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«Diesen Abend, «erwiderte die Aebtissin,»noch heute. Aber Ihr reist seit vier Tagen, wie Ihr mir selbst sagt, seid heute Morgen um fünf Uhr aufgestanden und müßt der Ruhe bedürfen. Legt Euch nieder und schlaft. Zur Stunde des Mittagessens werden wir Euch erwecken.«

Obgleich Mylady, unterstützt durch alle Aufregungen, welche ein neues Abenteuer in ihrem nach Intriguen gierigen Gemüthe erzeugte, leicht den Schlaf hätte entbehren können, so nahm sie doch nichts destoweniger das Anerbieten der Superiorin an. Seit zehn bis vierzehn Tagen hatte sie so verschiedene Gemüthsbewegungen durchlebt, daß, wenn auch ihr eiserner Körper die Anstrengungen zu ertragen vermochte, ihre Seele doch der Ruhe bedurfte.

Sie nahm also von der Aebtissin Abschied und legte sich, sanft gewiegt durch Rachegedanken, auf die der Name Ketty sie gebracht hatte, zu Bette. Sie erinnerte sich des beinahe unbegrenzten Versprechens, das der Kardinal ihr gegeben hatte, falls sie ihre Unternehmungen glücklich zu Ende führte. Es war ihr geglückt und somit konnte sie sich an d'Artagnan rächen.

Eines jedoch erschreckte Mylady, das Andenken an ihren Gatten, den Grafen La Fère, den sie todt, oder wenigstens aus dem Vaterland entfernt geglaubt hatte, nun aber in Athos, dem besten Freund d'Artagnans, wiederfand.

Aber wenn er der Freund d'Artagnans war, so mußte er ihm auch in allen seinen Handlungen, wodurch er den Plan Seiner Eminenz vereitelt hatte, Beistand geleistet haben; wenn er der Freund d'Artagnans war, so war er der Feind des Kardinals, und ohne Zweifel würde es ihr gelingen, ihn in dasselbe Rachewerk zu verstricken, in welchem der junge Musketier seinen Untergang finden sollte.

Alle ihre Aussichten waren angenehme Gedanken für Mylady. Sanft von diesen gewiegt, entschlummerte sie bald.

Sie wurde durch eine weiche Stimme erweckt, die am Fuße ihres Bettes ertönte. Mylady öffnete die Augen und sah die Aebtissin in Begleitung einer jungen Person mit blonden Haaren und zartem Teint, welche einen Blick voll wohlwollender Neugierde auf sie heftete.

Das Gesicht dieser jungen Person war ihr völlig unbekannt. Beide schauten sich prüfend und mit ängstlicher Aufmerksamkeit an, während sie die üblichen Höflichkeiten austauschten. Beide waren sehr schön, aber von verschiedenartiger Schönheit. Mylady lächelte jedoch, als sie erkannte, daß sie selbst in Bezug auf vornehmes Aussehen und aristokratische Manieren bei Weitem den Vorzug hatte.

Die Aebtissin stellte sie einander vor, und nachdem dieser Förmlichkeit Genüge geleistet war, ließ sie die beiden jungen Frauen allein, da ihre Pflichten sie in die Kirche riefen.

Da die Novize sah, daß Mylady im Bette lag, so wollte sie der Superiorin folgen; aber Mylady hielt sie zurück.

«Wie, Madame, «sprach sie,»kaum habe ich Euch erblickt, und Ihr wollt mich bereits wieder Eurer Gegenwart berauben, auf die ich, ich gestehe es, für die Dauer meiner Anwesenheit an diesem Orte ein wenig rechnete.«

«Nein, Madame, «antwortete die Novize,»ich glaubte nur, die Zeit schlecht gewählt zu haben. Ihr schlieft, Ihr seid müde.«

«Wohl, «erwiderte Mylady,»was können schlafende Menschen Besseres erwarten, als ein gutes Erwachen? Dieses Erwachen habt Ihr mir gegeben. Laßt es mich nach meinem Wohlgefallen genießen.«

Und hierauf nahm sie die junge Person bei der Hand und zog sie auf einen Stuhl, der in der Nähe ihres Bettes stand.

Die Novize setzte sich.

«Mein Gott, «sprach sie,»wie unglücklich ich bin! Ich befinde mich nun sechs Monate hier ohne einen Schatten von Zerstreuung; Ihr kommt; Eure Gegenwart sollte für mich eine liebliche Gefährtin sein, und wahrscheinlich habe ich nun in den nächsten Augenblicken das Kloster zu verlassen.«

«Wie?«sprach Mylady,»Ihr geht also bald von hier?«

«Wenigstens hoffe ich es, «erwiderte die Novize mit einem freudigen Ausdruck, den sie nicht im Mindesten zu verbergen bemüht war.

«Ihr habt, wie ich höre, durch den Kardinal gelitten, «fuhr Mylady fort.»Das ist ein weiterer Grund der Sympathie zwischen uns.«

«Also ist das, was mir unsre gute Mutter gesagt hat, eine Wahrheit? Ihr seid ebenfalls ein Opfer des Kardinals?«

«Still, «entgegnete Mylady,»selbst hier dürfen wir nicht so von ihm sprechen. Mein ganzes Unglück kommt davon her, daß ich ungefähr das, was ihr so eben sagtet, in Gegenwart einer Frau äußerte, die ich für meine Freundin hielt und die mich verrieth. Und Ihr, seid Ihr auch ein Opfer des Verraths?«

«Nein, «antwortete die Novize,»sondern meiner Anhänglichkeit an eine Frau, die ich liebte, für die ich das Leben hingegeben hätte, für die ich es noch hingeben würde.«

«Und die Euch verlassen hat, nicht wahr?«

«Ich war so ungerecht, dies zu glauben; aber seit ein paar Tagen habe ich den Beweis vom Gegenteil erlangt und danke Gott dafür. Es würde mich das Leben gekostet haben, wenn ich hätte glauben müssen, ich sei ganz und gar von ihr vergessen worden. Aber Ihr, Madame, «fuhr die Novize fort,»es scheint mir, Ihr seid frei, und wenn ihr fliehen wolltet, so würde es nur von Euch abhängen.«

«Wohin soll ich gehen, ohne Freunde, ohne Geld, in einer Gegend von Frankreich, die ich nicht kenne, wo…«

«Oh! rief die Novize, was die Freunde betrifft, Ihr werdet sie überall finden, wo Ihr wollt, denn ihr scheint so gut zu sein, und seid so schön!«

«Darum bin ich nicht minder allein und verfolgt, «fügte Mylady bei und versüßte ihr Lächeln, so daß es einen wahrhaft englischen Ausdruck annahm.

«Hört, «sprach die Novize,»man muß die Hoffnung auf den Himmel nicht aufgeben. Seht, es kommt immer ein Augenblick, wo das Gute, was wir gethan haben, vor Gott für unsre Sache spricht, und es ist vielleicht ein Glück für Euch, daß Ihr, so niedrig auch meine Stellung ist, so wenig ich Macht besitze, mich getroffen habt, denn wenn ich diesen Ort verlasse, nun, dann werde ich einige mächtige Freunde haben, die, nachdem sie für mich in's Feld gezogen sind, auch für Euch zu Felde ziehen können.«

«Oh! wenn ich sagte, ich sei allein, «erwiderte Mylady, in der Hoffnung, die Novize zum Sprechen zu bringen,»so äußerte ich dies nicht, als ob ich nicht auch einige hohe Bekanntschaften hätte, sondern weil diese Bekanntschaften vor dem Kardinal zittern. Die Königin selber wagt es nicht, mir gegen diesen furchtbaren Minister beizustehen, und ich habe den Beweis, daß Ihre Majestät trotz ihres vortrefflichen Herzens mehr als einmal genöthigt gewesen ist, die Personen, welche ihr Dienste geleistet hatten, dem Zorn seiner Eminenz preiszugeben.«

«Glaubt mir, Madame, es kann bei der Königin den Anschein haben, als hätte sie diese Personen verlassen, aber man muß dem Schein nicht glauben; je mehr sie verfolgt werden, desto mehr denkt Ihre Majestät an sie, und in dem Augenblick, wo sie wähnen, die Königin denke am wenigsten an sie, erhalten sie oft den Beweis einer herzlichen Erinnerung.«

«Ach! ich glaube es wohl, «sprach Mylady.»Die Königin ist so gut!«

«Ihr kennt sie also, diese schöne und edle Königin, da Ihr so von ihr sprecht!«rief die Novize begeistert.

«Das heißt, «versetzte Mylady, in ihren Verschanzungen bedrängt,»ich habe nicht die Ehre, sie persönlich zu kennen, aber ich kenne viele von ihren vertrautesten Freunden. Ich kenne Herrn von Putange; ich habe in England Herrn Dujart kennen gelernt; ich kenne Herrn von Treville.«

«Herrn von Treville!«rief die Novize,»Ihr kennt Herrn von Treville?«

«Ja vollkommen, sehr gut sogar.«

«Den Kapitän der Musketiere des Königs?«

«Den Kapitän der Musketiere des Königs.«

«Oh! nun werdet Ihr sehen, «sprach die Novize,»daß wir sogleich ganz gut mit einander bekannt, ja beinahe Freundinnen sein werden. Wenn Ihr Herrn von Treville kennt, so müßt Ihr in seinem Hause gewesen sein.«

«Oft, «antwortete Mylady, welche die Lüge bis zum Ende führen wollte, als sie bemerkte, daß sie auf diesem Weg zum Ziele kam.