hegten, den auch die Katholiken schlechtweg Satan nannten.
«Oh! mein Gott! mein Gott!«rief Mylady,»wenn ich Dich bitte, über diesen Menschen die ihm gebührende Strafe zu verhängen, so weißt Du, daß ich nicht meiner eigenen Rache Genüge thun will, sondern die Befreiung eines Volkes vom Himmel erflehe.«
«Ihr kennt ihn also?«fragte Felton.
«Endlich fragt er mich!«sagte Mylady zu sich selbst, voll Freude, so schnell zu einem so großen Resultat gelangt zu sein.
«Ob ich ihn kenne! oh ja! zu meinem Unglück, zu meinem ewigen Unglück. «Und Mylady rang die Hände, als ob sie von einem Paroxismus des Schmerzes befallen wäre.
Felton fühlte ohne Zweifel in seinem Innern, daß ihn die Kraft verließ; er machte einige Schritte gegen die Thüre; aber die Gefangene, welche ihn nicht aus den Augen ließ, lief ihm nach und hielt ihn zurück.
«Mein Herr!«rief sie,»seid barmherzig, hört meine Bitte. Das Messer, welches mir die unselige Klugheit des Barons genommen hat, weil er weiß, welchen Gebrauch ich davon machen will… Oh! hört mich bis zu Ende. Dieses Messer, oh! gebt es mir nur auf eine Minute zurück, gebt es mir aus Gnade, aus Mitleid. Ich umfasse Eure Kniee! Ihr schließt die Thüre, ich will nicht Euch an das Leben gehen. Gott! Euch an das Leben gehen. Euch, dem einzigen gerechten, guten und teilnehmenden Wesen, das ich getroffen habe! Euch, meinem Retter vielleicht. Eine Minute, nur eine Minute dieses Messer und ich gebe es Euch durch das Gitter der Thüre zurück! Nur eine Minute, Herr Felton, und Ihr habt meine Ehre gerettet!«
«Euch tödten!«rief Felton voll Schrecken und vergaß seine Hände denen seiner Gefangenen zu entziehen;»Euch tödten!«
«Ich habe es ausgesprochen, mein Herr, «murmelte Mylady, indem sie die Stimme sinken ließ und kraftlos auf den Boden niederfiel,»ich habe mein Geheimniß ausgesprochen! Er weiß Alles, mein Gott! ich bin verloren!«
Felton blieb unbeweglich und unentschlossen auf der Stelle.
«Er zweifelt noch, «dachte Mylady,»ich bin nicht wahr genug gewesen.«