Mylady reichte ihm die Hand.
«So schön! so jung!«rief Felton und bedeckte ihre Hand mit Küssen.
Mylady ließ einen jener Blicke, die einen Sklaven zum König machen, auf ihn fallen.
Felton war Puritaner. Er ließ die Hand dieser Frau los, um ihr die Füße zu küssen.
Er liebte sie bereits nicht mehr, er betete sie an.
Als diese Krise vorüber war, als Mylady ihre Kaltblütigkeit, die sie nie verlassen hatte, wieder gewonnen zu haben schien, sprach er:
«Und nun habe ich Euch nur Eines noch zu sagen: nennt mir den Namen Eures wahren Henkers, denn für mich gibt es nur einen; der andere war das Werkzeug und nicht mehr.«
«Wie, Bruder!«rief Mylady,»ich soll ihn Dir nennen und Du hast ihn noch nicht errathen?«
«Wie!«versetzte Felton,»Er!.. abermals er! — immer er!.. Er, der wahre Schuldige?«
«Der wahre Schuldige ist der Verwüster Englands, der Verfolger der ächten Gläubigen, der feige Räuber der Ehre so vieler Frauen! Er, der aus einer Laune seines verdorbenen Herzens so viel Blutvergießen über England bringt, der heute die Protestanten beschützt, und sie morgen verrathen wird.«
«Buckingham! also Buckingham!«rief Felton außer sich.
Mylady verbarg ihr Gesicht in den Händen, als vermöchte sie die Schmach nicht zu ertragen, an welche dieser Mann sie erinnerte.
«Buckingham! der Henker dieses engelreinen Geschöpfes!«rief Felton.»Und Du hast ihn nicht mit Deinem Donner niedergeschmettert, mein Gott! und Du lässest ihn erhaben, geehrt, mächtig, zu unser aller Verderben!«
«Gott verläßt den, der sich selbst verläßt, «sprach Mylady.
«Er will also auf sein Haupt die Strafe der Verdammten herabrufen, «fuhr Felton mit wachsender Begeisterung fort.»Die menschliche Rache soll also der göttlichen Rache zuvorkommen!«
«Die Menschen fürchten und schonen ihn.«
«Oh, ich fürchte ihn nicht und werde ihn nicht schonen!«rief Felton.
Myladys Seele schwamm in höllischer Freude.
«Aber in welchem Zusammenhange, «fragte Felton,»steht Lord Winter, mein Beschützer, mein Vater, mit Allem dem?«
«Hört, Felton, «erwiderte Mylady,»neben feigen und verächtlichen Menschen finden sich erhabene, edelmüthige Naturen; ich hatte einen Bräutigam, einen Mann, der mich liebte und den ich liebte, ein Herz wie das Eurige, Felton, einen Mann, wie Ihr. Ich ging zu ihm und erzählte ihm Alles. Er kannte mich und zweifelte nicht einen Augenblick. Er war ein hochgestellter Herr, in allen Beziehungen Buckingham gleich. Er sprach nichts, gürtete nur sein Schwert um, hüllte sich in seinen Mantel, und begab sich nach Buckingham Palace.«
«Ich begreife, «sagte Felton,»obgleich man gegen solchen Menschen nicht das Schwert, sondern den Dolch brauchen muß.«
«Buckingham war am Tage vorher abgereist, als Botschafter nach Spanien geschickt, wo er um die Hand der Infantin für König Karl I., der damals noch Prinz von Wales war, werben sollte. Mein Bräutigam kam zurück.«
«Hört,««sprach er zu mir,»»dieser Mensch ist abgereist, und folglich für den Augenblick meiner Rache entgangen; aber mittlerweile schließen wir unsere Verbindung, wie wir dies beabsichtigten, und dann baut auf Lord Winter, daß er seiner Ehre und die seiner Gemahlin aufrecht zu erhalten wissen wird.««
«Lord Winter!«rief Felton.
«Ja, «antwortete Mylady,»Lord Winter, und nun begreift Ihr wohl Alles, nicht wahr? Buckingham blieb beinahe ein Jahr abwesend. Acht Tage vor seiner Ankunft starb Lord Winter plötzlich und hinterließ mich als seine einzige Erbin. Woher kam der Schlag? Gott, der Alles weiß, weiß auch dies ohne Zweifel. Ich klage Niemand an.«
«Oh welch ein Abgrund! Welch ein furchtbarer Abgrund!«rief Felton.
«Lord Winter war gestorben, ohne seinem Bruder etwas zu sagen. Das furchtbare Geheimniß sollte vor Allem verborgen bleiben, bis es wie ein Gewitter über dem Haupte des Schuldigen ausbrechen würde; Euer Beschützer hatte nur mit Widerwillen die Heirath seines Bruders mit einem jungen Mädchen ohne Vermögen angesehen. Ich fühlte, daß ich keine Stütze bei einem Manne zu erwarten hatte, der in seinen Erbschaftshoffnungen betrogen worden war, und zog nach Frankreich, entschlossen, mein ganzes übriges Leben daselbst zuzubringen. Aber da sich mein Vermögen in England befand, und jede Verbindung durch den Krieg abgebrochen war, so fehlte es mir an Allem, und ich sah mich genöthigt, dahin zurückzukehren. Vor sechs Tagen landete ich in Portsmouth.«
«Was geschah weiter?«fragte Felton.
«Buckingham erfuhr ohne Zweifel meine Rückkehr, er sprach darüber mit Lord Winter und sagte ihm, seine Schwägerin sei eine Geschändete, eine Gebrandmarkte. Die edle, reine Stimme meines Gatten konnte mich nicht mehr vertheidigen. Lord Winter glaubte Alles, was man ihm sagte, um so leichter, als er ein Interesse dabei hatte, es zu glauben. Er ließ mich verhaften und hierher führen, und stellte mich unter Eure Obhut. Das Uebrige wißt Ihr. Uebermorgen deportirt er mich. Uebermorgen schickt er mich in die Verbannung unter ehrlose Verbrecher. Oh! der Faden ist gut gesponnen, das Complott ist geschickt angelegt, aber meine Ehre wird es nicht überleben. Ihr seht wohl, daß ich sterben muß, Felton. Felton, gebt mir das Messer!«
Und nach diesen Worten sank Mylady, als ob alle ihre Kräfte erschöpft wären, schwach und schmachtend in die Arme des jungen Offiziers.
«Nein, nein!«rief er,»nein. Du sollst leben, rein und geehrt. Du sollst über Deine Feinde triumphiren!«
Mylady stieß ihn sachte mit der Hand zurück, während sie ihn mit dem Blicke anzog.
«O den Tod! den Tod!«sprach sie, die Stimme und die Augen verschleiernd.»O lieber den Tod, als die Schande!.. Felton, mein Bruder, mein Freund, ich beschwöre Dich!«
«Nein, «rief Felton,»nein. Du sollst leben und gerächt werden.«
«Felton, ich bringe Unglück über Alles, was mich umgibt. Felton, verlaß mich! Felton, laß mich sterben!«
«Wohl, so sterben wir mit einander!«rief er.
Es tönten mehrere Schläge an der Thüre.
«Horch!«sprach sie,»man hat uns belauscht; man kommt! Es ist vorbei; wir sind verloren.«
«Nein, «sprach Felton,»es ist die Wache, welche mir meldet, daß eine Runde kommt.«
«Dann eilt an die Thüre und öffnet selbst.«
Felton gehorchte. Diese Frau war bereits sein ganzer Gedanke, seine ganze Seele.
Er stand dem Sergenten gegenüber, der eine Wachpatrouille commandirte.
«Was gibt es?«fragte der Offizier.
«Ihr habt mir gesagt, ich solle die Thüre öffnen, wenn ich um Hülfe rufen höre, aber Ihr vergaßt, mir den Schlüssel zu lassen. Ich hörte Euch rufen, ohne daß ich verstand, was Ihr verlangtet, und wollte die Thüre öffnen, aber sie war von innen verschlossen, und ich rief deßhalb den Sergenten.«
«Und hier bin ich, «sagte der Sergent.
Verwirrt, beinahe verrückt, blieb Felton lautlos.
Mylady betriff, daß sie sich der Lage der Dinge bemächtigen mußte. Sie lief nach dem Tische und ergriff das Messer, welches Felton darauf gelegt hatte.
«Und mit welchem Rechte wollt Ihr mich hindern zu sterben?«fragte sie.
«Großer Gott!«rief Felton, als er das Messer in ihrer Hand blinken sah.
In diesem Augenblick erscholl ein ironisches Gelächter in der Flur.
Von dem Geräusche herbeigezogen, stand der Baron im Schlafrocke, den Degen unter dem Arm, auf der Thürschwelle.
«Ah! ah!«sagte er,»wir sind im letzten Akte der Tragödie angelangt. Ihr seht, Felton, das Drama hat alle von mir bezeichneten Phasen durchgemacht; aber seid unbesorgt, das Blut wird nicht fließen.«
Mylady begriff, daß sie verloren war, wenn sie nicht Felton einen unmittelbaren und furchtbaren Beweis von ihrem Muthe gab.
«Ihr täuscht Euch, Mylord, das Blut wird fließen. Möge es auf diejenigen zurückfallen, welche es fließen lassen!«